Der Bundeswehr laufen die Ärzte weg
26. März 2009In seinem am Donnerstag (26.03.2009) präsentierten Jahresbericht 2008 kritisierte Reinhold Robbe, SPD, vor allem den Personalmangel im Sanitätsdienst. Im vergangenen Jahr hätten fast 100 Sanitätsärzte gekündigt. Viele von ihnen hätten sich schon weit vorher "innerlich verabschiedet", da sie berufliche Perspektiven vermissten und sich vom Dienstherr Bundeswehr im Stich gelassen fühlten.
Die Motivation der Ärzte in der Bundeswehr sei in seiner Sicht in erschreckendem Ausmaß 'gekippt' so Robbe. Grund für die "Ärzteflucht" seien die ständigen Abwesenheiten durch Auslandseinsätze. Für diese Einsätze werden Sanitäter aus dem Inland abgezogen, wodurch sich der Personalmangel dort erhöht. Auch wird nach Angaben Robbes im nicht-militärischen Krankenhauswesen inzwischen besser bezahlt als bei der Bundeswehr.
Auswirkungen des Ärztemangels
Die Kündigungen der Sanitätsärzte hätten weit reichende Folgen: Die Belastung der verbliebenen Mitarbeiter in den Bundeswehrkrankenhäusern sei gestiegen. Diese sei "besorgniserregend". Manche Abteilungen hätten ihre Ambulanz-, Spät- und Nachtdienste einschränken müssen. Die Kliniken mussten Robbe zufolge teilweise sogar Operationssäle schließen und deshalb geplante Eingriffe verschieben oder absagen.
Die Soldaten ihrerseits beklagten, dass sie wegen des Ärztemangels nun häufiger den Arzt wechseln müssten sowie lange Wartezeiten und eine ungenügende ärztliche Betreuung in den Heimatstandorten in Kauf nehmen müssten.
Auslandseinsätze: Beste Versorgung angestrebt
Bei allem Mangel im Inland soll die Versorgung der Soldatinnen und Soldaten, die im Ausland eingesetzt sind, weiter verbessert werden. Erklärtes Ziel sei, in allen Einsatzgebieten eine medizinische Qualität zu erreichen, die der eines Kreiskrankenhauses in Deutschland entspreche, so Robbe. "Das ist ein ehrgeiziger Anspruch".
Doch dieser Anspruch sei auch der Grund dafür, dass die Akzeptanz der Auslandseinsätze bei den Soldaten so hoch sei. Bisher sei es möglich gewesen, in Notsituationen wie etwa Anschlägen oder Unfällen eine "lückenlose Rettungskette" sicherzustellen. Dies müsse in Zukunft "unter allen Umständen" auch noch möglich sein.
Moderne Armee? - "Jein"
Mit Blick auf den 60. Geburtstag der Bundesrepublik in diesem Jahr ging der Wehrbeauftragte auch auf die Frage ein, ob die Bundeswehr den Wandel zu einer modernen Armee geschafft habe. Diese Frage könne nicht mit einem einfachen "Ja" oder "Nein" beantwortet werden. Gleichwohl nannte Robbe mehrere Beispiele für eine unzureichende Modernisierung der Truppe.
"Wenn ein Soldat als Reaktion auf seine Bitte um Ersatz für seine kaputten Stiefel den Hinweis bekommt, er müsse sechs Wochen warten, dann ist das nicht vereinbar mit dem Anspruch einer modernen Armee". Kein Zeichen für Modernität sei es auch, wenn ihm Piloten berichteten, ihre Flugzeuge seien zwar technisch ausgezeichnet, die Funkgeräte stammten jedoch aus dem vorigen Jahrhundert und seien so veraltet, dass es für sie eine Abwrackprämie wie für Altautos geben müsse.
Überbordende Bürokratie
Mit einer modernen Armee im Einsatz sei auch nur schwer zu vereinbaren, dass am Luftwaffenstützpunkt in Köln-Wahn von rund 200 Gebäuden die Hälfte mehr als 50 Jahre und ein Viertel mehr als 70 Jahre alt sei. Auch wenn einem Kommandeur die Knöpfe von der dienstlich gelieferten Uniform abfielen und die Nähte sich auflösten, sei dies kein Kennzeichen einer modernen Armee.
Aber nicht nur die marode Ausstattung werde beklagt. Die Streitkräfte würden zudem von einer überbordenden Bürokratie fast erdrückt. So hätten ihm Soldaten bei seinen zahlreichen Truppenbesuchen berichtet, dass gegen Vorschriften verstoßen werden müsse, "um den Laden am Laufen" zu halten, erläuterte Robbe weiter. Ein hoher Offizier habe geklagt: "Wir kontingentieren und regulieren uns noch zu Tode".
Unterstützung vom Bundeswehrverband
Der Vorsitzende des deutschen Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, schloss sich der Kritik Robbes an. Die Streitkräfte hätten inzwischen 400 Ärzte zu wenig. Die Attraktivität des Sanitätsdienstes sei offensichtlich auch mit monatlichen Zulagen von 600 Euro nicht zu erhöhen. Die Truppe werde junge Menschen dauerhaft nur anziehen, wenn sie deren Lebensmodelle "wie ein modernes Unternehmen" unterstütze.
Kirsch wies zudem darauf hin, dass diejenigen, die von Auslandseinsätzen heimkehrten, in eine Gesellschaft zurückkämen, die nur wenig Verständnis für die Gefährlichkeit der Einsätze zeige. Viele Soldatinnen und Soldaten fühlten sich von der Politik alleine gelassen und vermissten eine Würdigung dessen, was sie im Einsatz leisteten. Auch hebe der Wehrbeauftragte zu Recht hervor, welche besonderen Belastungen in den Auslandseinsätzen durch den Mangel an Spezialisten wie Ärzten, Feldjägern oder Piloten entstünden..
Der vom Bundestag eingesetzte Wehrbeauftragte ist dafür zuständig, die Wahrung der Grundrechte der Soldaten zu überwachen. Jeder Soldat hat die Möglichkeit, sich mit Beschwerden direkt an den Wehrbeauftragten zu wenden. Einmal im Jahr legt dieser dem Bundestag einen schriftlichen Bericht vor. Reinhold Robbe hat das Amt seit dem Mai 2005 inne. (bea/wl/dpa/rtr/afp)