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Berlin: Was tun, damit das Wasser nicht ausgeht?

Jennifer Collins
19. September 2018

Klimawandel und Bevölkerungswachstum zwingen die Stadt Berlin dazu, ihre Wasserversorgung zu überdenken. Der übermäßig heiße und trockene Sommer 2018 zeigt, dass die Zeit drängt.

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Berlin Schiff auf der Spree
Bild: Imago/Rolf Zöllner

Jens Feddern ist so etwas wie Berlins oberster Wassersommelier. Im Wasserwerk Wuhlheide, im Osten der Stadt, hält er ein langstieliges Glas in die Höhe wie ein Weintester. Er riecht an der klaren Flüssigkeit und nimmt einen Schluck.

Berlin hat insgesamt neun solcher Wasserwerke. In jedem Teil der Stadt schmeckt das Wasser anders, sagt Feddern. Hier in Wuhlheide ist es spritzig und frisch. Woanders könnte es auch etwas moosiger sein.

Seit 1987 beschäftigt sich der Ingenieur mit dem Berliner Wasser. Heute ist er Direktor der Versorgungsabteilung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) und muss wissen, wovon er redet, denn die Stadt braucht Wasser und die Menschen vertrauen darauf, dass ihr kühle Erfrischung zuverlässig aus dem Hahn sprudelt.

Das Wasser in Wuhlheide wird aus 40 Metern Tiefe nach oben gepumpt.

Insgesamt versorgen BWB 3,7 Millionen Berlinerinnen und Berliner mit Wasser. Alle zusammen verbrauchen knapp 550.000 Kubikmeter des kühlen Nass am Tag. Das ist in etwa so viel, wie das Fassungsvermögen von 220 olympischen Schwimmbecken.

alte, blaue Metallpumpen in einem riesigen Raum
Alte Pumpen im Wasserwerk Wuhlheide - das Areal wurde zwischen 1911 und 1916 erbaut, heute steht es unter DenkmalschutzBild: DW/Jennifer Collins

In heißen Sommern, wie dem im Jahr 2018, schnellt der Verbrauch leicht auf die doppelte Menge, weil die Stadtbewohner mehr Wasser zum Duschen verbrauchen und häufiger ihre Pflanzen gießen.

Normalerweise sind solche Hochphasen selten und dauern kaum länger als ein paar Tage. Die Brunnen werden nicht überstrapaziert und haben genug Zeit, sich zu regenerieren. 2018 allerdings sah das anders aus. Anhaltende Regenschauer hat die Stadt seit Februar nicht mehr gesehen und die Temperaturen lagen seit April über dem üblichen Durchschnitt.

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"Das System, so wie wir es jetzt haben, hat so etwas noch nicht erlebt. Es ist dafür nicht gedacht”, sagt Feddern. Früher sei man so eine Art 100-Meter-Läufer während heißer Phasen gewesen. Heute müsse das System darauf vorbereitet sein, längere Hitzeperioden auszuhalten.

In den letzten Monaten hat das funktioniert. Dem Langstreckenläufer ist die Puste sozusagen nicht ausgegangen. Das liege vor allem an Investitionen in das Versorgungsnetz, an sorgfältigem Management und erfahrenem Personal, sagt Feddern. Aber ohne eine Portion Glück sei es auch nicht abgegangen, fügt er hinzu.

Glück bedeutet, dass keine Rohre geplatzt sind und auch die Brunnen die wochenlange Belastung ausgehalten haben. Glück bedeutet auch, dass es keine Stromknappheit gab.

Wenn aber lange, heiße Sommer die Regel werden, wird die Infrastruktur der Stadt mit dem Langstreckenläufer mithalten können?

Sind trockene, heiße und lange Sommer nun die Regel?

Weiter im Westen Berlins sitzt Jörg Riemann in einem luftigen, hellen Büro. Der Chefmeteorologe des Startups Wettermanufaktur verfolgt die Kapriolen des Wetters von seinem Computer aus. Früher hätten Dürren wie diese zum Hungertod geführt, sagt er. Aber die Industrialisierung habe diese Auswirkungen abgemildert. Das letzte Mal, erinnert er sich, hatte eine Sommertrockenheit 1976 ähnliche Auswirkungen in Deutschland.

Ein Mann sitzt draußen vor einer Kulisse aus Holz
Jörg Riemann von Wettermanufaktur sieht eine zunehmende Tendenz für extremere Wettersituationen in DeutschlandBild: Wettermanufaktur

"Die Getränke wurden knapp, zumindest in der ehemaligen DDR", sagt Riemann. Sein Unternehmen erstellt Prognosen, die Städten unter anderem dabei helfen sollen, mit extremer Hitze und Dürren, aber auch mit Schnee und Eis umgehen zu können.

Und Anpassungskonzepte scheinen dringend notwendig. Die Periode zwischen April bis August 2018 wird als sonnigste, trockenste und wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen an der Potsdamer Wetterstation im Jahr 1893 in die Geschichte eingehen.

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Die Faktoren, die hier zusammenkommen sind, sind sehr selten. Laut Wettermanufaktur treten sie nur alle 200 bis 400 Jahre auf.

Deutschland stehe seit dem Frühjahr unter dem Einfluß einer "knochentrockenen Ostlage", die dazu auch noch sehr warm sei, so Riemann. Ein Ende sei derzeit nicht in Sicht. Auch die letzten Jahre hätten eine "Neigung zu Extremen" gezeigt, ergänzt er.

Ist nun der Klimawandel Schuld an der Entwicklung? Erstmal sei es das Wetter, sagt Riemann. Ein Jahr sei nicht ausreichend für Forscher, um zu einer Entscheidung zu kommen. Stattdessen müssten Trends über Jahrzehnte betrachtet werden. Tatsächlich legen kürzlich veröffentlichte Studien nahe, dass es eine Verbindung zwischen der Dürre in Europa und der Erderwärmung gibt.

Das Klima: Wie alles zusammenhängt

Sicher ist zumindest, dass die Kombination aus Rekord-Sonnenstunden und der dadurch auftretenden Verdunstung, gepaart mit Niederschlagsmangel und hohen Temperaturen über einen langen Zeitraum zu ungewöhnlich trockenen Böden geführt hat und auch zu einem deutlichen Rückgang des Grundwasserspiegels.

Ein ausgetrocknetes Gewässer in Brandenburg
Die Auswirkungen des langen, heißen und trockenen Sommers sind an Flüssen und Seen überall in Deutschland zu erkennenBild: picture-alliance/A. Franke

"Wir sind deutlich niedriger, als wir eigentlich sein dürften", so Feddern. Stetiger Regen würde helfen.

Auf dem Trockenen wird Berlin allerdings wohl nicht so schnell sitzen. Denn zwei Drittel des Grundwassers der Stadt speisen sich aus der "Uferfiltration", also aus dem Wasser, das aus den Flüssen der Stadt durch den Boden sickert.

Während außergewöhnlich heißen und trockenen Sommern, in denen die Flüsse weniger voll sind, hat Berlin außerdem die Möglichkeit, Wasser durch verschiedene Dämme zu stauen. Dadurch werden die Wasserspiegel künstlich erhöht und geben auch dem Grundwasserspiegel einen Schub.

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Auch wenn das gut für die Menschen in der deutschen Hauptstadt zu sein scheint, für das Leben im Wasser ist es alles andere als optimal, sagt Werner Kloas vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin.

"Wir haben dann eben das Problem, dass die Fische nicht wirklich ausweichen können", sagt der Leiter der Abteilung Ökophysiologie und Aquakultur am IGB. "Es gibt zu viele geregelte oder aufgestaute Gewässer."

Je wärmer es wird, desto weniger gut kann Wasser Sauerstoff aufnehmen, sagt Kloas. Bereits jetzt leide das Wasserleben in der Stadt. Sollten Dämme zum Einsatz kommen, verlangsame das die Strömung und mache damit die Sauerstoffversorgung noch schwieriger.

Als Lösung für das Problem schlägt er deshalb sogenannte Fischleitern vor, damit die Tiere sich trotz Wasserstauung fortbewegen können.

Mit Wassersicherheit in die Zukunft

An vielen ihrer Wasserstellen gebe es eine hohe Artenvielfalt, heißt es von den Berliner Wasserbetrieben. Man setze sich auch für Schutz von Tieren wie Ottern und Fröschen ein. Jens Feddern sagt, dass er mit der Stadtverwaltung an einem "Masterplan Wasser" arbeite, damit auch in Zukunft die Wasserhähne nicht versiegen.

Ein besonderes Augenmerk gelte dabei dem Bevölkerungswachstum der Stadt und der Frage, wo neue Brunnen gebaut werden können, ob das Leitungsnetz anpassungsfähig genug ist, um mit extremer Hitze oder Regenfällen fertig zu werden und ob die Kapazitäten der Wasserwerke Berlins erhöht werden sollen.

Die BEW erheben und analysieren deshalb eine ganze Reihe von Daten. Das Ziel ist herauszufinden, wo investiert werden muss, um besser auf Extreme reagieren zu können. "Das war jetzt ein außergewöhnlicher Sommer", sagt Feddern. "Und er ist es noch. Wir sehen, dass sich etwas geändert hat."