Portrait Aspire Academy
11. Januar 2012Die Talentförderung im Fußball ist in Deutschland immer professioneller geworden. Heute werden die jungen Nachwuchs-Kicker schon früh in Leistungszentren untergebracht und dual gefördert – also fußballerisch und schulisch. In anderen Sportarten sieht es in Deutschland dagegen nicht so rosig aus, zum Beispiel im Handball. "Wir hinken so ein bisschen hinter dem Fußball hinterher, weil bei uns auch die Professionalisierung etwas später eingesetzt hat" sagt der ehemalige Bundestrainer Heiner Brand. "Eigentlich haben wir es relativ einfach, wir schauen auf den großen Bruder Fußball und machen viele Dinge nach. Aber ganz so einfach ist es sicherlich auch nicht." Man müsse Verantwortung übernehmen, nicht nur als Verein, sondern auch als Verband.
WM-Ausrichter Katar startete Super-Projekt
Verantwortung gegenüber seinen Sportlern übernimmt das Wüstenemirat Katar auf ganz besondere Weise – genauer gesagt der älteste Sohn des Emirs. Er selbst ist fußball- und sportverrückt genug, um viel Geld zu investieren mit dem Ziel, im Sport international mithalten zu können. Und so werden in einem gigantischen Sportprojekt – dem größten weltweit – in dem kleinen Land am Golf junge Leistungssportler herangezogen. Besonders gefördert werden die Mannschaftssportarten Handball und Fußball, erklärt Andreas Bleicher, der internationale Sportdirektor der Aspire Academy.
"Neben dem Leistungssport versuchen wir auch eine neue Sportkultur im Land Katar aufzubauen." Die Kataris sollen mit Sport in Berührung kommen, auch Frauen und Kinder gefördert und an den Leistungsport herangeführt werden. Denn Leistungssport hat es bis dahin noch nicht gegeben in dem kleinen Land. Und mit dem Leistungssport kamen die Probleme: Wettkämpfe während des Fastenmonats Ramadan, die Trennung der Eltern von ihren Kindern und die Diskussion um die schulische Ausbildung. Weil das Schulsystem nicht flexibel genug ist, hat Aspire einfach eine eigene Schule auf dem Campus gebaut.
Das Camp der Superlative
Katar lässt sich die Elite-Sportakademie einiges kosten: Weit über eine Milliarde Dollar hat sie schon verschlungen. Dafür arbeiten die Besten der Besten dort: Das internationale Team besteht aus über 1000 hauptamtlichen Mitarbeitern aus über 55 verschiedenen Ländern - Ärzte, Sportwissenschaftler, Trainer, ehemalige Spitzensportler. Auf dem riesigen Campus finden sich die eigene Schule, ein großes Krankenhaus, ein Fußballstadion mit 50.000 Plätzen, weitere 14 Fußballplätze, die größte überdachte und selbstverständlich klimatisierte Sporthalle der Welt, Schwimmhallen, weitere Sportstätten und zwei Hotels. 9000 Sportler, 250 davon in Vollzeit an der Schule, werden dort bestmöglich ausgebildet. "Katar hat 1,8 Millionen Einwohner und wir machen ein nationales Talent-Screening", berichtet Bleicher. Jedes Talent des Landes soll entdeckt und gefördert werden.
Weltweites Scouting mit 600.000 Nachwuchsfußballern
Dazu veranstaltet die Aspire Academy jedes Jahr ein Fußballscouting in 14 Ländern und sichtet bis zu 600.000 Kinder an über 950 Standorten in den Entwicklungsländern Afrikas, Lateinamerikas und aus Fernost. Die besten 20 bekommen ein Stipendium und dürfen auf eine internationale Karriere als Profifußballer hoffen. Dabei sollen sie nicht etwa eingebürgert werden, sondern vor allem das Trainingsniveau bei den katarischen Nachwuchsspielern erhöhen und ihnen so bei deren Entwicklung helfen. Zusätzlich werden regelmäßig internationale Top-Nachwuchsmannschaften zu Testspielen eingeladen. Über die Jahre habe sich das schon alles sehr bemerkbar gemacht, sagt Stephan Nopp, Analytiker der Arbeitsstelle für Scouting-Studien der Deutschen Sporthochschule: "Als wir dort waren, war es sehr beeindruckend. Die Größe des Geländes, aber vor allem auch die inhaltliche Umsetzung." Die Kinder genießen eine höchst professionelle Ausbildung und Betreuung. "Das war schon phänomenal."
Ein Ziel: Die WM 2022
Auf die leichte Schulter nehmen die angereisten Jugendteams aus Barcelona, Leverkusen oder Liverpool die Kataris mittlerweile nicht mehr. Nicht selten kassieren sie dort deutliche Niederlagen. Und so scheint das Szenario, das Aspire-Direktor Bleicher skizziert, durchaus möglich zu sein: Katar ist Ausrichter der WM 2022 – und wird bis dahin vermutlich eine schlagkräftige Truppe herangezogen haben. Die WM war zu dem Zeitpunkt der Gründung kein Thema. Nun seien acht Jahre vergangen und das Nachwuchs-Leistungssportkonzept habe sich prächtig entwickelt – vor allem im Fußball. "Und deswegen sind wir auch sehr positiv gestimmt, dass wir im Jahr 2022 eine hervorragende katarische Fußball-Nationalmannschaft mit eigenen Fußballspielern haben werden."
Autorin: Olivia Fritz
Redaktion: Wolfgang van Kann