Der aussichtslose Kampf der ETA – Auch ehemalige Kämpfer fordern ein Ende des Terrors
22. September 2008Der Innenminister der baskischen Autonomiebehörde Javier Balza erklärte, die ETA habe ein Massaker anrichten wollen. Denn zuvor sei die Wache mit Molotowcocktails angegriffen worden, um die Beamten aus dem Gebäude auf die Straße zu treiben. Niemand zweifele daran, dass sich die ETA in den nächsten Wochen auch zu diesem Anschlag bekennen und sich dabei auch diesmal auf das baskische Volk berufen werde, das sie zu befreien vorgibt. Dabei haben von der ETA längst auch jene die Nase voll, die selbst einmal den bewaffneten Kampf für legitim gehalten haben.
Viel zu sagen, aber nur im richtigen Moment
Urko, Iñigo und Eneko haben sich zum Essen in der "sociedad gastronómica" verabredet, in der gastronomischen Gesellschaft Getarias. Sie bereiten Thunfisch zu. Koch-Klubs wie diesen mit professionell eingerichteten Küchen gibt es in jedem baskischen Dorf. Man trifft sich, kocht, speist und redet gemeinsam – die Politik ist dabei jedoch meist tabu:
„Wenn man sich zum Essen trifft, will man Spaß haben", meint Eneko. „Wenn man weiß, alle sind einer Meinung, ist das kein Problem. Aber eine Freundin von mir steht eher den Konservativen nahe. Ich bin hingegen für die Unabhängigkeit." Sie können über Fischfang reden, oder Umweltschutz, aber nicht über die politische Zukunft des Baskenlandes. Das sei zu extrem.
Kritische Distanz zu früheren ETA-Kommandos
Aber heute sind alle drei am Tisch für die Unabhängigkeit. Sie gehören der Partei Aralar an, der sich viele Separatisten anschlossen, die den Terror der ETA missbilligen. Eneko lehnte die Gewalt nicht immer ab: 1979 ging er zu den Antikapitalistischen Kommandos, einer inzwischen aufgelösten Abspaltung der ETA. Ungehemmt spricht der 50-Jährige über diese Zeit: „Es war damals sehr leicht, in ein Kommando zu gehen. Alle nationalistischen Familien hatten jemanden im Gefängnis, man musste sie nur kontaktieren."
Dann sei er nach Frankreich gegangen. Die Leute der ETA und der anderen Gruppen seien dort frei herum gelaufen. „Wir dachten damals nicht viel nach", gibt Eneko zu. „Das sehe ich heute schon kritisch." Mehr als 20 Mordanschläge und zahlreiche Sabotageakte gehen auf das Konto der Antikapitalistischen Kommandos. Zu seiner eigenen Beteiligung sagt Eneko nur knapp, er habe keine Bluttaten begangen. Vier Jahre saß er dennoch im Gefängnis. Mitte der 1980er-Jahre erließ die spanische Regierung dann ein Gesetz, nachdem Terroristen, die ihre Abkehr von der Gewalt erklären, vorzeitig entlassen werden können. Eneko kam frei.
Gewalt fruchtet heute nicht mehr
„Die Gewalt passt einfach nicht in die heutige Zeit und sie passt nicht ins Baskenland", erklärt er. Damals sei das anders gewesen. „In ganz Europa gab es gewalttätige Gruppen. In Frankreich, Italien, Deutschland." Heute könne er sich nur eine Art defensive Gewalt zur Verteidigung vorstellen, wie in Irland zum Beispiel. Spanien habe heute eine Demokratie, in der man trotz mancher Defizite auch Ziele wie die Unabhängigkeit verfolgen könne, sagt Eneko. Anschläge gegen gewählte Politiker aber auch gegen eine Polizeiwache wie jetzt seien völlig kontraproduktiv:
„Der bewaffnete Kampf hat nur ein Ziel: Gewinnen", meint Eneko. Gebe es aber irgendeine Möglichkeit zu gewinnen? Er verneint. Man störe damit noch nicht einmal. Der Staat ist so stark, dass sich ein Anschlag nur negativ auf die Angreifer auswirke. „Ich sehe nichts Positives am bewaffnetem Kampf."
ETA – allein auf weiter Flur
Der jüngere Urko hingegen sieht dies anders und schaltet sich in die Diskussion am Tisch ein: „Du argumentierst aber sehr pragmatisch", meint er. Aber so wie Eneko denken spanischen Zeitungsberichten zufolge inzwischen auch viele der ETA-Leute in den Gefängnissen. Die ETA sei gespalten in ältere Mitglieder, die noch langjährige Haftstrafen verbüßen und die offen von der Aussichtlosigkeit der Gewalt sprechen.
Dem gegenüber stehe eine jüngere und radikalere Generation, die im Namen des baskischen Volkes spektakuläre Anschlägen verüben will. „Die ETA ist keine nationale Befreiungsarmee. Sie sehen sich so", meint Eneko über die jungen ETA-Mitglieder. Aber sie seien es nicht. „Eine Befreiungsarmee muss das Volk hinter sich haben, das sie befreien will. Die ETA hat keine Mehrheit hinter sich. Höchstens eine kleine Minderheit." Sie stehe nur noch für sich selbst.