Digitales Kulturerbe
30. November 2012Die Seite ist noch in der Probephase. Und sie sieht auch noch nicht toll aus. Doch das soll sich bald ändern. Auf der Seite der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB) soll eine Wissenssammlung entstehen, die ihresgleichen sucht. Ein Netzwerk für Kultur und Wissenschaft, ein einzigartiges Archiv des kulturellen Gedächtnisses Deutschlands. Und Europas. Denn die DDB ist ein weiterer Baustein des europäischen Kulturportals Europeana. Das gibt es seit gut vier Jahren. Und da sieht es schon ganz anders aus. Die Hinweise auf Museen und Ausstellungen sind mit ansprechenden Bildern versehen, die Themen sind so vielfältig, dass man, während man die Seite erforscht, alles um sich herum vergessen kann.
Expeditionen in der realen und virtuellen Welt
Vor drei Jahren, am 2. Dezember 2009, hat die Bundesregierung beschlossen, mit der DDB den deutschen Beitrag zu Europeana zu liefern. In Zusammenarbeit mit Bibliotheken, Museen, Archiven, und Kinematheken soll Kultur multimedial aufbereitet werden. "Wir wollen Kultur und Wissenschaft für jedermann erlebbar machen", sagt Professor Hermann Parzinger. Er ist Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Vorstand der DDB. "Denn das kulturelle Gedächtnis Deutschlands gehört allen", fügt er hinzu, "deswegen möchten wir all dies und auch die verborgenen Schätze für alle zugänglich machen."
Virtuelle Museumsbesuche wird es geben, sowie 3D-Ansichten von Skulpturen und Denkmälern. "Es wird nie den Besuch eines Museums ersetzen können", so Parzinger. "Wir wollen aber Möglichkeiten schaffen, einen Museumsbesuch besser vor- oder nachzubereiten." Außerdem mache man Objekte, die aus konservatorischen Gründen nicht öffentlich zugänglich sind, für jedermann verfügbar – heißt also, man kann empfindliche Manuskripte oder Bücher, die unter normalen klimatischen Bedingungen zu zerfallen drohen, digital betrachten und mit Vergrößerungsfunktionen genau unter die Lupe nehmen.
Die Antwort auf Google?
Längst war so ein Portal fällig. Der US-Konzern Google hatte es vorgemacht: Mit "Google Books" wird seit Jahren digitalisierte Literatur ins Netz gestellt, das "Google Cultural Institute" ist eine preisverdächtige Geschichts-Informationsseite, die auch bei Wissenschaftlern und Historikern großen Anklang findet. Doch auch wenn die Seiten des Google Cultural Institute komplett werbefrei sind, trägt Google eben einen großen Makel mit sich herum. Es ist ein kommerziell handelnder Konzern, der im Wettstreit der Internetgiganten steht. Google's Umgang mit Nutzerdaten steht immer wieder in der Kritik.
Davon sind die Betreiber der DDB weit entfernt. "Die auffindbaren Informationen sind mit großer editorischer Sorgfalt bearbeitet worden und tragen das Gütesiegel deutscher Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen", erklärt Elke Harjes-Ecker vom Thüringer Bildungsministerium und betont: "Suchergebnisse werden nicht durch kommerzielle Interessen beeinflusst."
Ein Praxistest
Eingabe in das Suchfeld: Westfälischer Frieden von 1648. Schnell poppen 18 Ergebnisse auf: Fotografien der mit Siegellack und Tinte versehenen Seiten der Verträge. In Schwarzweiß. Klickt man sie an, wird man mit der trockenen Anweisung "Objekt beim Datenlieferanten anzeigen" auf die Seite des Landesarchivs Baden Württemberg geschickt. Dort kann man die Fotografie immerhin vergrößern. Die Auflösung ist leider mangelhaft.
Nächste Eingabe: Attentat Sarajewo (löste den ersten Weltkrieg aus): Vier Einträge. Die Quelle ist jedes Mal das Landesarchiv Baden-Württemberg.
Heinrich Böll, Schriftsteller: Sechs Einträge, davon drei Fotos.
Erfolgreicher ist die Suche nach Günter Grass, Schriftsteller und Nobelpreisträger: 96 Treffer, nach 60 Fotos folgen dann die interessanten Sachen: Korrespondenzen, Essays, Interviews, Interpretationen seiner Texte und Gedichte. Hier tauchen nun auch verschiedene Quellen auf. Es lässt sich ahnen, was das Ziel des ambitionierten Projekts sein soll.
Es ist eben eine Beta-Version, eine Zwischenstufe. Bisher sind "nur" 1.800 Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen bei der DDB registriert, immerhin schon mit 5,6 Millionen Datensätzen. Doch um ein umfassendes Bild des historischen Erbes zu bekommen, müssten es gute 30.000 Institute sein, damit man nicht immer auf das Baden-Württembergische Landesarchiv verwiesen wird.
Falle Urheberrecht
Die Betreiber versprechen zwar, dass das Urheberrecht bei allen Einträgen gewahrt bleibe. Trotzdem werden sich für Nutzer, die bestimmte Dinge verwerten möchten, Probleme auftun:
Die DDB möchte ihre digitale Sammlung verschiedenen Medien verfügbar machen. Journalisten sollen sie als Recherchetool nutzen können. Autoren von Schulbüchern und E-Learning-Programmen sollen davon profitieren. Sogar Hersteller von Computerspielen sollen Inhalte der DDB verwerten können. Das natürlich alles gegen Gebühr. Doch auch da wird es Grenzen geben. Nicht alle Datensätze werden zur Weiterverwertung freigegeben.
Manche Ideen, die im fast siebenminütigen Werbevideo auf der Startseite zu sehen und zu hören sind, klingen noch nach Zukunftsmusik. Dass aber Kultur und Wissenschaft im elektronischen Zeitalter "digital erfahrbar" (Parzinger) sein müssen, das liegt auf der Hand.
So sagt Parzinger auch am Ende seiner Präsentation: "Wir sind noch nicht am Ziel. Dies ist ein Prozess, der auf Jahre angelegt ist."