Daniel Peretz - ein Israeli für den FC Bayern
25. August 2023Die Liste der Namen, die beim FC Bayern als mögliche Vertreter von Stammtorhüter und Kapitän Manuel Neuer diskutiert und gehandelt wurden, ist lang: David de Gea, der zuletzt bei Manchester United spielte, Kepa Arrizabalaga vom FC Chelsea, Marokkos Nationaltorhüter Yassine Bounou vom FC Sevilla und einige andere Top-Torhüter von großen europäischen Klubs.
Der Auftrag: Es sollte jemand sein, der als zeitweilige Nummer eins im Tor stehen kann, dann aber ohne großen Aufstand wieder Platz macht und sich auf die Bank setzt, wenn Neuer wieder fit ist. Der 37-Jährige ist nach seinem Beinbruch, den er Anfang des Jahres bei einer Skitour erlitt, noch im Aufbautraining.
Peretz als langfristige Nummer zwei
Diese Suche nach einer Nummer 1b endete erfolglos, teilweise weil Vereine aus Saudi-Arabien besser zahlten als die Bayern. Im Fall Kepa, weil verletzungsbedingt kurzfristig eine Stelle bei Real Madrid frei wurde. Daher änderten die Bayern schließlich ihre Taktik und wurden in Israel fündig: Mit Daniel Peretz kommt der 23-jährige Stammtorhüter von Maccabi Tel Aviv nach München. Allerdings nicht, um bis zur Neuer-Rückkehr für die Bayern im Tor zu stehen, sondern als Ersatz des eigentlichen Ersatzmannes, Sven Ulreich. Allerdings sehen die Münchener in Peretz offenbar eine langfristige Lösung, die irgendwann einmal vielleicht auf die Stammposition rücken könnte. Immerhin statten sie ihn mit einem Fünfjahresvertrag aus.
"Mit Daniel Peretz sind wir in unserem Torwart-Team perspektivisch sehr gut aufgestellt - für diese Saison und für die Zukunft", sagte Bayerns Vorstandsvorsitzender Jan-Christian Dreesen. "Daniel Peretz ist ein Torwart mit großem Potential."
"Wir wünschen ihm viel Erfolg", wurde Maccabi-Klubchef Mitchell Goldhar zuvor auf der Vereins-Homepage zitiert. "Wir sind traurig, dass Daniel geht, aber wir sind auch in vielerlei Hinsicht stolz und wünschen ihm und seinem neuen Verein, Bayern München, viel Glück für die kommenden Jahre." Peretz hatte am Donnerstagabend im Playoff-Hinspiel zur Europa Conference League gegen NK Celje aus Slowenien ein letztes Mal im Maccabi-Tor gestanden.
Stolz und Bedenken der Fans
Weil nicht ganz klar war, wann der Transfer über die Bühne gehen würde, hatte sich Peretz von den Fans bereits vor einigen Tagen mit Tränen in den Augen verabschiedet. "Seitdem ich fünf Jahre alt, bin ich in diesem Verein", sagte er am Flughafen und hatte dabei einen Maccabi-Schal um den Hals. "Dank euch habe ich mich hier immer zu Hause gefühlt." Nach seinem letzten Auftritt für die Blau-Gelben gegen Celje feierte er dann noch einmal gemeinsam mit den Maccabi-Ultras, die ihm einen gebührenden Abschied bereiteten.
Peretz hinterlässt in der Hauptsache also Begeisterung in seiner Heimat und kein böses Blut. "Es ist egal, ob er erster, zweiter oder vierter Torwart sein wird", schrieb X-User RahamimGuy. "Dieser Sprung von der israelischen Liga zum verdammten FC Bayern ist irgendwas, was mein Verstand nicht fassen kann." Trotzdem gibt es einige, die sich schon die Frage stellen, ob er sich und seiner Karriere mit dem Wechsel auf die Bayern-Bank einen Gefallen tut. "In meinen Augen: Ein sexy Transfer, aber einer, der ihm nicht gut tun wird short term, vielleicht in der weiten Zukunft", war beispielhaft bei X-User Mxalp3000 zu lesen.
Elfmeterheld der U21-EM
Peretz, der wegen der Familie seiner Mutter neben der israelischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, hatte mit guten Leistungen bei der U21-Europameisterschaft auf sich aufmerksam gemacht. Unter anderen im Vorrundenspiel gegen Deutschland zeigte er zahlreiche Paraden und hielt unter anderen zwei Strafstöße. Im Viertelfinale gegen Gastgeber Georgien, das erst im Elfmeterschießen entschieden wurde, parierte Peretz sogar drei Elfmeter. "Man kann sagen, Elfer sind mein Ding", sagte der Torhüter anschließend. Im Halbfinale gegen den späteren Turniersieger England fehlte Peretz gelbgesperrt. Israel schied mit 0:3 aus.
Dass der Peretz-Transfer zum deutschen Rekordmeister in Israel bereits im Vorfeld ein allgemein diskutiertes Thema war, zeigt auch eine Äußerung von Premierminister Benjamin Netanjahu. Der machte nach dem Abschluss eines Sicherheitsdeals mit der Bundesregierung über die Lieferung des Flugabwehrsystems Arrow 3 einen Witz darüber: "Übrigens könnte es sein, dass wir auch Daniel Peretz für das deutsche Verteidigungssystem spenden werden. Wir werden dies in den kommenden Tagen prüfen."
14. Nachfolger von Shmuel Rosenthal
Peretz ist erst der 15. Israeli, der in 60 Jahren Fußball-Bundesliga bei einem deutschen Erstligisten unter Vertrag steht. Der erste war Shmuel Rosenthal, den Borussia Mönchengladbach 1972 verpflichtete. Der Nationalspieler machte unter Trainer Hennes Weisweiler 13 Bundesligaspiele für die damalige "Fohlenelf". Rosenthal war der erste Israeli überhaupt, der als Profi in Europa spielte.
Die meisten Bundesligaauftritte aller israelischen Spieler hatte Almog Cohen, der für den 1. FC Nürnberg und den FC Ingolstadt insgesamt 109 Mal in der ersten Liga auflief. Hinter ihm folgt mit 84 Bundesligaspielen Munas Dabbur, der bis zu diesem Sommer für die TSG Hoffenheim auf Torejagd ging, bevor er nach Dubai wechselte.