De Maizière fordert Debatte über Extremismus
27. September 2016Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) hat bei einem Festakt die Deutsche Islamkonferenz (DIK) als richtungsweisend und "Kompass für die Zukunft" gewürdigt. Die Jubiläumsveranstaltung zum zehnjährigen Bestehen stand unter dem Motto "Herausforderungen und Chancen für das nächste Jahrzehnt".
Der Minister rief in seiner Ansprache die Islamischen Verbände auf, sich in den Gemeinden mit transparenten und repräsentativen Strukturen zusammenzuschließen. Ansonsten könne eine Anerkennung als Körperschaft öffentlichen Rechts nicht erfolgreich sein. Nachdrücklich wies de Maizière eine politische Agitation muslimischer Verbände in Deutschland zurück. Eine Einflussnahme aus dem Ausland sei inakzeptabel.
Ohne Dialog mehr Misstrauen
De Maizière forderte von muslimischen Verbänden eine Diskussion über die Rolle des Islams für die Sicherheit. "Ich wünsche mir eine stärkere Debatte um die Eindämmung von Extremismus und Gewalt - innerislamisch wie im staatlichen Dialog", sagte der CDU-Politiker. Werde dieser Dialog nicht geführt, schüre dies mehr Misstrauen. Die überwältigende Mehrheit der Muslime werde damit nicht unter Generalverdacht gestellt. Wenn Muslime sich von Anschlägen im Namen ihrer Religion persönlich distanzierten, dann freue ihn das, betonte de Maizière. "Von den Vertretern islamischer Verbände erwarte ich aber mehr."
Als greifbare Erfolge der Konferenz nannte der Minister den islamischen Religionsunterricht an staatlichen Schulen, die Einrichtung theologischer Lehrstühle, die Anleitung zu Bestattungen oder für den Moscheebau oder die Einrichtung einer Anlaufstelle für muslimische Wohlfahrt. Eine Anleitung für Seelsorge stehe bevor.
Ziel: Integration von Muslimen in Deutschland
Die vor zehn Jahren vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) initiierte Deutsche Islamkonferenz dient als zentrale Dialogplattform zwischen Staat und Islam in Deutschland. Sie soll die religions- und gesellschaftspolitische Integration der rund vier Millionen Muslime voranbringen. Ein zentrales Ergebnis der ersten Phase bis 2009 war die Einigung auf einen Wertekonsens als Bekenntnis zur deutschen Rechtsordnung und zu den Werten des Grundgesetzes.
Gemischte Bilanz
Von Verbänden und Islamwissenschaftlern fiel die Bilanz nach zehn Jahren gemischt aus. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, plädierte dafür, die Islamkonferenz fortzusetzen. "Man ist vom übereinander reden zum miteinander reden übergegangen und hat dabei die richtigen Impulse gesetzt. Muslime haben die Gesellschaft mit gestaltet", sagte Sofuoglu der "Berliner Zeitung".
Die deutsch-marokkanische Publizistin Sineb El Masrar kritisierte die Rolle des Zentralrats der Muslime in Deutschland scharf. Dieser verbreite sehr stark salafistische Inhalte, sagte El Masrar im Deutschlandradio Kultur. In den vergangenen Tagen hatte es wiederholt Kritik an einer einseitigen Auswahl der Islam-Vertreter in der Konferenz gegeben. Der Zentralrat sei "maßgeblich daran beteiligt, genau dieses salafistische Gedankengut zu verbreiten und jungen Menschen zugänglich zu machen", sagte El Masrar. Insofern sei das, was der Zentralrat in der Islamkonferenz vertrete "alles andere als zentral" und spiegele nicht die Vielfalt der in Deutschland lebenden Muslime wieder.
Der Bundesvorsitzende der Kurdischen Gemeinde Ali Ertan Toprak hält die Islamkonferenz in ihrer derzeitigen Form für gescheitert. Toprak, der von der Gründung 2006 bis 2012 an der DIK teilgenommen hat, beklagte ebenfalls die Dominanz konservativer Islamverbände wie dem Zentralrat der Muslime. Kritische Themen, die die Gesellschaft essenziell beträfen, wie Innere Sicherheit, Islamismus und Radikalismus würden ausgeschlossen, weil diese Verbände darüber nicht diskutieren wollten, sagte er dem Südwestrundfunk.
Die islamkritische Soziologe und ehemalige Teilnehmerin der Islamkonferenz, Necla Kelek, hält die Islamkonferenz ebenfalls für gescheitert. Die Bundesregierung müsse die Konferenz der Demokratie verpflichten - auch was die Gleichberechtigung von Mann und Frau betreffe, forderte sie im Deutschlandfunk. Auch die katholische Kirche habe sich nicht von alleine zur Aufklärung verpflichten können.
as/uh (rtr, afp, dpa)