Der Kampf um den Goldenen Reis
29. Januar 2014Unser Reis kann Leben retten, sagen die deutschen Biologen Peter Beyer und Ingo Potrykus. Vor allem das vieler Kinder in Entwicklungsländern, die aufgrund von Vitamin-A-Mangel schwer krank werden und schneller an Infektionskrankheiten wie etwa den Masern sterben. 15 Jahre ist es her, dass Beyer, Professor an der Universität Freiburg, und Potrykus, emeritierter Professor der ETH Zürich, den sogenannten Goldenen Reis entwickelten - ein gentechnisch verändertes Lebensmittel mit gelblicher Farbe.
Auf dem Markt erhältlich ist der Reis noch nicht. Peter Beyer hofft, dass er 2014 auf den Philippinen zugelassen wird, wie er gegenüber der DW sagt. Dort wird der Reis zur Zeit getestet.
Der Goldene Reis enthält viel Beta-Carotin (auch Provitamin A genannt), das der Körper in Vitamin A umwandelt und das ansonsten vor allem in Gemüse vorkommt. Rund 250 Millionen kleine Kinder, so schätzt die Weltgesundheitsorganisation WHO, leiden an Vitamin-A-Mangel. Pro Jahr erblinden 250.000 bis 500.000 von ihnen aufgrund dieses Mangels, jedes zweite Kind stirbt binnen einem Jahr nach der Erblindung. Betroffen sind insbesondere Menschen in armen Ländern Afrikas und Südostasiens.
Verzögerungen durch Gentechnik-Gegner
Der Weg zur Zulassung des Produkts ist lang. Zunächst wurde der Prototyp in jahrelanger Kleinarbeit optimiert, dann folgten Freilandversuche. Nun steht das Zulassungsverfahren für einen Anbau auf den Philippinen an, für das die bei den Versuchen gesammelten Daten ausgewertet werden.
Doch es gibt auch erheblichen Widerstand gegen die Einführung des Genreises. Im Sommer 2013 zerstörten Aktivisten eines der Versuchsfelder auf den Philippinen. Die Gegner des Projekts haben erhebliche Zweifel, dass das Problem des Vitamin-A-Mangels mit Goldenem Reis gelöst werden kann. Zudem glauben sie an eine PR-Strategie der Biotech-Industrie, um unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit in Entwicklungsländern Fuß zu fassen. Mit dem Goldenen Reis wolle sie sich als Wohltäter profilieren, sagte etwa der Gründer der Verbraucherorganisation Foodwatch, Thilo Bode, im DW-Gespräch.
Wohltätige Industrie - gibt es das?
Ein Vorwurf, den der britische Journalist Mark Lynas im Zusammenhang mit Gentechnik schon oft gehört hat. Lynas, einst selbst Gentechnik-Gegner, ist mittlerweile von den Vorzügen des Goldenen Reises überzeugt. "Es gibt viele Verschwörungstheorien, so ist das oft in Gentechnik-Debatten. Die Gegner versuchen zu zeigen, dass alles ein Komplott der bösen Industrie ist. In Wirklichkeit ist es so, dass der Goldene Reis der Allgemeinheit gehört und mit öffentlichen Mitteln finanziert ist."
Völlig ohne Hilfe der Industrie ging es aber nicht: Beyer und Potrykus holten in der frühen Entwicklungsphase den Agrarchemie- und Saatgut-Konzern Syngenta mit ins Boot, der auch Patentinhaber des Goldenen Reises ist. Syngenta hat jedoch mittlerweile kein Interesse mehr an der Vermarktung des Genreises und erlaubt Kleinbauern den Reis lizenzfrei anzubauen, wie es auf der Webseite des Golden Rice Humanitarian Board heißt, das die Forschung am Goldenen Reis und die Kommunikation dazu koordiniert. Dem Gremium gehören auch Beyer und Potrykus an.
Tabletten statt Reis
Dass Gentechnik-Betriebe sich quasi als Wolf im Schafspelz neue Geschäftsfelder erschließen könnten, ist nicht die einzige Befürchtung der Gegner. Sie vermissen Belege dafür, dass der Körper das Provitamin A aus dem Reis überhaupt in ausreichendem Maß verwerten kann und dass es auch nach längerer Lagerung der Reiskörner erhalten bleibt.
Und selbst wenn all dies der Fall sei - wie könne sichergestellt werden, dass der Vitamin-A-Reis auch wirklich zu denjenigen komme, die ihn am dringendsten brauchen, fragt Thilo Bode. Der Reis werde letztlich von privaten Händlern verkauft. "Auf den Philippinen gibt es viele Reissorten, die auch eine gelbliche Farbe haben. Wie kann also garantiert werden, dass wirklich der 'Goldene Reis' verkauft wird?"
Die WHO setzt derzeit im Kampf gegen den Vitamin-A-Mangel vor allem auf die Verteilung von Tabletten. Das hält auch Thilo Bode für eine geeignete Maßnahme, weil das Mittel gegen den Mangel direkt zu den Betroffenen gebracht werde. "Die Verteilung wird durch Gesundheitsämter oder Sozialstellen organisiert und nicht privaten Händlern überlassen." Peter Beyer hält dem entgegen, dass diese und ähnliche Maßnahmen der WHO das Problem bislang offenbar noch nicht gelöst hätten.
Ob und wann der Goldene Reis auf den Philippinen angebaut werden kann, hängt zunächst nun von der Entscheidung über die Zulassung ab. Die notwendigen Unterlagen werden demnächst bei den philippinischen Regierungsbehörden eingereicht. Bis der Goldene Reis dann zu den Bauern kommt und die breite Bevölkerung erreicht, können durchaus noch einige Jahre vergehen.