Der letzte Regierungs-Grüne geht
6. März 2018Das Schreiben ist höflich in der Form und doch klar in der Sprache: "Von einem Staatsekretär wird zu Recht erwartet, dass er sich in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen Politiken und Zielen der Regierung befindet. Ich kann das von mir in Zukunft nicht mehr behaupten", schreibt Rainer Baake an den CDU-Politiker Peter Altmaier, der demnächst das Wirtschaftsministerium in Berlin leiten wird. Seit 2014 ist Baake dort Staatssekretär, zunächst unter dem SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, dann unter dessen Nachfolgerin Brigitte Zypries, ebenfalls SPD. In der Öffentlichkeit ist Baake kaum bekannt, er sitzt in keiner Talkshow und gibt höchst selten Interviews. Und doch ist er einer der einflussreichsten Staatssekretäre in Berlin. Und Mitglied der Grünen, was an sich schon eine Besonderheit ist. Denn regiert wurde Deutschland zuletzt von CDU, CSU und SPD. Baake gehörte dieser Regierung an, weil sein Sachverstand gefragt war.
Baake wollte einen viel schnelleren Kohleausstieg
Tatsächlich wäre es extrem unwahrscheinlich gewesen, dass Altmaier Baake im Amt belassen hätte. So gesehen nutzte Baake jetzt seine Ablösung, um noch einmal auf seine Kernanliegen aufmerksam zu machen. Schon vorher hatte sich der Grünen-Politiker nicht überall Freunde gemacht: Er verlangte ein viel schnelleres Ende etwa der klimaschädlichen Braunkohle. Und ersann Pläne für eine Klimaabgabe auf die Kohle, was auch die SPD und die Gewerkschaften auf den Plan rief. Die Idee verlief im Sande, eine große Enttäuschung für Baake.
Die neue Regierung hat in ihrem Vertrag hat zum Thema Zukunft der Braunkohle nur vage Andeutungen gemacht, obwohl klar ist, dass vor allem die Braunkohlekraftwerke die deutsche Klimabilanz zuletzt getrübt hatten: Die Emissionen stiegen teilweise sogar wieder. Anders als von Experten gefordert, nennt der Koalitionsvertrag kein Ausstiegsdatum für die Kohle, auch das Ziel, bis 2020 40 Prozent an Klimagasen einzusparen, wird faktisch aufgegeben.
Ausstiegsplan für die Atomenergie unter der Dusche ersonnen
Und deshalb schrieb Baake jetzt auch an Altmaier, der Koalitionsvertrag von Union und SPD sei aus seiner Sicht in den Bereichen Energiewende und Klimaschutz eine "herbe Enttäuschung". Die Regierung verpasse die Chance einer umfassenden Modernisierung der deutschen Volkswirtschaft. Der Umstieg von fossilen Kraftwerken auf erneuerbare Energien werde viel zu zögerlich angegangen: "Die Kräfte, die nicht zukunftsfähige, klimaschädliche Strukturen im Kraftwerks-, Gebäude- und Mobilitätssektor möglichst lange konservieren wollen, waren offenbar stärker", so Baake.
Schon von 1998 bis 2005 war Baake Staatssekretär, damals im Umweltministerium mit dem Grünen Jürgen Trittin an der Spitze. Er war Architekt des Atomausstieges: Unter der Dusche soll dem heute 62-jährigen damals die Idee gekommen sein, dass die Atomkraftwerke ihre Strommengen, die sie bis zum Abschalten noch produzieren dürfen, untereinander tauschen können. Auch den Ausbau von Sonnen-und Windenergie mit heute fast 30 000 Windanlagen quer im Land steuerte Baake von der Spitze her.
Ein Dorn im Auge der Konservativen
Aber 2005 war für ihn wie für die Grünen Schluss mit der Macht in Berlin, das Umweltministerium übernahm für die SPD Sigmar Gabriel, heute Außenminister. Der bat Baake damals still und heimlich, ihn in die Umweltpolitik einzuarbeiten, was Baake tat. "Das werde ich dir nicht vergessen und mache es irgendwann einmal gut", soll Gabriel gesagt haben. Und löste sein Versprechen 2014 ein, als er neuer Wirtschaftsminister wurde. Baake kam erneut ins Amt, diesmal im Wirtschaftsressort mit Zuständigkeit für die Erneuerbaren Energien.
Der Widerstand der Energiewirtschaft und auch der CDU war erheblich, aber Gabriel setzte die Personalie durch. Eine kleine Sensation: Eine Große Koalition mit einem grünen Staatssekretär. Der war dann auch die ganzen vier Jahre lang den Konservativen ein Dorn im Auge: Diverse CDU-Politiker forderten in den vergangenen Tagen bereits, der neuen Regierung dürfe Baake auf keinen Fall mehr angehören.
Opposition bedauert den Rückzug
Umweltgruppen und die Grünen bedauerten Baakes Ausstieg, die CDU begrüßte ihn. Baake wird sich sicher weiter zu den Themen Klima und Energie äußern: In den Jahren 2005 bis 2014, als er der Regierung nicht angehörte, war Baake für die Deutsche Umwelthilfe aktiv, die jetzt eine entscheidende Rolle im Dieselskandal spielte und per Klage vor Gericht mögliche Fahrverbote in einigen Städten durchsetzte. Eine streitbare Persönlichkeit wird Baake also auch ohne Amt bleiben.