Das Feld dem Volk
26. Mai 2014Tausende von Berlinern waren am Sonntag (25.05.2014) gekommen, um den freien Tag zu genießen. Sommerfrische mitten in der Stadt: Grillen, chillen, Freunde treffen, lachen, skaten, gärtnern, Rad fahren, Fußball spielen oder einfach nur im Gras liegen und in den blauen Himmel blinzeln. Alles war wie immer. Und wie immer war es schön.
Große Gelassenheit
Demonstriert hat hier niemand. Und keiner ist rumgelaufen, um zu fragen, ob denn jeder auch daran gedacht hat, über die Zukunft dieses Geländes beim Volksentscheid persönlich abzustimmen. Nein, an diesem Sonntag war es unaufgeregt auf dem Tempelhofer Feld. Gelassen und gerade so, als wüssten alle schon, dass es nicht heißen würde, langsam Abschied zu nehmen. Denn das Tempelhofer Feld soll frei und unbebaut bleiben, zumindest noch ein paar Legislaturperioden lang. Das nämlich hatte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) als politische Verantwortlicher versprochen, sofern das Volksbegehren "100 % Tempelhofer Feld" an diesem Sonntag erfolgreich sein sollte.
Mit einer Niederlage hatte der gewohnt selbstbewusste Wowereit nicht gerechnet. Aber schon am späten Sonntagabend musste er sie dann doch eingeräumen.Tatsächlich hatten sich 64,3 Prozent aller an der Abstimmung Beteiligten für den Entwurf der Bürgerinitiative "100% Tempelhofer Feld" ausgesprochen, über den gemeinsam mit der Europa-Wahl abgestimmt wurde. Der vom Berliner Senat unterstützte Gegenentwurf der Regierungskoalition von SPD und CDU kam lediglich auf eine Zustimmung von 18, 8 Prozent. Er hatte vorgesehen, dass das rund 380 Hektar große Areal des ehemaligen Flughafens Tempelhof zumindest an den Rändern mit rund 4700 Wohnungen sowie Gewerbegebäuden und einer neuen Zentral- und Landesbibliothek bebaut werden sollte. Nach Planungen des Senats waren zumindest für einen Teil der Wohnungen Quadratmeter-Preise zwischen 6 und 8 Euro netto vorgesehen, für Berlin mittlerweile recht niedrige Preise. So sollte gewährleistet werden, dass auch weniger Vermögende im attraktiven Innenstadtbereich leben können.
Konzept nicht überzeugend
Für die Bürgerinitiative "100% Tempelhofer Feld" und weite Teile der Berliner Bevölkerung waren diese Pläne nicht überzeugend. Sie wollen das Schicksal des sozialen Wohnungsbaus in der deutschen Hauptstadt nicht vom Ort Tempelhofer Feld abhängig machen. Das weitläufige Areal befindet sich in Landesbesitz und hätte somit generalstabsmäßig von landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften bebaut werden können. Bürgerinitiative und grüne Opposition fordern stattdessen ganz neue Richtungsentscheidungen für die Stadtentwicklung Berlins.
Tatsächlich steht die deutsche Hauptstadt vor großen Herausforderungen. Sie erfreut sich ungebrochener Beliebtheit, konnte allein im letzten Jahr den Zuzug von 50.000 Neubürgern vermelden. Gleichzeitig hat die Stadt mit Wohnraummangel, steigenden Mieten und massiver Verdrängung zu kämpfen.
Urbane Zukunft gestalten
Nach dem Erfolg der Bürgerinitiative "100% Tempelhofer Feld" werden jetzt Antworten auf die ganz großen Fragen gesucht werden müssen: Wie kann die generelle Krise auf dem angespannten Berliner Wohnungsmarkt gelöst werden? Wie stellen wir uns die Stadt in 20, 30 Jahren vor? Und schließlich wird man auch darüber sprechen müssen, wie Bürger künftig bei Großprojekten wirkungsvoll eingebunden werden können. Mit dem Vertrauen, dass die Politik es schon richten wird, ist es spätestens nach dem Debakel um den Großflughafen Berlin-Brandenburg nicht weit her. Umdenken ist also angesagt. Nur auf dem Tempelhofer Feld, da bleibt erstmal alles beim Alten: Grillen, chillen, Freunde treffen, lachen, skaten, gärtnern, Rad fahren, Fußball spielen oder einfach nur im Gras liegen und in den blauen Himmel blinzeln.