Datenschützer: Klarnamen-Pflicht bei Facebook eine Fiktion
29. Juli 2015Der Fall sorgte für Diskussionen: Facebook sperrte das Profil einer Frau, weil sie ein Pseudonym statt ihres richtigen Namens nutzte. Facebook änderte den Benutzernamen in den realen Namen. Zusätzlich sollte die Frau eine Kopie eines amtlichen Ausweises vorlegen, um ihre Identität zu bestätigen. Dies hat der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar zum Anlass für eine Verwaltungsanordnung mit sofortiger Wirkung genommen. Seine Forderung: Facebook muss Pseudonyme zulassen.
Deutsche Welle: Hat ein Betreiber eines sozialen Netzwerks nicht das Recht, seine eigenen Regeln aufzustellen? Jeder, der sich ein Profil erstellt, weiß, worauf er sich einlässt.
Johannes Caspar: Es gibt eine Regelung im Telemediengesetz (TMG, §13, Absatz 6), die einzuhalten ist. Sie besagt, dass Telemedien grundsätzlich auch unter Pseudonym nutzbar sind. Der Betroffene hat damit ein Recht, sich gegenüber Dritten unter einem Pseudonym zu präsentieren. Im Übrigen sind Betreiber sozialer Netzwerke auch an die Vorschriften des Pass- und Personalausweisgesetzes gebunden.
Das Telemediengesetz ist aber ein deutsches Gesetz. Vor zwei Jahren urteilte ein deutsches Gericht, dass irische Datenschützer für das Thema Facebook zuständig sind, weil in Irland der Europasitz von Facebook ist. Was soll und kann vor diesem Hintergrund Ihre Forderung bewirken?
Dieses Urteil ist mittlerweile überholt worden von einer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in Sachen Google-Suchmaschine. Der EuGH sagt hier deutlich, dass eine Niederlassung in einem Mitgliedsstaat nicht notwendig Daten von Nutzern selbst verarbeiten muss. Es reichen als Niederlassungen auch Tochterunternehmen, die dem wirtschaftlichen Zweck des vom Mutterunternehmen angebotenen Internetdienstes dienen und etwa die Akquise von Werbekunden durchführen, wie das etwa bei Google Spain der Fall war. Der Begriff der Niederlassung ist dann soweit auszulegen, dass hierunter auch die Niederlassung in Hamburg fällt, mit der Facebook im Anzeigenbereich und Werbebereich tätig ist.
Nicht erst seit Pegida sind rassistische und hasserfüllte Äußerungen in sozialen Medien weit verbreitet. Könnte es sein, dass die Hemmschwelle, solche Kommentare zu posten, weiter sinkt, wenn es keine Pflicht mehr gibt, unter dem echten Namen zu schreiben?
Ob die Klarnamen-Pflicht tatsächlich zur Verbesserung der Umgangsformen beiträgt, ist letztlich nicht geklärt. Selbst wenn das unterstellt wird, ist das, was Facebook mit der Klarnamen-Pflicht verbindet, letztlich eine bloße Fiktion. Facebook kann es gar nicht schaffen, alle Menschen herauszufiltern, die unter einem Pseudonym auftreten, zumal es gerade die betrifft, die sich unter einem Allerweltsnamen verbergen, der nicht der eigene ist. Hier zu sagen, wir brauchen eine Klarnamen-Pflicht, dass sich alle zu ihrer Personenidentität bekennen, läuft zutiefst in die falsche Richtung. Es suggeriert, dass eine Überwachung der Nutzer möglich ist. Für Kinder und Jugendliche ist das sogar gefährlich, da es eine Sicherheit vorgaukelt, die gar nicht besteht. Wir befinden uns nicht in einer Diktatur, wo sich jeder anmelden muss und kontrollierbar das Internet nutzt. Glücklicherweise lässt sich das nicht durchsetzen. Insofern ist dieser Ansatz verfehlt.
Pseudonyme können Verfolgte schützen
Die Freiheit der Meinungsäußerung ist auch im Netz abhängig davon, dass man nicht bei jeder einzelnen Äußerung seinen Namen nennen muss. Stellen Sie sich vor, Sie gehen durch die Stadt, kaufen Brötchen und eine Zeitung oder unterhalten sich im Bus und Sie müssten dabei stets Ihren Namen nennen. Es ist ein Recht des Einzelnen, bei der Nutzung eines Telemediendienstes ein Pseudonym zu verwenden. So hat es der Gesetzgeber gesehen und daraus ist der genannte Paragraph 13 Absatz 6 TMG entstanden.
Letztlich geht es auch um die Freiheit der Meinungsäußerung: Auch politisch oder rassistisch Verfolgte müssen die Möglichkeit haben, ihre Meinung kundzutun. Ein Pseudonym kann dazu beitragen, dies zu tun, ohne dass sie für sich oder ihre Angehörigen Repressionen befürchten müssten.
Aber noch einmal zurück auf die Frage: Führen nicht Klarnamen auch dazu, dass es eine gesittetere Diskussionskultur gibt?
Ich denke, die sogenannten Trolle finden Sie überall. Letztlich lässt sich auch nicht verhindern, dass sich jemand unter einem Allerweltsnamen anmeldet und andere bei Konversationen beleidigt. Wenn man auf die Klarnamen-Pflicht abzielt, um eine verbale Hygiene zwischen den Nutzern herzustellen, dann ist das ein falsches Verständnis dessen, was das Internet schaffen kann. Sicherlich steht hinter der Klarnamen-Politik von Facebook der Gedanke, dass Personen, die unter einem realen Namen agieren, für Werbezwecke besser erreichbar und wertvoller sind, als Nutzer, die sich hinter einem Fantasienamen verbergen.
Haben Sie von Facebook schon etwas gehört?
Nein, ich habe nur gehört, dass Facebook überrascht sei von unseren Bescheid. Das überrascht wiederum mich, denn wir haben in den letzten Monaten immer wieder die Fragen mit Facebook angesprochen. Es gab eine Reihe von Menschen, die sich an uns gewendet und die deutlich gemacht haben, dass sie die Sperrung des Kontos und den Hinweis, die Ausweispapiere vorzulegen, nicht akzeptieren. Insofern ist das keine Sache, die aus dem Nichts entstanden ist.
Anmerkung der Redaktion: Facebook kann beim Hamburger Verwaltungsgericht Widerspruch einlegen. Wird dieser abgelehnt, bleibt der Klageweg.
Johannes Caspar ist Jurist und seit 2009 Datenschutzbeauftragter in Hamburg.
Das Interview führte Uta Steinwehr.