Der Helfer
22. August 2016Wedig von Heyden ist ehemaliger Generalsekretär des Deutschen Wissenschaftsrats und lebt am Rande von Bonn. Seine Nachbarschaft besteht aus netten Reihenhäusern und perfekt gepflegten Gärten.
"Kann ich Ihnen einen Tee anbieten?", fragt von Heyden. Er geht die Treppe hinauf zu einem Zimmer voller Bücher. Eine Zimmerpalme steht in dem ansonsten spärlich eingerichteten Raum, vom Balkon aus kann man den Nachbargarten sehen. Von Heyden, ein gebürtiger Hamburger, war 45 Jahre lang in der Hochschul- und Wissenschaftspolitik tätig und hat auch im Wissenschaftsministerium in Bonn gearbeitet.
Die Bereitschaft, zu helfen
Einige Jahre, nachdem er 2008 in Rente gegangen war, hörte er von Flüchtlingen, die das Mittelmeer überquerten und nach Deutschland kamen. "Da dachte ich, ein Mensch wie ich, der hat Zeit. Ich lebe in angenehmen Umständen. Und Freiwilligenarbeit ist doch durchaus eine sinnvolle Tätigkeit", erzählt er.
Daraufhin ging er zur katholischen Hilfsorganisation Caritas. "Die haben wohl gedacht: 'Oh, das ist ein alter Mann!' Aber irgendwie hat es geklappt. Und dann haben sie mich gefragt, ob ich mir vorstellen kann, einen jungen Syrer, der gerade nach Deutschland gekommen war, zu betreuen - und das tue ich seitdem, seit knapp zwei Jahren", sagt von Heyden.
Es gibt keine offiziellen Angaben zur Anzahl von Freiwilligen, die Flüchtlingen in Deutschland helfen. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung könnten es zwischen 500.000 und einer Million Menschen sein.
Rentner spielen bei der Flüchtlingshilfe eine immer größere Rolle, heißt es in der Studie. Ein Beispiel ist die große Anzahl pensionierter Akademiker, die Flüchtlingen Deutschunterricht geben. Häufig wenden sie sich direkt an die Flüchtlingsheime, wo sie Kontakt zu Migrantenfamilien herstellen können.
Hoffnungen und Herausforderungen
Von Heydens Schützling Nidal Rashow hat das geschafft, wovon alle Flüchtlinge träumen. Der 30-Jährige hat einen Teilzeitjob beim Jugendamt der Stadt Bonn und studiert Sozialarbeit. Er hofft, mit dem Studienabschluss einen besser bezahlten Job zu finden.
Von Heyden half dem Flüchtling dabei, sich durch das bürokratische Labyrinth in Deutschland zu kämpfen, Arbeit zu finden, Deutsch zu lernen und sich weiterzubilden. Rashow hat auch viele seiner Mitflüchtlinge mit von Heyden zusammengebracht.
Mittlerweile kümmert sich der Pensionär um etwa 20 Syrer. "Ich betreue sie in der einen oder anderen Form - natürlich nicht so umfassend wie den Nidal. Meistens geht es um Ärzte und Wohnungen", sagt er. Es habe noch nie Probleme gegeben - er müsse die Migranten nur immer wieder daran erinnern, ihre Impfungen aufzufrischen.
Wahrscheinlich liege es an seinem Alter, dass er kaum Probleme mit den Flüchtlingen habe, sagt von Heyden. "Alte Leute sind immer Respektspersonen" - und außerdem kenne er sich eben sehr gut mit der deutschen Bürokratie aus. "Ich kenne die Mentalität der Bürokraten. Ich denke, das ist teilweise schon ein harter Job. Sie haben Tag für Tag mit Menschen zu tun, die weinen, schreien oder mit verständnislosem Gesicht vor ihnen stehen", sagt er.
Pessimismus bei vielen älteren Deutschen
Von Heyden ist bei seinen Bemühungen, Migranten in die deutsche Gesellschaft zu integrieren, erfolgreich. Und er hat sich seinen Optimismus bewahrt - trotz der jüngsten Terroranschläge und der wachsenden Gewalt gegen Flüchtlinge.
"Es hat da keinerlei Veränderungen gegeben, weder bei mir, noch bei den Syrern. Außer dass ich natürlich glaube zu bemerken, dass sie teilweise ein bisschen verunsichert sind, weil sie Sorge haben, dass sie jetzt mit diesen Kerlen in einen Topf geworfen werden", sagt er.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) befragte vor kurzem 2000 Menschen zu Flüchtlingen in Deutschland. Die Umfrage zeigte, dass Menschen zwischen 30 und 39 Neuankömmlingen skeptisch gegenüber stehen. Teenager und Befragte zwischen 60 und 69 waren zuversichtlicher. Umfrageteilnehmer im Osten Deutschlands waren skeptischer als die im Westen.
Die Studie ergab außerdem, dass Teilnehmer, die den Flüchtlingsstrom eher pessimistisch sehen, älter waren und einen niedrigeren Bildungsstand hatten als die mit einer optimistischen Einstellung. Die Pessimisten waren besorgt über wachsenden Extremismus, weniger Integrationsmöglichkeiten für Flüchtlinge und finanzielle Schäden für Anwohner.
Kann Deutschland es schaffen?
Von Heyden glaubt, dass Deutschlands boomende Wirtschaft ein Grund für den guten Willen ist, den viele Deutsche gegenüber Flüchtlingen zeigen. Er denkt, dass Deutschland das "Wir schaffen das"-Versprechen von Kanzlerin Angela Merkel gehalten hat.
"Es gibt natürlich ein paar Probleme, aber das heißt ja nicht, dass wir es nicht geschafft haben", sagt Wedig von Heyden. "Wenn die Deutschen bei dieser relativen Offenheit bleiben, bei den Flüchtlingen die jetzt hier sind und bei dem relativ vielen Geld, dann schaffen wir das. Ganz anders wird das entweder wenn wieder eine Million Flüchtlinge kommen - dann wird es sehr schwierig, auch von der Aufnahmebereitschaft der Gesellschaft her. Oder, noch schlimmer, wenn wir eine Wirtschaftskrise kriegen. Dann ist das Geld nicht mehr da."