ARD schließt Büro in Gaza
30. Juli 2008Die deutsche Rundfunkanstalt ARD hat nach eigenen Angaben vom Mittwoch (30.07.2008) ernstzunehmende Hinweise darauf, dass ihr von der Hamas festgenommener palästinensischer Mitarbeiter Sawah Abu Saif gefoltert worden sei und noch werde. Der Gesundheitszustand des Kameramanns sei nach ARD-Informationen kritisch. Deshalb zieht der Senderverbund nun die Konsequenzen und schließt sein Korrespondentenbüro in Gaza, bis der Mitarbeiter freigelassen wird und sicher zu seiner Familie zurückgekehrt ist. Saif war nach ARD-Angaben in der Nacht zum Samstag von vier maskierten Mitgliedern der Hamas-Bewegung in seiner Wohnung in Gaza festgenommen worden.
Sofortige Freilassung gefordert
Der ARD-Vorsitzende Fritz Raff forderte die Hamas nochmals nachdrücklich auf, Abu Saif sofort freizulassen, und fügte hinzu: "Wir bitten alle, die vor Ort etwas ausrichten können, sich für Sawah Abu Saif einzusetzen." Zur Begründung der Festnahme hatte die Hamas erklärt, der Kameramann sei Aktivist der Fatah. Raff bezeichnete diesen Vorwurf als "absurd". Die gegen Abu Saif gerichteten Vorwürfe seien "haltlos". "Unter den gegebenen Umständen ist journalistisches Arbeiten in Gaza nicht mehr möglich", betonte Raff.
Auch der Fernsehdirektor des Bayerischen Rundfunks, Gerhard Fuchs, verwahrte sich gegen die Vorwürfe der Hamas: "Sawah Abu Saif ist ein äußerst zuverlässiger Kollege. Er hat unser vorbehaltloses Vertrauen. Er und seine Kollegen setzen sich für eine faire Berichterstattung aus dem Krisengebiet ein." Wenn der Schutz der Mitarbeiter vor Ort nicht gewährleistet sei, müsse gehandelt und das Büro geschlossen werden. Der Bayerische Rundfunk ist in der ARD für das Büro in Gaza zuständig.
Pressefreiheit bedroht
Am Dienstag hatte auch die Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" die umgehende Freilassung des Kameramanns verlangt. "Wir verurteilen die willkürliche und unberechtigte Festnahme Saifs", erklärte die Organisation. Seit die Hamas im Juni 2007 die Macht im Gazastreifen übernommen habe, seien mehr als 50 Journalisten dort und im Westjordanland festgenommen worden. Auch die Fatah hält demnach verschiedene Journalisten gefangen. Auf der von "Reporter ohne Grenzen" herausgegebenen "Rangliste der Pressefreiheit" befinden sich die palästinensischen Gebiete auf Rang 158 von insgesamt 169.
Die rivalisierenden Organisationen Hamas und Fatah liefern sich in den Palästinensergebieten seit langem heftige Auseinandersetzungen. Der Konflikt flammte wieder auf, als am Freitag eine Serie tödlicher Bombenanschläge den Gazastreifen erschütterte. Bei den Explosionen kamen sieben Menschen ums Leben, darunter fünf Hamas-Mitglieder und ein kleines Mädchen. Die Hamas warf der Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas vor, hinter der Tat zu stehen. Die Fatah wies die Anschuldigungen zurück. Drei wichtige palästinensische Zeitungen berichteten hingegen, Hintergrund der Bombenserie sei ein interner Konflikt der Hamas. Die Hamas reagierte prompt und verbot am Montag die Verbreitung der Zeitungen im Gazastreifen.
Eskalation zwischen Hamas und Fatah
Bei einer Großrazzia setzte die Hamas am Samstag mehr als 160 Fatah-Mitglieder fest. Darauf reagierte Fatah am Sonntag mit der Festnahme von 50 Hamas-Anhängern im Westjordanland. In der Nacht zum Sonntag kam es auch zu Zusammenstößen zwischen Hamas und der sogenannten Armee des Islam. Der militärische Hamas-Arm drohte zudem am Sonntag Israel mit Racheanschlägen, nachdem die Armee in Hebron ein ranghohes Hamas-Mitglied getötet hatte. Mitglieder der "Armee des Islam" hatten 2007 den BBC-Reporter Alan Johnston verschleppt und fast vier Monate festgehalten. (kle)