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Demonstranten stürmen irakisches Parlament

30. April 2016

In Bagdad sind Anhänger des schiitischen Geistlichen Al-Sadr in das massiv gesicherte Parlament eingedrungen. Die politische Krise im Land behindert den Kampf gegen die Terrormiliz IS, die erneut viele Menschen tötete.

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Irak Bagdad Anhänger von Moqtada al-Sadr stürmen Parlament
Die Demonstranten im ParlamentsgebäudeBild: Reuters/A. Saad

Aufgebrachte irakische Demonstranten haben bei einer Kundgebung für politische Reformen in Bagdad das hochgesicherte Regierungsviertel und das Parlament gestürmt. Hunderte Anhänger des Schiitenpredigers Muktada al-Sadr stimmten im Abgeordnetenhaus Sprechchöre an und schwenkten irakische Fahnen (Artikelbild). Auch in den Sitzungssaal drangen sie ein. Tausende weitere Sadr-Anhänger protestierten vor den Toren der sogenannten "Grünen Zone", wo sie seit Wochen für Reformen und ein Ende der Korruption auf die Straße gegangen waren.

Iraks Ministerpräsident Haidar al-Abadi rief die Demonstranten auf, friedlich zu bleiben und nach Hause zu gehen. Zugleich versicherte er, die Sicherheitskräfte hätten die Lage in Bagdad unter Kontrolle. Ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP berichtete später, die Demonstranten hätten nach Einbruch der Dunkelheit begonnen, das Parlamentsgebäude nach und nach wieder zu verlassen.

Ministerpräsident Haider al-Abadi steht unter starkem Druck (Foto: dpa)
Ministerpräsident Haider al-Abadi steht unter starkem DruckBild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Die Demonstranten hatten sich zunächst vor dem streng abgeriegelten Bezirk versammelt, der neben Regierungsstellen auch ausländische Botschaften und Vertretungen der Vereinten Nationen (UN) beherbergt. Ein UN-Sprecher und westliche Diplomaten erklärten, ihre Einrichtungen seien abgeriegelt worden. Sie widersprachen örtlichen Medienberichten, die Gebäude würden evakuiert.

Kurz zuvor waren bei einem Anschlag der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) östlich von Bagdad mindestens 24 Menschen getötet worden. Die Armee verstärkte nach eigenen Angaben die Sicherheitsmaßnahmen und sperrte alle Zufahrtsstraßen in die Hauptstadt ab.

Muktada al-Sadr bei einer Rede an seine Anhänger (Archivbild: AP)
Muktada al-Sadr bei einer Rede an seine Anhänger (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/K. Kadim

Das Innenministerium dementierte den Einsatz von Schusswaffen oder anderer Mittel, um die Demonstranten im Regierungsviertel auseinanderzutreiben. Zuvor hatte die unabhängige irakische Nachrichtenseite Alsumaria News ohne Nennung von Einzelheiten über Schüsse und den Einsatz von Tränengas berichtet.

Die Europäische Union äußerte sich beunruhigt über die Entwicklung. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini warnte, die Demonstrationen könnten die ohnehin schon angespannte Lage weiter eskalieren lassen. "Es handelt sich offenbar um die absichtliche Unterbrechung des demokratischen Prozesses", erklärte sie in einer Mitteilung.

Die Demonstranten protestierten gegen die Verschiebung einer Abstimmung im Parlament über ein Technokratenkabinett. Seit Monaten tobt im Irak ein Konflikt um politische Reformen, die der schiitische Regierungschef Al-Abadi zugesagt hat. Im Parlament kam es mehrfach zu Tumulten zwischen zerstrittenen Abgeordneten. Die Reformbefürworter wollen das Proporz- und Klientelsystem abschaffen, das als Hauptursache für die weit verbreitet Korruption im Irak gilt. Am Dienstag hatte das Parlament gegen den Protest einer Gruppe von Abgeordneten die Neubesetzung von mehreren Ministerposten mit Technokraten abgesegnet. Die Abstimmung über einige Schlüsselressorts steht jedoch noch aus und wurde am Samstag erneut vertagt.

Zwischen den Stühlen

Regierungschef Al-Abadi steht dabei unter dem Druck mehrerer Parteien, die ihren Einfluss behalten wollen. Zugleich behindert der Konflikt den Kampf gegen den IS, der noch immer große Gebiete im Norden und Westens des Iraks beherrscht.

Der Prediger Al-Sadr war nach dem Sturz von Langzeitherrscher Saddam Hussein im Jahr 2003 bekannt geworden, als seine Mahdi-Armee die US-Truppen mit Gewalt bekämpfte. In den vergangenen Monaten hat er sich an die Spitze der Protestbewegung gesetzt, die Reformen fordert.

stu/sti (afp, dpa, rtr)