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Tibet ohne Presse

20. März 2008

Der Dalai Lama hat China ein Gesprächsangebot gemacht. Die letzten zwei ausländischen Journalisten mussten unterdessen Tibet verlassen. Peking hat offenbar seine Truppen in der Provinz verstärkt.

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Tibets geistiger Führer würde mit der chinesischen Führung sprechen, die aber wohl kaum mit ihm (Foto: Archivbild/dpa)
Tibets geistiger Führer würde mit der chinesischen Führung sprechen, die aber wohl kaum mit ihmBild: picture alliance / dpa

Der Dalai Lama hat sich wegen der Gewalt in Tibet am Donnerstag (20.3.2008) zu Gesprächen mit der chinesischen Führung bereit erklärt. Auch mit Präsident Hu Jintao wolle er reden, erklärte das geistliche Oberhaupt der Tibeter im indischen Dharamsala, dem Sitz der tibetischen Exilregierung. Das Treffen solle aber nicht in Peking stattfinden. In die chinesische Hauptstadt werde er nur reisen, wenn es in dem Konflikt "eine wirkliche konkrete Entwicklung" gebe.

Die chinesische Regierung hatte ihre Verbalattacken gegen den Dalai Lama am Mittwoch weiter verschärft und ihn als "Wolf in Mönchskutte" bezeichnet. Für Peking ist der Dalai Lama ein Staatsfeind.

Militärfahrzeuge in Lhasa und auf dem Weg nach Tibet

China hat nach Angaben des deutschen Korrespondenten Georg Blume seine Truppenpräsenz in der tibetischen Hauptstadt Lhasa massiv verstärkt. Er habe einen Konvoi von mindestens 200 Armeefahrzeugen mit je 30 Soldaten gesehen - das seien rund 6000 Sicherheitkräfte, die binnen eines Tages in Lhasa unterwegs gewesen seien, sagte Blume dem britischen Sender BBC, kurz bevor er Donnerstagfrüh (20.3.2008) Tibet verlassen musste. Blume schreibt unter anderem für die Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" und für die "tageszeitung" aus Berlin. Ein in West-China ansässiger BBC-Journalist berichtete, er habe mehr als 400 Militärfahrzeuge gezählt, die in Konvois von rund 80 Fahrzeugen in Richtung Tibet unterwegs seien.

Mit der Ausweisung der letzten ausländischen Journalisten aus Tibet geht die Chance verloren, den Ursachen der schweren Ausschreitungen in Lhasa auf den Grund zu gehen. "Letztlich weiß man doch noch gar nicht, was passiert ist", sagte Blume vor seiner Abschiebung aus Lhasa am Donnerstag in einem Telefongespräch mit der Deutschen Presse Agentur dpa in Peking. "Es muss hier vor Ort mit den Augenzeugen geredet werden, um die Wahrheit herauszufinden. Denn jede Information, die aus Peking oder Dharamsala kommt, ist doch letztendlich verdächtig."

"Ehrlich gesagt, mit der Gewalt sind wir zu weit gegangen."

Gerade sei es in Lhasa möglich gewesen, auch ausführlicher mit Augenzeugen und Teilnehmern an den Demonstrationen zu sprechen. Auch Aussagen von chinakritischen Tibetern, die das Vorgehen der Polizei gegen den plötzlichen Gewaltausbruch auch durchaus in einem positiven Licht dargestellt hätten, habe er gehört. "Solche Berichte kommen jetzt eben auch nicht mehr an die Öffentlichkeit", sagte Blume. Ein Tibeter, der sich als Unterstützer des Dalai Lama und scharfer Chinakritiker erwiesen habe, habe ihm gegenüber eingeräumt: "Ehrlich gesagt, mit der Gewalt sind wir zu weit gegangen." Dieser Augenzeuge habe ferner berichtet, dass die Polizei nicht geschossen habe.

"Aber wenn die Behörden dich dann ausweisen, bist du dir wieder nicht sicher, ob sie nicht doch etwas zu verbergen haben", sagte Blume, der auch gesehen hat, wie bewaffnete paramilitärische Polizisten von Haus zu Haus gingen, um verdächtige Tibeter festzunehmen. Auch die tieferen Ursachen der Gewalt wie wirtschaftliche und soziale Diskriminierung könnten nicht weiter ergründet werden, wenn China ausländische Journalisten aus Tibet ausweise. "Es wäre eine Chance aufzuklären", sagte Blume, dem es mit der Journalistin Kristin Kupfer, die in Peking für das österreichische Magazin "Profil" akkreditiert ist, gelungen war, am Tag nach Ausbruch der schweren Unruhen am Freitag ohne die sonst für Tibet erforderliche Genehmigung nach Lhasa zu reisen.

Verbot für Hotel, die Journalisten weiter zu beherbergen

Seit ihrer Ankunft in Lhasa habe die Ausländerpolizei sie aufgefordert, das Hochland wieder zu verlassen. "Seit Samstag sind sie jeden Tag ins Hotel gekommen", sagte Blume. Die entsandten Beamten seien immer hochrangiger geworden. Schließlich sei ihre Weigerung auch als Verstoß gegen die Vorschriften für Journalisten in China gewertet worden, weil sie keine Genehmigung für Tibet gehabt hätten. "Man sagte uns, dass wir schon lange bevorzugt behandelt worden seien, dass wir aber Probleme bekommen, wenn wir jetzt nicht gehen", sagte Blume, der von einem einschüchternden Ton sprach. Auch das Hotel habe ihnen am Donnerstag mitgeteilt, die Polizei habe verboten, sie weiter als Gäste zu beherbergen.

China hat erstmals Angaben über die Proteste außerhalb Tibets gemacht. Es habe seit Samstag in verschiedenen Bezirken der Provinzen Sichuan und Gansu Unruhen gegeben, meldete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am Donnerstag. Mit Steinen und Benzinbomben bewaffnete Aufständische hätten Regierungsgebäude, Polizeiwachen, Krankenhäuser, Schulen, Geschäfte und Märkte gestürmt. Behördenvertreter und Polizisten seien verletzt worden, es sei massiver Sachschaden entstanden. Die chinesischen Behörden hätten "mit massiver Zurückhaltung" auf die Proteste außerhalb Tibets reagiert, hieß es in dem Bericht weiter. Am Mittwochabend sei die Lage weitgehend ruhig gewesen. Von tibetischen Opfern war in dem offiziellen Bericht nicht die Rede. (kap)

Musste dem chinesischen Druck nachgeben: Georg Blume (Foto: Archivbild/dpa)
Musste dem chinesischen Druck nachgeben: Georg BlumeBild: picture-alliance/ dpa