Das empfiehlt die "Kohlekommission"
28. Januar 2019Was wird nun aus dem Kohlestrom?
Um die Klimaziele des Energiesektors zu erreichen, sieht die Kommission den Bedarf, Kohlekraftwerke früher stillzulegen, als bisher vorgesehen. Laut Abschlussbericht waren Ende 2017 in Deutschland Steinkohlekraftwerke mit einer Erzeugungskapazität von 22,7 Gigawatt (GW) und Braunkohlekraftwerke mit 19,9 GW in Betrieb. Nach bisheriger Planung, stellt die Kommission fest, würden davon 2030 noch 16 GW Braun- und 11 bis 17 GW Steinkohlekapazität übrig sein.
Nach Ansicht der Kommission wäre das viel zu viel. Stattdessen empfiehlt sie, die Kapazitäten bereits bis 2022 auf jeweils 15 GW herunterzufahren. Bis 2030 sollen weitere 6 GW Braun- und 7 GW Steinkohle vom Netz gehen. Das endgültige Ende der Kohleverstromung in Deutschland soll demnach spätestens 2038 erfolgen.
Mit welchen Mitteln soll das erreicht werden?
Die Kommission nennt keine Reihenfolge, in der die Kraftwerke geschlossen werden. Einige Kraftwerke werden ohnehin aus wirtschaftlichen Gründen in den nächsten Jahren stillgelegt. Für die anderen, rät die Kommission, solle die Bundesregierung eine "einvernehmliche Vereinbarung auf vertraglicher Grundlage" aushandeln. Darin sollten sowohl Form und Höhe der Entschädigungen für die Unternehmen als auch ein sozialverträglicher Stellenabbau festgelegt sein.
Insbesondere für die Steinkohlekraftwerke schlägt die Kommission vor, Stilllegungsprämien auszuschreiben. Über den Zuschlag solle anhand verschiedener Kriterien entschieden werden, darunter die erwartete Emissionseinsparung - auch unter Berücksichtigung von Kraft-Wärme-Kopplung - sowie wirtschaftliche und soziale Nachteile für die betroffenen Menschen.
Sollte es zu keiner Einigung mit den Kraftwerksbetreibern kommen, "empfiehlt die Kommission eine ordnungsrechtliche Lösung mit Entschädigungszahlungen im Rahmen der rechtlichen Erfordernisse".
Wie viel Klimaschutz bringt das?
Im Vergleich zum Referenzjahr 1990 hatte der Energiesektor seine Emissionen 2016 laut Umweltbundesamt um gut 22 Prozent reduziert. Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen, heißt es im Abschlussbericht, werde der Energiesektor seine Emissionen bis 2022 um gut das Doppelte gesenkt haben. Bis 2030 gingen die Emissionen auf mindestens 61 Prozent hinunter.
Damit die in Deutschland eingesparten Emissionen nicht einfach über CO2-Zertifikate der Europäischen Union ins EU-Ausland verkauft und dort verbraucht werden, rät die Kommission, solle die Bundesregierung durch Stilllegungen freiwerdende Zertifikate aus dem nationalen Versteigerungsbudget löschen.
Wird der Strom in Deutschland nun teurer?
Die Kosten der beschleunigten Stilllegung von Kohlekraftwerken soll nach Ansicht der Kommission nicht auf den Strompreis umgelegt werden. Dennoch, heißt es, könnten unterschiedliche Faktoren zu einem weiteren Anstieg des Strompreises führen. Um private Verbraucher, aber auch die energieintensive Industrie und den Wirtschaftsstandort Deutschland vor zu hohen Kosten zu schützen, schlägt die Kommission sogar vor, den Strompreis ab 2023 konstant zu halten. Allein dieser Ausgleich werde jährlich mindestens zwei Milliarden Euro kosten, die aus Steuermitteln gezahlt werden sollen.
Woher kommt dann der Strom?
Die Kommission betont die Bedeutung der Versorgungssicherheit für die Volkswirtschaft. Um das zu erreichen, soll ein Teil der Kohlekraftwerke durch Gaskraftwerke ersetzt werden, die als klimafreundlicher gelten. Außerdem sollen Stromspeicher die Reserven für Engpässe bereithalten. Um erneuerbaren Strom unabhängiger von Standort und Zeitpunkt der Erzeugung nutzbar zu machen, seien zudem adäquate Übertragungs- und Verteilnetze und weitere Energiespeichermöglichkeiten erforderlich. Auch die Flexibilisierung des Stromverbrauchs und intelligente Stromnetze, die Bedarfe effizienter steuern, sollten eine Rolle spielen, um die Energieversorgung in Deutschland zu sichern.
Was wird aus den Beschäftigten?
Die Zukunft der Energieversorgung ist für die Kommission ein Ansatzpunkt für den Strukturwandel in den betroffenen Regionen. Nicht nur im Sinne der Arbeitnehmer, sondern auch, weil sie bereits über die Infrastruktur - namentlich die Stromnetze - verfügten, böte es sich an, dass sie Energiestandorte bleiben. Deshalb solle "die Technologiekompetenz und Innovationsfähigkeit sowie der Einsatz von erneuerbaren Energien, Speichern und grünem Wasserstoff (Power-to-Gas) als Zukunftstechnologie in den betroffenen Regionen verstärkt gefördert werden."
Für jede der betroffenen Regionen hat die Kommission individuelle Vorschläge zusammengetragen. Die "Projektlisten" der Braunkohleländer (einschließlich des Saarlandes) umfassen allein 199 Seiten.
Wie endgültig sind diese Empfehlungen?
Wie das Wort schon sagt: Es handelt sich um Empfehlungen. Die Bundesregierung ist nicht an sie gebunden. Die Vorschläge der Kommission liegen den zuständigen Ministerien zur Prüfung vor. Ob und inwieweit sie umgesetzt werden, wird sich zeigen.
Allerdings finden sich auch im Abschlussbericht bereits Hinweise darauf, dass der darin vorgezeichnete Pfad nicht endgültig ist. So werden beispielweise Daten genannt, an denen überprüft werden soll, ob die Maßnahmen weiterhin umsetzbar erscheinen und ob sie wie vorgesehen greifen - etwa hinsichtlich der Klimaziele, des Strompreises, der Versorgungssicherheit oder der Beschäftigungssituation in den Regionen.