Delaney: "Der Druck ist größer"
17. März 2017DW: Als Werder Bremen das letzte Mal in der Champions League spielte, waren Sie mit Kopenhagen auch dabei. Können Sie sich daran noch erinnern?
Thomas Delaney: Das war für mich als junger Spieler eine große Sache. Damals 2009 habe ich insgesamt zwar nur neun Minuten gespielt, aber für mich als junger Spieler war das eine beachtliche Rolle. Es war eine schwierige Situation, wir waren nicht so gut. Es ging eher darum in der Champions League zu "überleben".
Sie haben von einem Champions-League-Teilnehmer zu einem Klub im Abstiegskampf gewechselt. Das würden nicht viele Profis machen.
Nein, ich hätte tatsächlich zu einem anderen Klub in einer anderen Liga wechseln können, der etwas besser dasteht. Aber wissen Sie, ich war mir nicht sicher, ob ich anderswo Einsätze bekomme, ob ich es in die Startelf schaffe. Bei einem Wechsel kann man immer zwei Wege gehen: Du kannst dich für das Geld entscheiden, oder du versuchst dich zu verbessern, auf ein höheres Niveau zu kommen. Darum bin ich hier. Werder ist ein großer Verein, der momentan unter seinen Möglichkeiten bleibt. Ich würde gerne dabei mithelfen, dass der Klub wieder in die Spur kommt.
Deswegen sind Sie nach Bremen gekommen?
Ja. Ich bin überzeugt, dass es richtig war, sich für den Verein zu entscheiden, weil er mir viel Einsatzzeit gibt. Werder hat sich sehr um mich bemüht und hatte mich als Spieler fest eingeplant. Stammspieler zu sein ist wichtig für mich.
Also spielen Sie lieber in einer Mannschaft, die über den Kampf den Erfolg sucht, als in einem dominanten Team?
Gerne würde ich mit Bremen die Gegner dominieren, aber immer langsam. Natürlich ist es schwierig, im Tabellenkeller zu stehen. Im vergangenen Jahr [Anm. d. Red.: beim FC Kopenhagen] habe ich nur ein Spiel verloren, vielleicht zwei. Und jetzt gingen nach meinem Wechsel in der Winterpause gleich die ersten drei Partien verloren. Vom Kopf her war das auch eine Umstellung. Ich freue mich über kleinere Erfolge oder beispielsweise das umkämpfte Unentschieden gegen Leverkusen.
Können Sie diesen Mentalitätswechsel genauer beschreiben?
Ich dachte immer, in Kopenhagen - da wo ich herkomme - herrscht großer Druck. Aber das ist im Vergleich eigentlich gar nichts. Der Druck hier in Bremen ist viel größer. Und das, obwohl wir Fans haben die uns auch unterstützen, wenn es schlecht läuft. Aber überall in der Stadt und in den Medien spürt man schon die großen Erwartungen. Schockiert hat mich das nicht, aber doch beeindruckt.
Hat Sie das überrascht?
Auf jeden Fall. Ich komme damit gut zurecht. Es ist eben ein Unterschied, ob man über Dinge Bescheid weiß, oder ob man sie am eigenen Leib erfährt. Dafür, dass wir so tief im Tabellenkeller stehen, haben wir einen wahnsinnigen Rückhalt bei den Fans. Ich war überrascht, wie sehr uns unser Anhang getragen hat, nach 90 Minuten bei der Partie in Leverkusen.
Viele Spieler wären lieber in die Premier League gewechselt als in der Bundesliga zu spielen. Warum Deutschland?
Die Bundesliga passt super zu mir. Das sehr hohe Tempo, die Intensität der Spiele - so mag ich es gerne. Ich mag kein feinsinniges Rasenschach. Ich liebe es zu rennen, zu ackern und Zweikämpfe zu führen. Ich denke schon, dass ich irgendwann reif für die Premier League bin, das ist kein Geheimnis. Aber für meine persönliche Entwicklung war es die beste Entscheidung, hier nach Bremen zu wechseln. Aus Dänemark in die Bundesliga zu kommen ist schon ein großer Schritt, direkt nach England zu gehen wäre eine noch größere Hürde. Ich möchte das richtig angehen. Aus Dänemark versuchen viele Spieler diesen Sprung in die Premier League. Die allermeisten sind nach enttäuschenden zwei Jahren wieder zurück. Das will ich auf jeden Fall vermeiden.
Sie sind zwar noch nicht lange hier, aber gibt es etwas, dass Ihnen in der Bundesliga besonders aufgefallen ist?
Nach 93 Minuten weiß man immer noch nicht, was gleich passiert. Das haben wir in Augsburg gesehen oder gegen Leverkusen. Man hat das Gefühl, das Spiel sei unter Kontrolle, aber das ist es nie. Das ist das Schlimmste - schlimmer ist nur noch, wenn man schon draußen sitzt und nur zusehen kann. Ich bin immer noch überrascht, dass wir den Strafstoß gegen Leverkusen überhaupt verursacht haben. Mit einem Mann mehr auf dem Feld und beim Spielstand von 1:1 bringen wir uns selbst in diese Situation. Aber das passiert auch anderen andauernd. Scheint fast so, als sei das ein Bundesliga-Phänomen.
Sie mussten Ihren Spielstil anpassen. Viel Laufarbeit liegt Ihnen, haben Sie vorhin gesagt, müssen Sie in der Bundesliga jetzt vielleicht weniger laufen?
Eher mehr. Das ist der größte Unterschied für mich als Mittelfeldspieler. Man ist immer gedeckt. Meine Teamkollegen hatten mir das gleich am ersten Tag gesagt. Bisher konnte ich mich häufig vom Gegenspieler lösen und den Ball relativ ungestört annehmen. In der Bundesliga hat man in neun von zehn Fällen den Gegner im Nacken. Man muss den Ball besser abschirmen und im Passspiel sicherer und direkter werden.
Sie waren Kapitän. Sie sind ein Führungsfigur. Was macht einen solchen Spieler aus?
Er muss einer der besten Spieler sein. Ich sehe das so: ein Führungsspieler muss seine Mitspieler loben, er muss aber auch in der Lage sein, Kritik zu üben und klare Ansagen zu machen, wenn es schlecht läuft. Das geht am leichtesten, wenn der Spieler selbst zu den Besten gehört, weil er den anderen in dieser Hinsicht keine Angriffsfläche bietet. Das ist wichtig und natürlich muss man sich in der Liga, mit den Gegnern, den Fans und dem Umfeld im Verein auskennen. Nach meiner Vorstellung muss ein Kapitän einige Jahre im Klub sein und sollte zu den Topspielern gehören.
Sehen Sie sich in dieser Rolle?
Nicht ausgeschlossen. Ich sehe mich auf jeden Fall als Führungsspieler, unabhängig davon, ob ich eine Kapitänsbinde trage oder nicht. Um Kapitän zu werden, müsste ich sehr gut spielen, und ich hoffe das gelingt mir.
Welchen Einfluss hat Coach Alexander Nouri?
Ich denke, er ist ein großartiger Motivator, jung im Kopf und er liebt Fußball. Das mag ich sehr. Er kommt rein und sagt: "Wahnsinn, heute spielen wir gegen die Bayern!" - und im Hinterkopf von manchen Spielern, vielleicht sogar allen, war vorher der Gedanke herumgespukt, "Mist, wir müssen gegen die Bayern spielen." Den Respekt vor dem Gegner darf man nicht verlieren, aber du brauchst diesen unbedingten Erfolgshunger.
Hat sich das auf das Team ausgewirkt?
Ich denke schon. Für mich ist das genau die Art, die ich mag. Ich liebe es, mit dem Herz in der Hand zu spielen, alles rein zu werfen. Das ist genau das, was wir in unserer Situation brauchen. Es ist eine große Aufgabe und ich denke die meistert er hervorragend. Er vermittelt uns, dass wir nicht nur schönen Fußball spielen und viele Tore schießen sollen, sondern auch die nötige Coolness, wenn es darum geht, unter Druck zu verteidigen.
Auf welchem Tabellenplatz werden Sie die Saison beenden?
Das ist eigentlich egal, solange wir nichts mit dem Abstieg oder der Relegation zu tun haben. Nächste Saison sehen wir weiter. Das ist das Problem in der Bundesliga. Wir hatten zehn Punkte aus vier Spielen und ich dachte, das ist ganz in Ordnung. Allerdings haben der Hamburger SV und der VfL Wolfsburg in der gleichen Zeit genauso viele Zähler gesammelt. Es ist also ein viel zu enges Rennen.
Thomas Delaney, geboren wurde 1991 in Frederiksberg bei Kopenhagen, hat eine dänische Mutter und einen irisch-stämmigen US-amerikanischen Vater. Er debütierte kurz vor seinem 18. Geburtstag für den FC Kopenhagen in der dänischen Superliga. Bis zu seinem Wechsel nach Bremen im vergangenen Winter, spielte er sieben Jahre lang für die Kopenhagener. Delaney gewann mit dem Klub in dieser Zeit viermal die Meisterschaft und dreimal den Pokal. Für Dänemarks Nationalteam hat er bislang 14 Spiele bestritten.
Das Interview führte DW-Reporter Jonathan Harding.