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Der Horror im Kiosk

Patrick Tippelt28. März 2005

Rauchen kann töten, das weiß auch das Gesundheitsministerium in Thailand. Mit drastischem, aber gutem Beispiel geht es voran – wenn da nur nicht das Finanzamt noch seine Finger im Spiel hätte.

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Der aufgeschnittene Brustkorb einer männlichen Leiche entblöβt geschwärzte Lungen. Ein ausgemergelter Mann siecht auf einer Intensivstation vor sich hin. Ein dem medizinischen Gruselkabinett entnommenes Gebiss lächelt jedem entgegen, der in einem Kiosk zu nahe an den Zigarettenstand gerät: Seit 25. März sind sämtliche Tankstellen, 7-Eleven-Läden und eigentlich jeder Ort, an dem Zigaretten verkauft werden, nur noch bedingt jugendfrei.

Tödliche Bilder

Thailand möchte gesunden, und weil Studien belegen, dass fast 22 Millionen Thailänder Tag für Tag rauchen – die Gesamtbevölkerung des Landes liegt bei etwas über 60 Millionen – versucht das Gesundheitsministerium jetzt, die Bevölkerung durch härteste Mittel vom Rauchen abzuhalten. Sechs farbige Bilder samt Totenköpfen und einem im Qualm erstickenden Kleinkind bedecken die Hälfte jeder Seite einer Zigarettenschachtel, gepaart mit Aussagen wie "Rauchen kann töten", "Zigarettenrauch verursacht Lungenkrebs" und "Tabakrauch schädigt Babys". Dem Gesundheitsministerium zufolge sollen so die Qualmer und die, die noch vorhaben anzufangen, abgeschreckt werden.

Die Gesundheitshüter fangen gerade erst an: So sollen bald rauchfreie Zonen, bisher limitiert auf Parks, Flughäfen, klimatisierte öffentliche Gebäude und Restaurants mit ausschlieβlich geschlossenen Räumen, ausgedehnt werden. Es sollen auch Nikotin- und Teerwerte auf die Zigarettenpackungen gedruckt werden – was bisher nur auf importierten Schachteln zu lesen ist, erhältlich in den Duty Free-Läden am Flughafen Bangkoks. Die Regierung schlieβlich plant, härter gegen Zigarettenschmuggler und -fälscher durchzugreifen.

Schon wurden findige Kleinstunternehmer – sprich: Straβenhändler – gesichtet, die Zigarettenetuis darbieten. Immerhin sind sich viele Raucher in Thailand einig darüber, dass die neuen Schachteln hässlich sind. Ob die drastischen Fotos aber tatsächlich jemanden vom Rauchen abbringen werden, bleibt noch abzuwarten. Immerhin ist Thailand weltweit erst das vierte Land, das diese Praktik einführt, nach Kanada, Brazilien und Singapur. Allerdings ist es in Thailand höchste Zeit, gegen die allgemeine Nikotinsucht vorzugehen. Die Anzahl von Rauchern steigt seit Jahren kontinuierlich, besonders unter Jugendlichen, und das heiβt hierzulande ab 11 Jahren. 125 Thailänder sterben täglich an Krankheiten, die durch Rauchen verursacht werden. Fast jeder Zehnte leidet unter Lungenkrebs, Herzschwäche und den Nachfolgen von Infarkten.

Vater Staat und der doppelte Salto

Da die neue Regelung letzten November durchs Parlament abgesegnet wurde, hatten die Zigarettenhersteller eigentlich genug Zeit, sich umzustellen. Doch diese baten das Gesundheitsministerium Mitt März, ihnen noch vier Monate Zeit zu geben, denn sie hätten noch zu viele alte Schachteln auf Lager. Und prompt erlaubten die Gesundheitshüter den Zigarettenproduzenten, noch schnell die alte, unbebilderte Ware unters Volk zu schieben. Immerhin dürfte es nicht lange dauern, bis sich alle Lagerhallen der Hersteller leeren: Mehr als 100 Millionen Zigaretten verqualmen die Thailänder täglich – anderthalb Zigaretten in jedem Rachen des Landes.

Warum das Gesundheitsministerium so schnell den Bitten der Zigarettenindustrie nachgab, wird einem deutlich, wenn man bedenkt, dass jede Zigarette, die im Land geraucht wird, vom thailändischen Tabak-Monopol gedreht wird. Diese Firma untersteht direkt dem thailändischen Finanzministerium. Vater Staat also macht doppelt Geld mit jeder Zigarette: Zwar verdient er sich an den Tabaksteuern allein schon dumm und dämlich, aber auch der nicht geringe Profit, der mit der Nationalsucht Nummer 2 – nach dem Alkoholgenuss – gemacht wird, wandert direkt in die staatliche Tasche, aus der das Gesundheitsministerium seine finanziellen Mitteln schöpfen muss, um den Nikotinsüchtigen mit unappetitlichen Bildern jedweden "Genuss" garstig zu machen. Man könnte es auch inter-ministerielle Kooperation nennen, wäre das Thema nicht so ernst.