Dauerhaft ausgeklammert
29. April 2008Ohne eine Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge in ihre alte Heimat werde es nie wahren Frieden mit Israel geben können. Das sagte einst der verstorbene PLO-Chef Jassir Arafat. Damals hatte er sich längst auf Friedensverhandlungen mit Israel in Oslo geeinigt, hatte Israels Existenzrecht grundsätzlich akzeptiert und hierfür zusammen mit Shimon Peres und Jitzhak Rabin den Friedens-Nobelpreis erhalten. In der Frage der Flüchtlinge aber blieb Arafat bis zum Ende seines Lebens unflexibel - ebenso wie in der Frage Jerusalems: Wenigstens der Ostteil dieser Stadt müsse Hauptstadt des Staates Palästina werden. Israel lehnte beide Forderungen ab: Jerusalem sei "ewige Hauptstadt Israels“. Und eine Rückkehr der Flüchtlinge komme schon deswegen nicht in Frage, weil dann das demografische Gleichgewicht in Israel und der jüdische Charakter des Staates verändert werde.
Um überhaupt noch mit Arafat - und dann vor allem mit dessen Nachfolger Mahmud Abbas verhandeln zu können, wurden diese Fragen "vorerst" ausgeklammert. Die Flüchtlinge waren das gewohnt: Ihr Schicksal ist seit 1948 "ausgeklammert“ worden: Während des ersten Nahostkrieges - unmittelbar nach Staatsgründung Israels 1948/49 - verließen knapp 700.000 Palästinenser ihre Heimat und fanden Zuflucht in den benachbarten Ländern. Ein Teil floh aus Angst, ein größerer Teil wurde von Israel vertrieben, und einige gingen in der Hoffnung, bald siegreich zurückkehren zu können.
Schwach und frustriert
Daraus wurde ein Dauerzustand. Die meisten kamen in den Flüchtlingslagern in Jordanien, Syrien, dem Libanon oder dem (damals von Ägypten verwalteten) Gazastreifen unter. Dort kümmerte sich die "UNRWA“ (United Nations Relief and Works Agency) um sie, die auch heute noch für die Lager zuständig ist. Nur in Jordanien sind sie inzwischen weitgehend verschwunden; nur hier wurden die Flüchtlinge mit der Zeit integriert. Überall sonst blieben sie Fremdkörper und wurden immer wieder auch Grund zu inneren Unruhen und internationalen Auseinandersetzungen. Ganz besonders im Libanon, wo bewaffnete Palästinenser-Gruppen das Land in den Krieg mit Israel zogen und im innerlibanesischen Bürgerkrieg mitmischten. Aber auch in Jordanien hoffte die PLO einst, das Land zur Ausgangsbasis ihres Befreiungskrieges umfunktionieren zu können.
Von gewaltsamer Befreiung träumen heute nur noch die wenigsten unter den Flüchtlingen. Ihre Zahl ist weltweit von einst rund 700.000 auf heute knapp fünf Millionen angewachsen - durch natürlichen Zuwachs und durch die zweite Flüchtlingswelle nach dem Sechstagekrieg 1967. Sie haben sich längst damit abgefunden, dass sie zu schwach sind, ihre Heimat zu befreien. Gleichzeitig sind sie zusehends frustriert, dass alle Versuche eines Friedensprozesses ihnen nichts gebracht haben: Israel hat keine einzige Siedlung in der Westbank aufgelöst, hat die täglichen Restriktionen nicht abgebaut und auch noch eine gigantische Sperranlage errichtet, die das Leben der Palästinenser zusätzlich erschwert.
Alles oder Nichts-Haltung
Im Gazastreifen, wo überwiegend Flüchtlinge von 1948 in Lagern leben, hat sich die Lage auch nach dem israelischen Abzug im Sommer 2005 nicht verbessert. Im Gegenteil: Seit der Machtübernahme durch die islamistische Hamas herrscht akute Not in Gaza. Die internationale Hilfe kommt zwar weiterhin. Aber sie wird erschwert durch die eskalierende Gewalt und den internationalen Boykott der Hamas, die zum Frieden nicht bereit ist. Der Zustand der Zivilbevölkerung in Gaza verschlechtert sich von Tag zu Tag.
Selbst wenn nun Ruhe einkehrte und die Hilfe wieder unbehindert geleistet werden könnte: Sie wäre nur Linderung, nicht aber Lösung des Flüchtlingsproblems. Eine Lösung kann es erst geben, wenn beide Seiten - Israelis wie Palästinenser - von ihrer bisherigen "Alles oder Nichts“-Haltung abkommen und sich mit den Realitäten abfinden: Die Palästinenser damit, dass eine Rückkehr nach Israel nicht in Frage kommt, und Israel damit, dass es den Flüchtlingen endlich ermöglichen muss, unter menschlichen Bedingungen an einem Platz leben zu können, den sie Heimat nennen können.