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Das Geld der IS- Terroristen

Andreas Becker18. November 2015

Die Finanzierung der Terrororganisation IS austrocknen, dieses Ziel haben die G20 bei ihrem Gipfel in Antalya bekräftigt. Das ist leichter gesagt als getan - zumal Anschläge erschreckend billig sind.

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IS Kolonne Fahrzeuge Toyota
Bild: picture-alliance/AP Photo

Bekannt ist, dass die Terrororganisation IS (alternativ auch ISIS, ISIL oder Daesh) über gewaltige finanzielle Mittel verfügt. Die deutsche Bundesregierung geht von einem "Kapitalstock von ein bis zwei Milliarden US-Dollar" aus.

Auch die laufenden Einnahmen der Terroristen sind beträchtlich und kommen aus einer Vielzahl an Quellen: vom Schmuggel mit Öl und Antiquitäten über die Plünderung von Banken, Enteignung von Menschen, Erpressung von Löse- und Schutzgeldern bis zu Steuereinnahmen und Spenden.

Meist fehlt es jedoch an gesicherten Erkenntnissen. "Hierzu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor" war im Frühjahr der mit Abstand häufigste Satz im 16-seitigen Antwortschreiben der deutschen Regierung auf einen Fragenkatalog der Partei Die Linke im Bundestag.

Geringe Abhängigkeit vom Ausland

Im Gegensatz zu Organisationen wie Al-Kaida ist der IS kein loses Terror-Netzwerk, sondern funktioniert wie ein Staat. Er kontrolliert Gebiete, die dortigen Ressourcen und die Bevölkerung. Deshalb ist seine Abhängigkeit "von ausländischen Finanzströmen grundsätzlich gering", glaubt die Bundesregierung.

"Der Islamische Staat kontrolliert ein weites Territorium und kann dadurch Kapital vor Ort generieren und Finanzströme schaffen, die Al-Kaida nicht zur Verfügung hatte", sagt Reinhard Schulze, Islamwissenschaftler an der Universität Bern, gegenüber dem ARD-Hörfunk. Das erschwert auch die internationalen Bemühungen, den Terroristen die Finanzierung zu kappen.

Immerhin sind die Einnahmen aus dem Ölschmuggel rückläufig - weil der Ölpreis so niedrig ist, aber auch, weil in der Türkei, im Irak und in den Kurdengebieten inzwischen besser kontrolliert wird, so die Einschätzung der Financial Action Task Force (FATF), eine internationale Arbeitsgruppe der OECD zum Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung. Allerding könnte mehr getan werden. "Wir benötigen bessere Informationen über Öl-Herkunft, Mittelsmänner, Käufer, Spediteure, Händler und Lieferwege", so der FATF-Bericht.

Auch Luftangriffe schmälern die Öleinnahmen. So zerstörten Kampfjets am Montag (16.11.2015) 116 Tanklastwagen in der syrischen Provinz Deir Essor, teilte das US-Verteidigungsministerium mit.

Schon im Frühjahr ging die Bundesregierung davon aus, dass der IS aus dem Ölgeschäft "höchstens 200.000 US-Dollar pro Tag" einnimmt. Das entspricht sechs Millionen Dollar pro Monat. Es gibt allerdings auch deutlich höhere Schätzungen, verlässliche Informationen sind rar.

USA, F-22 Jet
US-Kampfjets vom Typ F-22 Raptor fliegen Einsätze gegen IS-StellungenBild: picture-alliance/dpa/Us Air Forces Central Command/Sg

Hohe Einnahmen, hohe Kosten

Eine wichtige Einnahmequelle des IS sind zudem die Steuern und Abgaben aus den besetzten Gebieten. Deren Bewohner müssen "fünf bis 15 Prozent des jeweiligen Einkommens" abführen, so die Bundesregierung. Hinzu kommen Sondersteuern für nicht-muslimische Bewohner, außerdem Gebühren für Strom, Wasser, Immobiliennutzung, Telekommunikation, Verkehr und Gütertransporte.

Gerät der IS militärisch unter Druck, hat das direkte Auswirkungen auf seine Einnahmen. "Der Islamische Staat hat seit Juli beständig Territorium und Einnahmen verloren", schreibt der US-Informationsdienstleister IHS in seinem jüngsten Bericht. "Das reduziert auch seine Fähigkeit, seine Kämpfer zu bezahlen."

Die Schätzungen zur Größe der IS-Truppen variieren stark. Der US-Geheimdienst CIA ging Ende 2014 von 30.000 Kämpfern aus, der US-Sicherheitsexperte Daveed Gartenstein-Ross von der Georgetown University hält eine Truppenstärke von 100.000 für wahrscheinlicher. Ein solches Heer zu unterhalten ist teuer. Einfache Kämpfer erhalten nach Erkenntnissen der Bundesregierung einen Monatssold von 400 bis 500 Dollar, Kommandeure mehr als 3000 Dollar. Selbst bei konservativen Schätzungen kommt man schnell auf 15 Millionen Dollar pro Monat - allein für die Gehälter der Kämpfer.

Der Bundesregierung liegen zudem Hinweise vor, nach denen die Terrororganisation "durch private Finanziers in den Golfstaaten begünstigt wird. Spenden werden zum Teil unter dem Deckmantel von Hilfsorganisationen, aber auch offen gesammelt". Die Bedeutung dieser Spenden für den IS dürfte allerding gesunken sein.

Steuern und Abgaben

Die Financial Action Task Force (FATF) hat den G20-Staaten bei deren Gipfeltreffen am vergangenen Sonntag (15.11.2015) in Antalya einen neuen Bericht vorgelegt. Demnach kam es in Saudi-Arabien seit 2010 zu 863 Verurteilungen wegen Terrorfinanzierung. Auf Platz zwei folgen die USA mit rund 100 Verurteilungen. Doch insgesamt sind Verurteilungen selten. Nur in 33 von insgesamt 194 untersuchten Ländern wurden Menschen verurteilt, weil sie terroristische Aktivitäten finanziert hatten, so der Bericht.

37 Staaten haben selbstständig Sanktionen gegen Individuen und Organisationen verhängt und deren Konten eingefroren. Gemessen an der blockierten Summe rangiert Saudi-Arabien auch hier auf Platz eins, bis Mitte August wurden insgesamt umgerechnet 31 Millionen Euro eingefroren, in den USA waren es 20 Millionen, in Israel sechs Millionen Euro.

Fazit des Berichts: Trotz einiger Fortschritte läuft der Kampf gegen die Terrorfinanzierung zu langsam, in den meisten Länder werden gesetzlichen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft.

Hinzu kommt, dass Finanztransaktionen oft außerhalb des Bankensystems stattfinden. Der IS habe "ein sehr informelles Transaktionssystem aufgebaut", sagt Islamforscher Schulze, das vermutlich auf dem arabischen Hawala-System aufbaue. Das ist ein informelles Überweisungssystem, dessen Wurzeln bis ins Mittelalter zurückreichen und das vor allem auf Vertrauen basiert.

"Auch für Finanzexperten ist es schwer zu durchschauen", so Schulze. Zahlungen erfolgen in bar, weltweit - und anonym. "Es schafft die Möglichkeit, dass derjenige, der das Geld zahlt, nicht weiß, wer es erhält", sagt Schulze. "Und derjenige, der das Geld erhält, weiß nicht, von wem es kommt."

Low-budget Terror

Unabhängig von der finanziellen Situation des IS ist bleibt das Problem, dass Terroranschläge wie die in Paris ohne große Finanzmittel möglich sind. Das norwegische Institut für Verteidigungsforschung hat die 40 blutigsten Terroranschläge untersucht, die zwischen 1994 und 2013 in Europa verübt wurden. Drei von vier kosteten weniger als 10.000 Dollar.

Genau das macht auch die Kontrolle der Geldströme so schwierig, um die sich die Financial Action Task Force bemüht. "Kalashnikoffs oder Sprengstoff für Sprenggürtel kann man sich für relativ geringe Summen auf dem Schwarzmarkt beschaffen", sagt Hans-Martin Lang von der Abteilung für Geldwäsche-Prävention bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) gegenüber DW. "Das Hauptproblem ist, dass sich viele Zahlungen unterhalb des Radars bewegen und es sehr schwer ist für Kreditinstitute, solche Zahlungen zu erkennen."

Den Terroristen wird das Geld für weitere Anschläge also nicht so bald ausgehen. Die Fähigkeit dazu werde "trotz militärischer Verluste in Syrien und Irak nicht geringer", vermutet der Informationsdienstleister IHS. Wahrscheinlicher sei, dass der IS seine Strategie ausweitet, weil er hofft, durch solche Aktion zusätzlich Kämpfer anwerben zu können.