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25. Juli 2007Nepal hat turbulente Zeiten hinter sich. Lange Jahre herrschte ein erbitterter Bürgerkrieg in dem kleinen Land im Himalaja. Der Krieg, Rohstoffmangel und fehlende Bildung haben das Land wirtschaftlich in eine Krise gestürzt und die Kluft zwischen arm und reich vergrößert.
Fabrikarbeit statt Hausaufgaben
Weil viele Schulen in den umkämpften Gebieten schließen mussten, ist die Analphabetenrate vor allem in den ländlichen Gegenden gestiegen. Die Qualität der Ausbildung an den über 40.000 Schulen im Land ist je nach Region sehr unterschiedlich, die meisten Lehrer an den Grundschulen sind ungenügend ausgebildet.
Für Menschen, denen es an allem mangelt, ist der Schulbesuch zudem der pure Luxus. Die staatlichen Schulen erheben zwar keine Schulgebühren. Doch die Familien müssen für die Schuluniformen und Bücher ihrer Kinder selbst aufkommen. Kinder aus ärmeren Familien arbeiten neben der Schule häufig in Fabriken oder als Haushaltshilfen, oft für einen Hungerlohn und in ständiger Angst vor Schlägen. Die Doppelbelastung hemmt ihren schulischen Erfolg.
Kaste im Kopf
Nicht nur die Armut, auch die Herkunft entscheidet über die Zukunft tausender Kinder in Nepal. Lange erhielten nur Angehörige höherer Kasten Zugang zur Bildung. Zwar wurde 1963 das Kastensystem offiziell verboten, doch noch immer nehmen die Menschen selbst eine Hierarchieeinteilung vor. Und das ist ziemlich einfach, da oft der Familienname die Kaste anzeigt.
Charan Prasad Deula beispielweise hat schlimme Erinnerungen an seine Schulzeit. Er gehört zu den Dalits. So bezeichnen sich die Nachfahren der indischen Ureinwohner. Sie stehen im Kastensystem ganz unten und das hat Charan Prasad Deula auch zu spüren bekommen, bis er eines Tages gar nicht mehr zur Schule gehen wollte. Aber nicht nur Angehörige der niederen Kasten, auch Behinderte und Kranke, Kinder aus ärmeren Familien und nicht zuletzt Mädchen wird wegen kultureller Traditionen oft der Zugang zu Bildung versperrt.
Bildung für alle
Die Regierung hat verschiedenen Programme, mit der sie die Situaton verbessern will. Sie tragen eindrucksvolle Namen, wie „Bildung für alle“ oder „Plan zu Verbesserung der Schulen“. Diese sollen an die individuellen Bedürfnisse der Kinder angepasst werden. Laba Prasad Tripathi, Sprecher des nepalesischen Bildungsministeriums, unterstreicht, dass vor allem gesellschaftlich benachteiligte Gruppen davon profitieren. Unter anderem wurden eine ganze Reihe von Stipendien eingeführt.
Seit einiger Zeit gibt es zudem ein Programm, das Eltern einen Anreiz geben soll, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Es heißt „Nahrungsmittel für Bildung“ und beinhaltet, dass jede Familie, die ihre Kinder zum Unterricht bringt, im Gegenzug zwei Liter Öl erhält. Das gilt auch für ärmere Familien oder Kinder von Randgruppen, von denen die meisten bisher großes Interesse gezeigt haben.
Ein Tropfen auf den heißen Stein
Der Erziehungswissenschaftler Professor Tirtha Khania hält die Strategien der Behörden allerdings für wenig effizient. „Die Regierung und ihre Geldgeber denken, dass sie ihr ganzes Geld nur an die Schulen auf dem Land schicken müssen. Aber Geld allein erhöht nicht die Qualität der Ausbildung.“ In vielen Fällen erreichen die Gelder die Schulen zudem erst viel zu spät. Reichere Familien, die es sich leisten können, schicken ihre Kinder daher auf Privatschulen und zum Studium ins Ausland.
Die Deutsche Marianne Grosspietsch hat im Kleinen geschafft, wovon die Behörden in Nepal im Großen träumen. Ihre Schützlinge werden von ihr individuell betreut und ausgebildet – jeder nach seinen Bedürfnissen. Das Shanti Sewa Griha, das Haus zum Dienst am Frieden, ist ein sicherer Hafen für körperlich und geistig Behinderte und Kranke, die von ihren Familien und der Gesellschaft verstoßen wurden. "Bildung ist für mich ein Mittel, Menschen die Freiheit zu geben, sich selbst zu verwirklichen“, betont Marianne Grosspietsch. Sie unterrichtet ihre Schüler daher im traditionellen nepalesischen Kunsthandwerk. Doch Institutionen wie das Shanti Sewa Griha sind leider nur der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Private Organisationen können nur begrenzt helfen, es fehlt an flächendeckenden staatlichen Initiativen.
Autoren: Priya Esselborn und Prabha Adhikari
Redaktion: Peter Koppen