Das spanische Experiment: Messen mit Publikum
17. März 2021Eduardo López-Puertas hat ein hartes Jahr hinters sich. Am 10. März 2020 musste die Madrider Messe Ifema die Tore schließen: "Nach einem Rekordjahr 2019 war auf einmal eine eigenartige und traurige Stille in unseren Hallen. Und dann kam zehn Tage später die Entscheidung der Madrider Regierung, dass wir dort ein Krankenhaus aufbauen", erzählt der Ifema-Geschäftsführer, der derzeit von seinen europäischen Kollegen aus Frankreich, Deutschland und Italien mit Fragen überhäuft wird, im Gespräch mit der DW.
Denn als Erster in Europa startet die Ifema wieder mit Präsenzmessen. Am 22. März kehren mit der Hospitality Innovation Planet wieder Stände, Konferenzen und Besucher in die Hallen zurück. Die Messe in Barcelona wird diesen Schritt erst Ende Juni mit dem Mobile World Congress wagen. Einer muss den Anfang in Europa machen, glaubt der spanische Ökonom Juan Carlos Martínez: "Madrid ist einer der bedeutendsten Messe- und Kongress-Plätze der Welt. Wir müssen beweisen, dass wir es können."
Von der Stadt mit den meisten COVID-19-Toten zum Trendsetter?
Die spanische Hauptstadt erlebte wie keine andere in Europa die Härte der Pandemie. Rund 14.000 Menschen starben bis jetzt nach offiziellen Angaben in Madrid an dem Coronavirus. Nirgendwo sonst war das Leid dieser Pandemie so konzentriert. Hier gibt es deswegen nur wenige Pandemie-Leugner oder Verschwörungstheoretiker.
Seit Monaten ist hier aber alles wieder weitgehend offen, es gibt eine Sperrstunde um 23 Uhr. Jeder trägt jedoch - abgesehen von den eigenen vier Wänden - überall eine Maske. Die Spanier passen sich wirtschaftlich wie kaum ein anderes Land an die Krise an. "Wir sind ein Volk, das in solchen schwierigen Situationen besonders stark wird", sagt der spanische Star-Komiker und Intellektuelle José Miguel Monzón (besser bekannt als El Gran Wyoming).
Er selbst geht in diesen Tagen aber noch sehr wenig unter die Leute. Der gelernte Arzt hat Angst, denn Madrid hat immer noch hohe Inzidenzahlen, die höchsten im Land. Auch López-Puertas wird mulmig, wenn jetzt wieder die Ifema-Hallen öffnen: "Es ist es nicht einfach, das Grauen von vor einem Jahr zu vergessen, aber Ifema war schon damals das einzige Krankenhaus in Spanien, wo sich wegen des besonderen Belüftungssystems niemand vom Personal angesteckt hat."
Vom Top-Messestandort zum Not-Krankenhaus
Erst im Mai 2020 wurde das Not-Krankenhaus auf dem Gelände im Norden Madrids abgebaut. In diesen Tagen werden hier mehrere hunderte spanische Experten aus der Gastronomie- und Hotel-Branche auf der Hospitality zusammenkommen, um über neue Geschäftskonzepte in Pandemie-Zeiten nachzudenken. "Diese Branche hat besonders gelitten, deswegen halten wir diesen Event als Start für wichtig", erklärt López-Puertas seine Entscheidung. Die nächste große internationale Messe in Madrid wird die Fitur im Mai sein, ein weltweit anerkanntes Treffen der Tourismus-Szene. Auf dieser müssen dann auch Tests für Besucher - und wenn schon verfügbar - der Impfpass vorgelegt werden. Wer versucht spontan zu kommen, kann sich in einer eigens dafür reservierten Halle testen lassen.
Bei der jetzigen Messe werden dagegen die klassischen Protokolle eingehalten, die auch schon der Madrider Kulturbetrieb seit einigen Monaten erfolgreich einsetzt: alles digital abwickeln, Besucher müssen sich vorher online registrieren, Fieber wird am Eingang gemessen, der Sicherheitsabstand wird eingehalten. Es gilt Maskenpflicht, die die Belüftung der Hallen funktioniert. Alle Aussteller und Servicemitarbeiter müssen zudem negative Testergebnisse vorlegen, bevor sie anfangen zu arbeiten.
Barcelona schaut erstmal auf Madrids Erfahrungen
In Barcelona gibt man sich derzeit noch bedeckt. In Vor-Corona-Zeiten hatte der Mobile World Congress über 100.000 Besucher, im vergangenen Jahr fand er wegen Corona nicht statt - nun soll es Ende Juni einen Neustart geben. Bis zu 50.000 Teilnehmer sind angepeilt, dazu ein ausgefeiltes Hygienekonzept. Allerdings haben bereits einige große Firmen abgesagt, darunter Ericsson, Nokia, Sony und Facebook. Die Messe in Barcelona stellt in diesem Fall nur das Gelände zur Verfügung, Veranstalter ist die internationale Mobilfunk-Vereinigung GSMA.
Auch Eduardo López-Puertas kann seine Nervosität nicht verstecken: "Bereits im vergangenen August habe ich den Infema-Mitarbeitern einen aufmunternden Brief geschickt, weil ich dachte, im September fangen wir wieder an und im Januar habe ich erneut Hoffnung geweckt, dass sie aus der Kurzarbeit befreit werden. Immer wieder kamen steigende Infektionszahlen dazwischen", erzählt der Manager, der seit fünf Jahren die Geschicke von Ifema lenkt.
In diesem einen Jahr sei alles zusammengebrochen, aber es seien auch viele neue Dinge sind entstanden: "Die Pandemie hat uns die Möglichkeit aufgezeigt, wie hybride Messen mit Ständen kombiniert mit Videokonferenz organisiert werden können", sagt Baptiste Boulard, Mitbegründer von Swapcard, einer der Firmen, die helfen wollen, die Messe-Branche schnell wieder auf die Beine zu bringen.
Jetzt hilft nur noch beten
"Die spanische Eventbranche hat sehr unter den Besucher-Einbußen gelitten und bereitet sich auf einen massiven Stellenabbau vor", sagt Boulard. Das will López-Puertas für Ifema durch sein innovatives Gesundheitsprotokoll verhindern und er will auch zeigen, dass Spanien aus Fehlern gelernt hat. Am 8. März 2020 ließ die Regierung noch Demos für Frauen im ganzen Land zu, womit die Verbreitung des Virus beschleunigt wurde.
Vorher im Februar 2020 hatte noch die internationale Kunstmesse ARCOmadrid stattgefunden, während anderswo wie in der Schweiz und Deutschland Events bereits gecancelt worden waren. Die sehr beliebte Messe soll jetzt im Juli das erste Ifema-Halbjahr 2021 abschließen. "Wir haben hart gearbeitet, damit wir zurückkommen können. Das Gesundheitsprotokoll ist durchdacht und sicher. Jetzt müssen wir beten, dass alles gut geht", sagt López-Puertas.