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Gesellschaft

Debatte um Evolutionstheorie: Lucy versus Adam und Eva

Daniel Pelz
27. Februar 2018

Hat Gott den Menschen erschaffen oder stammen wir vom Affen ab? Für manche Afrikaner sind Glauben und Evolutionstheorie unvereinbar. Das zeigen auch empörte Reaktionen auf einen DW-Beitrag. Wie stehen Theologen dazu?

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African Roots Lucy Dinknesh
Für manche User sieht Lucy nicht wie ein Humanoide aus, sondern wie ein AffeBild: Comic Republic

Lefranc Nguirobel aus Kamerun war sichtlich wütend: "Haltet doch mal einen Affen bei Euch zu Hause. Wir werden sehen, ob daraus ein Mensch wird", schrieb er auf der französischen Facebook-Seite der DW. In Rage hatte ihn die erste Folge der neuen DW-Serie "African Roots" gebracht. In 25 Portraits soll sie afrikanische Geschichte für junge Afrikaner erlebbar machen - online und in den DW-Radiosendungen. Im Mittelpunkt der ersten Folge stand Lucy, auch Dinknesh genannt. Amerikanische Forscher haben das Skelett 1974 in Äthiopien gefunden. Nach ihren Schätzungen ist Lucy rund 3,2 Millionen Jahre alt - und für alle, die an die Evolutionstheorie glauben, ein früher Vorfahr der heute lebenden Menschen.

Screenshot Kommentare Facebook Video DW-Afrika
Viele User kritisieren die DW auf FacebookBild: Facebook/DW Africa

Wie Lefranc tun dies aber viele DW-User in Afrika offenbar nicht. "Gott hat den ersten Menschen geschaffen und das war ein vollkommener Mensch, kein Affe!" schrieb Sheha Ibrahim auf der DW-Kisuaheli-Seite. User wie Sheha stören sich vor allem an der künstlerischen Darstellung Lucys im Webcomic: Sie sehen darin einen Affen, keinen Hominiden. "Gott hat zuerst Adam geschaffen, dann seine Frau Eva. Wenn weiße Menschen uns beibringen wollen, dass wir von Affen abstammen, dann haben sie Unrecht", protestiert Abdirahman Ali aus Nairobi. Auf der englischen Facebook-Seite vertreten zahlreiche User die Meinung, durch die Evolutionstheorie würden rassistische Kolonial-Klischees heraufbeschworen. Die wissenschaftliche Forschung geht dagegen in eine ganz andere Richtung: Die Wissenschaft hält Lucy für einen frühen Vorfahren der gesamten heutigen Menschheit. 

Katholische Kirche tat sich mit der Evolution lange schwer

Friedrich Stenger kennt die Debatte über die Evolutionstheorie gut. Der katholische Priester hat Jahrzehnte in Afrika gelebt, zuletzt lehrte er an der katholischen Tangaza-Hochschule in Kenias Hauptstadt Nairobi. "Mir hat einmal ein Biologie-Lehrer in Äthiopien erzählt, dass er große Konflikte mit der orthodoxen Kirche hat, weil der Pfarrer sonntags sagt, dass die Welt vor 4000 Jahren entstanden ist", erzählt Stenger im DW-Interview. "Der Lehrer sagte: Als Wissenschaftler weiß ich, dass das nicht stimmen kann. Wie kann ich die Wissenschaft und die Religion zusammenbringen?"

Auch die katholische Kirche tat sich damit lange schwer. Erst in den 1950er Jahren begann sie, sich der Evolutionstheorie langsam zu öffnen. Papst Johannes Paul II bekräftigte 1986, dass sich Evolution und Glaube nicht grundsätzlich ausschließen müssen. Seine Nachfolger teilen diese Position. Theologen sehen es so: Der Bericht über die Schöpfung der Welt in sieben Tagen, wie er gleich zu Beginn der Bibel geschildert wird, muss nicht wörtlich genommen werden.

Symbolbild Afrika Christen Kreuz Kruzifix Glaube Kultur
Manche Christen in Afrika tun sich mit der Evolution schwer Bild: Getty Images/M.Gangne

"Was uns die Schöpfungsgeschichte sagen will, ist, dass Gott am Anfang der Schöpfung steht", sagt Afrikamissionar Stenger. "Wie das in den Einzelheiten zu verstehen ist, das muss uns die Wissenschaft sagen. Dafür ist die Evolutionstheorie sehr wichtig."

Allerdings: Diese Position teilen längst nicht alle christlichen Kirchen. Viele der in Afrika weit verbreiteten Freikirchen und 'Afrikanischen Kirchen', die Christentum und traditionelle afrikanische Riten verbinden, stünden der Evolutionstheorie teils feindselig gegenüber, sagt Stenger.

"Evolutionstheorie schränkt die Rolle Gottes ein"

Auch Abdulkader Tayoub hat viel darüber nachgedacht, wie sich Glaube und Evolution vereinbaren lassen. "Viele Muslime glauben daran, dass Gott durch seinen Willen alles erschafft und der Mensch sozusagen der Gipfel der Schöpfung ist", sagt der Professor für Islamstudien an der Universität Kapstadt im DW-Gespräch. "Manche Menschen glauben, dass die Evolutionstheorie diese Rolle Gottes einschränkt."

Einzelne islamische Gelehrte hätten sich zu diesen Fragen schon geäußert, aber eine richtige Debatte, wie sich Glaube und Evolution verbinden ließen, gebe in der islamischen Welt nicht, sagt Tayoub.

Charles Darwin
Charles Darwin ist der Begründer der EvolutionstheorieBild: Imago/Leemage

Doch neben der religiösen Dimension sieht er noch einen anderen Grund, warum die Evolution von vielen Menschen in Afrika abgelehnt wird: "Viele Menschen haben das Gefühl, dass diese Theorien nicht zu ihnen gehören, dass sie von außerhalb Afrikas kommen und sie an ihrer Entwicklung überhaupt nicht teilhaben können."

Problem Schulbildung

Denn: An Schulen wird die Evolutionstheorie nicht immer gelehrt. in Südafrika zum Beispiel steht die Evolutionstheorie erst seit 2008 auf den staatlichen Lehrplänen. Während der Apartheid-Ära waren die Ausbildungsmöglichkeiten für angehende schwarze Lehrer in deutlich schlechter als für weiße. Eine Umfrage ergab, dass viele der damals ausgebildeten Lehrer nach eigener Einschätzung keine ausreichenden Kenntnisse von der Evolutionstheorie haben. Fehlende Mittel für die Lehrerausbildung oder für Schulbücher, führen dazu, dass die Evolutionstheorie auch in anderen Länden im Unterricht oft nicht umfassend vermittelt werden kann. 

Doch wie lassen sich nun Schöpfung und Evolution im Islam zusammenbringen? Auch Tayoub plädiert für eine differenzierte Wahrnehmung der Schöpfungsgeschichte im Koran: "Die Geschichte der Menschheit wird an verschiedenen Stellen des Korans auf ganz verschiedene Weise erzählt", sagt er. "Es gibt nicht die eine Version. Deshalb ist fraglich, ob man nur eine bestimmte Version akzeptieren sollte." Dies müsste dann aber jeder Gläubige selber tun - denn eine zentrale Instanz in Glaubensfragen kennt der Islam nicht.