Crash oder Korrektur an den Börsen?
6. Februar 2018Der japanische Leitindex Nikkei 225 stürzte am Dienstag um mehr als 1000 Punkte ab. Es war der höchste Tagesverlust seit 2016. Der Index ging mit einem massiven Abschlag von 4,73 Prozent beim Stand von 21 610,24 Punkten aus dem Handel. Zwischenzeitlich hatte der Nikkei sogar mehr als sieben Prozent verloren.
Kaum besser sah es am Morgen in Europa aus. Zur Eröffnung der Börse in Frankfurt verlor der deutsche Aktienindex Dax gleich 3,6 Prozent, das Minus in London zum Handelsauftakt lag bei 3,6 Prozent und in Paris 3,4 Prozent. Der zwischenzeitlich befürchtete freie Fall unter die Marke von 12.000 Punkten blieb dem Dax dann aber erspart. Zur Mittagszeit am Dienstag stand der Leitindex 1,60 Prozent tiefer bei 12 484,00 Zählern. Beim Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 betrug der Kursverlust am Mittag knapp 2 Prozent. Der Euro entwickelte sich relativ stabil.
Vorausgegangen war der mit knapp 1600 Zählern bisher größte Tagesverlust des Dow Jones an der New Yorker Wall Street. Zum Ende des Handels am Montag stand der Dow bei 24.346, ein Minus von 4,7 Prozent oder 1175 Punkten. Als Grund für die starken Einbußen gelten Sorgen bei vielen Börsianern um möglicherweise bevorstehende Zinserhöhungen.
Am Dienstag gingen auch andere asiatische Märkte in den Keller. In Hongkong sackte der wichtige Hang Seng Index um 4,9 Prozent ab, in Schanghai verlor der Shanghai Composite Index mehr als drei Prozent.
"...darf als Crash bezeichnet werden"
"Das, was seit gestern Abend passiert, darf als Crash bezeichnet werden", sagte Portfoliomanager Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. "Viele Anleger sind in Panik verfallen. Alle wollen durch die gleiche Tür. Beim Dax deutete am Morgen vieles auf einen Kampf des Dax mit der Marke von 12.000 Punkte hin. Damit wären sämtliche Kursgewinne seit August des vergangenen Jahres aufgezehrt. Nur wenige Investoren hätten "freiwillig" verkauft, so Beobachter, die meisten seien durch den rasanten Kursverfall regelrecht dazu gezwungen worden.
Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich besorgt über den Einbruch an den Börsen in den USA und Asien geäußert. Sie sagte am Dienstag in Berlin vor dem Beginn der entscheidenden Phase der Koalitionsverhandlungen zu Bildung einer neuen Regierung, es gehe um Wohlstand und Sicherheit in Deutschland: Die Börsenentwicklung der letzten Stunden habe gezeigt, dass "wir in unsicheren Zeiten leben". Man müsse nun mit einer verlässlichen Regierung die Voraussetzungen dafür schaffen, "dass wir morgen auch noch in Wohlstand und in Sicherheit im umfassenden Sinne leben können", sagte Merkel, die auch CDU-Chefin ist.
An den Aktienmärkten geht die Angst um, dass die Zeiten des billigen Geldes bald vorbei sind. Anleger spekulieren darauf, dass die Zinsen vor allem in den USA schneller steigen als erwartet.
"Korrektur eigentlich überfällig"
Es gibt gute Gründe, weswegen Anleger derart auf die Verkaufstasten drücken. Dem Kursrutsch ist schließlich eine "Börsenparty " voraus gegangen, will heißen: Die Kurse an den Aktienmärkten kannten in den vergangenen Wochen nur eine Richtung – steil nach oben. So hatte der Dax unlängst einen neuen Rekord markiert – und auch die US-Indices hangelten sich von einem Rekord zum nächsten. "Nach einem solch starken Anstieg war eine Korrektur eigentlich überfällig", sagt Felix Herrmann, Kapitalmarktstratege beim Investmentgiganten Blackrock in Deutschland. "Man kann fast schon sagen - das hat einen gesunden Charakter." Dem stimmen viele andere Börsenexperten in diesen Tagen zu.
Zum anderen ist der Euro in den vergangenen Wochen kräftig gestiegen. Das belastet zumindest in Europa - also auch am deutschen Aktienmarkt - Exportunternehmen, weil deren Waren sich im außereuropäischen Ausland verteuern. Und dann machen sich Anleger vor allem Sorgen über die Zinsen in den USA. Denn die könnten möglicherweise schneller als gedacht steigen. Am Montag hat der frühere Finanzinvestor Jerome Powell das Ruder der US-Amerikanischen Notenbank FED übernommen. Unsicherheit besteht nun darüber, wie er an der Spitze der wichtigsten Notenbank der Welt agieren wird. Angesichts anziehender Löhne und im Nachgang möglicherweise steigender Preise könnte er sich gezwungen sehen, die Zinsen schneller anzuheben als bisher gedacht.
Am Anfang war die Geldflut
Steigende Zinsen aber wirken grundsätzlich wie ein Partys-Killer an den Aktienmärkten. Denn sie verknappen Geld grundsätzlich, das ansonsten in Anlagen wie Aktien fließen könnte. In der Tat ist die Rekordfahrt der vergangenen Monate an den Börsen kaum zu erklären ohne die Niedrig- oder Nullzinspolitik der wichtigsten Notenbanken der Welt - und deren Anleihekäufen. Mit diesem Gesamtpaket haben die Währungshüter rund um den Globus die Märkte mit Geld geflutet. Auf der Suche nach Rendite ist ein Teil dieses Geldes an den Aktienmärkten gelandet und hat dort die Kurse getrieben.
Nun steigen die Zinsen zumindest in den USA wieder. US-Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit bringen mittlerweile wieder Renditen von fast 3 Prozent. Das ist ziemlich lukrativ. Deswegen könnten Anleger vermehrt motiviert sein, umschichten: Raus aus den vergleichsweise risikoreichen Aktienmärkten, rein in US-Staatsanleihen – denn die gelten quasi als ausfallsicher. Diese Entwicklung birgt noch ein anderes Risiko, denn es gilt: Wenn die Renditen von Anleihen steigen, fallen ihre Kurse und umgekehrt. Sollten die Zinsen also schnell steigen und Investoren ihre Anleihen verkaufen, um nicht auf den Kursverlusten sitzen zu bleiben, droht eine Abwärtsspirale am Anleihemarkt. "Wenn es dort wirklich drehen sollte, wird es haarig", meint der Börsenexperte Dirk Müller.