Das Bauhaus in Indien und umgekehrt
Vor gut 90 Jahren fand in Kalkutta in Indien eine ungewöhnliche Ausstellung statt, die die indische Avantgarde mit der europäischen Bauhaus-Bewegung zusammenbrachte. Wie es dazu kam, das erklärt jetzt das Bauhaus Dessau.
Am Anfang war der Pinsel
1922. In Kalkutta trifft die europäische auf die indische Avantgarde. Erstmals werden auf dem Subkontinent Werke namhafter Bauhauskünstler neben indischen Arbeiten ausgestellt. Die Stiftung Bauhaus Dessau schildert nun, 90 Jahre später, eindrücklich die Entstehung und das Ansinnen dieser einzigartigen Schau. Beste Zeugnisse: zeithistorische Dokumente wie diese Aufnahme einer indischen Malklasse.
Zwei Welten - eine Sprache
Zwei künstlerische Welten trafen damals aufeinander. Die europäische Kunst, geprägt von den Zerrüttungen des Ersten Weltkrieges, war auf der Suche nach gestalterischen Alternativen. Und die indische Kunst der postkolonialen Phase auf der Suche nach einer neuen, kulturellen Identität. Zwei Welten, die eine gemeinsame Sprache fanden: die des Kubismus, Primitivismus und der Abstraktion.
Eine Frau - eine Idee
Die Idee für diese ungewöhnliche Begegnung stammte von der Österreicherin Stella Kramrisch. Die Liebhaberin und Expertin für indische Kunst fragte in teilweise handgeschriebenen Briefen bei Bauhauskünstlern Werke für die geplante Ausstellung an. Darunter Paul Klee und Lyonel Feininger - "… auch gute Schülerarbeiten wären sehr willkommen", schreibt sie an den Schweizer Künstler Johannes Itten.
Ein Zeugnis des frühen, globalen Kunstbetriebs
Die Schau in Dessau ist eine historische Spurensuche. Anhand von Fotos, Filmen und Publikationen werden die - im Osten wie im Westen - schwierigen politischen Rahmenbedingungen aufgezeigt, Parallelen vom frühen Bauhaus zum indischen Intellektuellen-Umfeld gezogen und das feine kosmopolitische Netz aller Teilnehmer erschlossen. Zu sehen ist also ein sehr frühes Beispiel des globalen Kunstbetriebs.
Ohne Moos nix los
Und der Höhepunkt war besagte "Ausstellung kontinentaler Gemälde und Grafiken", in der Stella Kramrisch 80 indische und 80 europäische Kunstwerke darbot. Unglaublich, aber wahr: mit dabei Paul Klees "Maske" für nur 10 britische Pfund! Die Aquarelle, Bleistiftzeichnungen, Radierungen und Holzschnitte wurden in den Räumen der "Indian Society of Oriental Art" ausgestellt. Und ein Teil davon kann ...
Geschichte wiederholt sich
… heute in Dessau bestaunt werden. In äußerst aufwendiger Recherchearbeit hat das Kuratorenteam die Schau "Das Bauhaus in Kalkutta. Eine Begegnung der kosmopolitischen Avantgarde" zusammengetragen. Ein mühsamer Prozess, da die Bilder weltweit aufgesucht werden mussten. So wurde das 90-jährige Jubiläum der Originalschau zwar knapp verpasst ...
Europäische Kunst, die sich befreit
… schön anzusehen ist die Ausstellung jedoch allemal! Zu bewundern sind große Namen wie Wassily Kandinsky oder hier: Lothar Schreyer. Er war Schriftsteller, Dramaturg und Maler. Sein Bild "Farbklang 35" zeigt den Hang zur Abstraktion, trotzdem schafft er eine betörende Harmonie in seinen Werken. 1922, im Jahr der Schau in Kalkutta, war Schreyer Meister und Leiter der Bühnenklasse am Bauhaus.
Abkehr vom Gewohnten
Aber auch indische Künstler werden gezeigt, wie etwa Gaganendranath Tagore. Seine Arbeiten sind wunderbare Beispiele für die damalige Abkehr von künstlerischen Gewohnheiten. Bewusst legte er den Ölpinsel beiseite - Usus damaliger britisch geprägter Kolonialkunst. Griff traditionelle indische Themen auf wie das Leben auf dem Land, indische Mystik oder aber die soziale Rolle der Frau.
Ein Mythos, der wieder lebendig wird
Es gibt kein einziges Foto, dass die erste europäisch-indische Kunstwerkschau in Kalkutta von 1922 dokumentiert. Umso schöner, dass nun im Bauhaus Dessau eine Auswahl der Bilder und ihre Geschichte noch mal gezeigt werden. Begleitet von einem umfangreichen Rahmenprogramm, abrufbar unter: www.bauhaus-dessau.de.