Der BND rüstet auf
2. Juni 2014Als durch den Whistleblower Edward Snowden bekannt wurde, welche Methoden die US-amerikanische National Security Agency (NSA) weltweit zur Überwachung einsetzt, herrschte in Deutschland große Empörung. Agenten, die problemlos Telefongesprächsdaten einsammeln und jegliche Bewegung von Privatpersonen in den sozialen Medien beobachten können? Unfassbar! Als auch noch herauskam, dass selbst das Handy von Kanzlerin Angela Merkel vor den amerikanischen Geheimdienstmitarbeitern und ihren britischen Kollegen nicht mehr sicher ist, sah es für einen Augenblick sogar so aus, als stünde die deutsch-amerikanische Freundschaft auf dem Spiel.
Jetzt will Deutschlands Auslandsgeheimdienst zu ähnlichen Methoden greifen und so den technischen Abstand auf die NSA verkürzen: Wie am Wochenende durchsickerte, plant der Bundesnachrichtendienst (BND) aufzurüsten, und zwar speziell in der Technik, die der Überwachung sozialer Medien dient. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, dass der BND in Zukunft Netzwerke wie Facebook und Twitter in Echtzeit überprüfen will - also Informationen einsammeln, direkt, nachdem Nutzer sie gepostet haben.
Das Projekt ist Teil der "Strategischen Initiative Technik", für die der Bundestag nach den Wünschen des BND 300 Millionen Euro bewilligen soll. Neben dem NSA-Jahresbudget von rund zehn Milliarden Dollar (etwa 7,4 Milliarden Euro) mag diese Summe klein erscheinen, aber dem BND würde das Geld ermöglichen, ein Stück weit zum "großen Geheimdienstbruder" aus Übersee aufzuschließen.
Keine deutschen Daten betroffen?
Hans-Christian Ströbele, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium für Geheimdienste, findet die geplanten Methoden des BND problematisch, auch weil ähnliche Vorgehensweisen der NSA in Deutschland so stark kritisiert wurden. Es gebe Parallelen zwischen den Plänen des BND und der NSA-Überwachung, sagt der Grünen-Politiker im DW-Gespräch. "Der Bundesnachrichtendienst, wie offenbar auch die NSA, scheint die Auffassung zu vertreten, dass die jeweiligen Datenschutzregelungen für ausländische Kommunikation nicht gelten."
Der Oppositionspolitiker bezieht sich auf die Meldung, dass Deutsche nicht im Fokus der geplanten BND-Maßnahmen stehen sollen. "Es geht nicht um die Überwachung der Kommunikation der deutschen Bevölkerung, sondern um die Kommunikation von Ausländern im Ausland", sagte ein BND-Mitarbeiter, der namentlich nicht genannt werden wollte, der Nachrichtenagentur Reuters.
Das ist entscheidend, weil die Aufgabe des BND als Auslandsgeheimdienst ausdrücklich nicht die Überwachung innerhalb Deutschlands oder von deutschen Staatsbürgern im Ausland ist. Dafür ist der Verfassungsschutz zuständig. Der BND hat den Auftrag, Deutschland vor Gefahren aus dem Ausland zu schützen.
Ströbele bezweifelt allerdings, dass eine saubere Trennung bei der Datenmenge, die dem BND bei einer Echtzeitüberwachung der sozialen Netzwerke bevorsteht, möglich ist. "Es ist davon auszugehen, dass beim Absaugen dieser Daten in den Glasfaserleitungen natürlich auch Kommunikationen von deutschen Staatsbürgern aufgenommen werden", so der Grüne.
"Auf Augenhöhe mit den Partnern"
Im Gegensatz zu Ströbele stehen Mitglieder der Regierungsparteien den Plänen des BND offen gegenüber. Sozialdemokrat Christian Flisek ist Mitglied im NSA-Untersuchungsausschuss und sagt, dass die angekündigte BND-Überwachung für Deutschlands Sicherheit wichtig sei. "Wir brauchen Aufklärungsbilder über Lagebilder im Ausland und dazu gehört eben auch, dass man öffentliche Kommunikation in Netzwerken wie Facebook oder Twitter beobachten kann", so der SPD-Politiker im Deutschlandfunk.
Roderich Kiesewetter von der CDU hält die Aufrüstung des BND wegen Deutschlands internationaler Beziehungen für essenziell. "Ich glaube, die Amerikaner erwarten, wie auch unsere Nachbarn, dass Deutschland einen leistungsfähigen Auslandsgeheimdienst hat", sagte das Mitglied des NSA-Untersuchungsausschusses dem Westdeutschen Rundfunk.
"Wir haben weltweit mit terroristischen Gefahren zu tun, die sich nicht über das Lesen von Zeitungen aufklären und verhindern lassen. Deswegen brauchen wir einen Bundesnachrichtendienst, der auf Augenhöhe mit anderen Partnern ist." Und um Deutschland wirkungsvoll zu schützen, so Roderich weiter, müsse der BND eben auch moderne Methoden einsetzen.
Die Kontrolle nicht aus der Hand geben
Der entscheidende Unterschied zwischen der NSA in den USA und dem BND in Deutschland ist, dass Politiker in der Bundesrepublik mehr Kontrolle über den Geheimdienst haben, darin sind sich die Politiker einig. Während sich die NSA zu einem Staat im Staate entwickelt zu haben scheine, ruhe der prüfende Blick des Parlamentarischen Kontrollgremiums auf dem BND, so die Ansicht.
Christian Ströbele verlangt, dass dies auch mit den geplanten neuen Methoden weiterhin gegeben sein wird: "Die Forderung, dass man mit modernen Mitteln arbeiten will, ist ja richtig - aber wenn, dann nur sehr eingeschränkt und parlamentarisch kontrolliert."