Das selbstreferenzielle Milieu verlassen
15. August 2018Populismus, der: von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen (im Hinblick auf Wahlen) zu gewinnen. So definiert der Duden diese Form der Politik, die für Medien und Journalismus eine enorme Herausforderung darstellt.
Fidesz, AfD, Rassemblement National (vormals Front National) und MoVimento Cinque Stelle – derzeit hat der Populismus in Europa Hochkonjunktur. Und im Weißen Haus wohnt ein Präsident, der beinahe täglich gegen die Medien, die er kollektiv „Fake News Media“ nennt, twittert und sie systematisch als Feindbild stilisiert. Der Populismus ist keineswegs ein Phänomen unserer Zeit, doch er bekommt vor allem in Sozialen Netzen Auftrieb – er ist populär, fast schon salonfähig geworden.
Populisten geben sich gern volksnah. Sie beziehen sich auf tatsächliche oder vorgebliche Emotionen und Ängste in der Bevölkerung. Donald Trump ist ein Meister darin, eine Krise erst heraufzubeschwören, um sich dann als vermeintlicher Retter zu gerieren. Wie andere Populisten bietet er viele vermeintlich einfache Lösungen für komplexe Probleme an, die sich in der Regel allerdings mit simplen Antworten nicht lösen lassen.
In seinem Anti-Charakter richtet sich der Populismus immer wieder gegen Medien – Studien belegen, dass der Großteil der Populisten den traditionellen Medien misstraut. In diesen sehen sie ihre Meinungen unterrepräsentiert oder bewusst missverstanden und verdreht. Von „Fake News“, Lügenpresse, Regierungspropaganda und Mainstream-Medien ist die Rede. Diese Begriffe bringen Medienhäuser und Journalisten in eine bestenfalls unangenehme Defensivposition, in der man sich ständig zu Richtigstellung oder Rechtfertigung gedrängt sieht. Zudem sind es nicht nur Denunzierungen, die die Medien und einzelne Journalisten herausfordern. Auch die Emotionalisierung der Politik stellt die unabhängige Berichterstattung auf die Probe, denn „das Ressentiment ist wieder wichtigste politische Ressource geworden, die man mit rabiaten Feindschaftserklärungen, Diskriminierungsgesten und mit dem Recycling völkischer Reinheitsgebote ausbeutet. Ausgestellte Niedertracht wird nun – zwischen Rom und München – mit der realistischen Hoffnung auf Wählergunst verbunden“, so ein Wissenschaftler der Humboldt-Universität Berlin. Gleichzeitig gehört Hate Speech in Sozialen Medien zum Alltag.
„Mit Glaubwürdigkeit zu differenzierter Meinungsbildung beitragen.“
Was bedeutet das für unsere Rolle als Medienschaffende? Medienschelte, Emotionalisierung der Politik und Hate Speech hier, dort der Vorwurf, Medien seien durch einseitige Berichterstattung mitverantwortlich für den Erfolg der Populisten: Die Herausforderungen und Probleme für Medien sind vielschichtig. Daraus ergeben sich die Aufgaben, die als Grundsätze im DW-Journalistenhandbuch festgelegt sind: „Wir haben den Anspruch, ausgewogen und wahrheitsgetreu zu informieren.“ Wir berichten „unabhängig und fair, zuverlässig und fundiert“. Wir sind uns der Verantwortung bewusst, die wir tragen, um unabhängige Meinungsbildung zu ermöglichen, und laden zum Dialog ein. Die Deutsche Welle tritt weltweit für Meinungs- und Pressefreiheit ein und fördert Medienpluralismus. Denn, so ein Kollege der Süddeutschen Zeitung, „bei Teilen der Medien herrscht, wie in der Politik, große Konformität des Denkens“. Medienmacher lebten, so die These, in einem „selbstreferenziellen Milieu“. Für unsere Zielgruppen, die je nach Sendegebiet und Themen sehr heterogen sind, steht die Glaubwürdigkeit im Vordergrund. Sind die Berichte wahrheitsgetreu? Kann ich der DW als Informationsquelle vertrauen? Nur wenn die Antwort auf diese Fragen „ja“ lautet, können wir zu differenzierter Meinungsbildung beitragen.
Wir sind Journalisten. Dahinter stehen Menschen, die Meinungen haben. Menschen, die bewegt werden, die wütend oder gerührt sind, die mitfiebern, sich ärgern, sich begeistern. Die resignieren, lachen oder weinen möchten angesichts dessen, worüber sie berichten. Die Herausforderungen und Probleme, denen wir uns täglich gegenübersehen, sind daher auch ein persönlicher Appell an uns: Ein Appell, offen zu bleiben und auch Meinungen abzubilden, die unserer persönlichen politischen Analyse widersprechen. Nur so können wir unseren Auftrag erfüllen und haben die Chance, ein breites Publikum zu erreichen, nur so verlassen wir eben jenes „selbstreferenzielle Milieu“, von dem die SZ schreibt.
„Sachverhalte und Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven beleuchten.“
Als Journalisten sind wir unabhängiger und fairer Berichterstattung verpflichtet. Wir informieren, erläutern, ordnen ein – und das zuverlässig und journalistisch kompetent. In der DW sind wir stolz auf unsere Diversität. Dazu gehört, Sachverhalte und Ereignisse stets aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten.
Populismus ist für uns als Menschen und als Journalisten zweifelsohne eine Herausforderung und wird es bleiben. Aber er ist auch eine Chance, uns zu beweisen, und bestätigt uns in unserem Auftrag, zum Abbau von Vorurteilen und Feindbildern beizutragen und damit Polarisierung zu überwinden.