Crown Shyness - Wenn Bäume sich nicht berühren wollen
22. August 2017Manchmal lohnt es sich, in die Natur zu gehen. Nicht nur wegen der guten Luft. Wenn man schon mal da ist und außerdem den Blick in die Baumkronen hebt, kann man vielleicht ein Phänomen sehen, das sicher einen Instagram-Post wert ist.
Zwischen den Baumwipfel tun sich Lücken auf, als wollten die Bäume sich nicht berühren. Oder, etwas positiver formuliert - als ließen die Bäume einander Platz. Das ist doch sehr zuvorkommend, oder?
Schüchterne Baumkronen?
Es scheint tatsächlich so zu sein, dass einige Baumarten es vermeiden, ihre Nachbarbäume an den Wipfeln zu treffen. Das Phänomen, heißt es, kommt vor allem bei Bäumen der gleichen Art vor, es ist aber auch artübergreifend beobachtet worden.
Kennt man ihn, ist der Effekt offensichtlich. Zwischen den Baumkronen bilden sich schmale, aber klar zu erkennende freie Bereiche. Als ob das Blätterdach zerrissen und leicht verschoben wurde.
Kürzlich hat ein Tweet des Autors Robert Macfarlane dazu für einige Aufmerksamkeit gesorgt. Er setzt sich in seinen Büchern mit Naturphänomenen und Umweltthemen auseinander.
Warum machen die das?
Neu ist das Phänomen nicht. Erste Beschreibungen gab es schon in den 1920er Jahren (pdf, Englisch). Über den Grund ist sich die Wissenschaft aber uneins. Eine Theorie geht davon aus, dass die Bäume in den Blättern spüren, wenn sie einem anderen Baum zu nahe kommen. Sie stellen das Wachsen ein, um sicherzustellen, dass weiterhin Licht durch das Blätterdach dringen kann.
Auch denkbar ist eine Art Abwehrmechanismus gegen blattfressende Insekten. Die könnten nicht ohne weiteres über die Lücken kommen und damit wäre deren Ausbreitung nicht mehr so einfach.
Am wahrscheinlichsten aber ist, dass Bäume sich einfach nicht verletzen wollen. Weil das Phänomen oft in windigen Gegenden zu sehen ist, vermutet die Wissenschaft, dass durch genügend große Abstände zwischen den Baumkronen Äste nicht zusammenstoßen oder sich ineinander verkeilen. Das vermindert das "Verletzungsrisiko."
Welche Lösung auch immer stimmt, richtig ist, dass es in der Natur eine Menge zu entdecken gibt, wenn man sich nur umsieht.