Das ist die neue italienische Regierung
5. September 2019Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte und seine Minister haben vor Staatschef Sergio Mattarella in Rom ihren Amtseid gesprochen. Die Koalition der beiden ungleichen Parteien war nach mühsamen Verhandlungen entstanden, nachdem das Bündnis von Sternen mit der rechten Lega im August geplatzt war.
Als erste Amtshandlung hat die Regierung den ehemaligen Ministerpräsidenten und PD-Politiker Paolo Gentiloni als EU-Kommissar in Brüssel vorgeschlagen. Damit soll ein ausgesprochener Pro-Europäer als Bewerber nach Brüssel geschickt werden. Das neue Kabinett braucht nun noch das Vertrauen der beiden Parlamentskammern, in denen Sterne und PD eine Mehrheit haben.
Damit kehrt die PD, die Italien von 2013 bis 2018 regiert hatte, nach 15 Monaten Opposition in die Regierung zurück. Im neuen Kabinett erhalten die Sterne 10 von 21 Ministerien, 9 gehen an die PD, eines an die PD-Abspaltung LEU. Sieben Ministerposten werden von Frauen geführt.
Neben Ministerpräsident Conte gibt es nun noch ein parteiloses Regierungsmitglied: Die neue Innenministerin Luciana Lamorgese rückt an die Spitze eines Schlüsselressorts. Die Anwältin war von Februar 2017 bis Oktober 2018 Präfektin von Mailand und damit für Sicherheit und Ordnung in der zweitgrößten Stadt Italiens zuständig. Die 66-Jährige tritt im Innenministerium die Nachfolge von Innenminister Matteo Salvini an, der einen extrem harten Kurs in der Einwanderungspolitik und gegen Hilfsorganisationen verfolgte.
Neuer Außenminister wird überraschend der Chef der Fünf-Sterne-Bewegung Luigi di Maio. Mit 33 Jahren ist er der jüngste italienische Politiker auf diesem Posten. Di Maio wurde in der bisherigen Regierung der Fünf-Sterne-Bewegung mit der rechtsextremen Lega von Innenminister Salvini in den Hintergrund gedrängt. Im vorherigen Kabinett war er Arbeitsminister und zudem einer von zwei Vize-Ministerpräsidenten. Dieses Amt wurde abgeschafft.
Wirtschafts- und Finanzminister wird der Europa-Abgeordnete Roberto Gualtieri. Der Sozialdemokrat ist Historiker und Professor für zeitgenössische Geschichte. Er leitet seit 2014 den Wirtschafts- und Währungsausschuss im EU-Parlament und kennt sich daher bestens in den Brüsseler Kreisen aus. Das könnte sich auszahlen, da ihm als Wirtschafts- und Finanzminister die wichtige Aufgabe zukommt, mit der EU über den neuen italienischen Staatshaushalt zu verhandeln. Der 53-Jährige setzt sich für eine flexible Auslegung der Regeln des europäischen Stabilitätspakts ein.
"Neues Kapitel in der Europolitik"
Der Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im EU-Parlament, Sven Giegold, begrüßte die Berufung seines Parlamentskollegen zum Finanzminister. "Gualtieri kann eine Zeitenwende in Italiens Finanzpolitik einleiten. Die Eurozone bekommt jetzt in Italien wieder einen verlässlicheren Partner. Mit Gualtieri können Deutschland und Italien ein neues Kapitel in der Europolitik aufschlagen", sagte Giegold.
Der neue Verteidigungsminister Lorenzo Guerini ist ein enger Vertrauter des früheren Regierungs- und PD-Chefs Matteo Renzi. Der 52-jährige Guerini genießt den Ruf, auf Ausgleich bedacht zu sein. Er begann seine politische Karriere bei den Christdemokraten und ist inzwischen PD-Parteivize. Zuletzt war er Vorsitzender des Parlamentsausschusses für die Kontrolle der Geheimdienste.
Ministerpräsident Conte war seit Juni 2018 Regierungschef an der Spitze einer Koalition von Sternen und Lega, die im vergangenen Monat zerbrach. Am 20. August trat Conte zurück, er blieb aber geschäftsführend im Amt. Die Sterne bestanden in den Gesprächen mit der PD darauf, dass Conte wieder Premier wird. Die neue Regierung ist die 66. in Italien seit Ausrufung der Republik 1946.
In der EU hofft man, dass Italien mit dem neuen Bündnis wieder näher an Brüssel heranrückt. Salvini war auf extremen Konfrontationskurs zur EU-Kommission und vielen europäischen Partnern gegangen. Di Maio zeigte sich zuletzt gemäßigter. Die PD ist proeuropäisch.
Nach monatelangen Querelen war die vorherige Regierung letztlich am Streit über eine Hochgeschwindigkeitstrasse zerbrochen. Salvini drang auf Neuwahlen, da die Lega derzeit in Umfragen stärkste Kraft ist. Die Parlamentswahl 2018 hatten die Sterne mit großem Abstand gewonnen.
stu/rb (afp, dpa)