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Der letzte Star

8. Juli 2009

Michael Jackson hinterlässt drei Kinder und mehrere hundert Millionen von Fans. Was bleibt ist Wehmut, kommentiert Volker Wagener.

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Michael Jackson als Kind
Bild: AP

Warum noch über ihn reden? - Weil er eine Pop-Ikone war? Weil er schneller und öffentlicher lebte als wir? Weil er starb wie Stars enden, denen noch im Tod gehuldigt wird? - Eben zu früh, zu mysteriös, zu traurig! Elvis Presley, Marilyn Monroe und auch John Lennon starben so. Die Nachwelt hatte reichlich Stoff für Legendenbildung. Und doch ist bei ihm alles anders.

Das Ende des analogen Zeitalters

Zunächst: Noch im Tod schlägt Jacko alle Rekorde. Niemals zuvor hat eine Todesnachricht so weltumspannend gewirkt. Das Internet stand einen ganzen Tag lang am Rande seiner Belastbarkeit. Weinende Chinesen, fassungslose Afrikaner, tieftraurige Brasilianer: Millionen trösteten sich via Facebook.

Bildergalerie Michael Jackson
Bild: picture-alliance / dpa

Michael Jackson war der erste und vermutlich der letzte Weltstar im Sinne des Wortes. Mit ihm geht endgültig die Ära des analogen Zeitalters unter, in dem Erfolg an verkauften Tonträgern gemessen wurde. Heute, im Zeitalter der Downloads, ist die globale Musikgemeinde kleinteilig und unüberschaubar. Seine lasziven Hüftschwünge wurden von Alaska bis in die mongolische Wüste kopiert, sein Werbe-Clip für Pepsi-Cola war sogar im kommunistischen Russland Kult. Er war der Erfinder einer Musik-, Tanz- und Formensprache die system-, religions- und generationsübergreifend zündete. Und wie!

Die Gigantonomie geht weiter

Michael Jackson sprengte alle Dimensionen. 350.000 sahen ihn in Prag – Was sind dagegen die 250.000 von Woodstock 1969? Er verkaufte die meisten Alben (750 Millionen), kassierte die höchsten Gagen, sprengte alles technisch je Dagewesene auf der Bühne. Und die Gigantonomie geht weiter: Mehr als 1,6 Millionen Fans bewarben sich um die 17.000 Eintrittskarten für seine Trauerfeier. Weit über eine Milliarde wohnten der "Welt-Beerdigung" in Los Angelos via Fernseher bei. Michael Jackson, der erste und vermutlich letzte universelle Star. Die Schüsse auf J.F. Kennedy, die Mondlandung: Ereignisse aus der medialen Steinzeit!

Und dann die ganz persönliche "Erfolgs-Tragödie". Sein Aufstieg und Fall waren aus dem Stoff, aus dem normalerweise Literaten und Regisseure Geschichten schmieden, Fiktion eben. Michael Jackson lebte die Fiktion. Er erfand sich neu. Am Ende war er alles und gar nichts: Schwarzer und Weißer. Mann, aber mit unklarer Sexualität. Erwachsener, aber auch Kind. Der Preis der Metamorphose stand ihm buchstäblich im Gesicht geschrieben. Der Schwarze Michael Jackson wollte weißer als die Weißen sein, so schien es. Sein Körper war in der zweiten Hälfte seines kurzen Lebens ein einziges Versuchslabor für "Künstler" der plastischen Chirurgie. Nase, Haare, Haut – nichts ließ Jackson unangetastet, nichts blieb im Originalzustand. Ein teuflischer Versuch, anders zu sein.

Kollektive Erinnerung

Was aber bleibt ist Wehmut. Für die Generation der 30- bis 55jährigen von Anchorage bis Shanghai ist sein Tod Anlass für nostalgische Rückschau auf die eigene Vergangenheit. Man musste kein Fan von ihm sein, Michael Jackson war und bleibt ein Symbol der 80er und 90er Jahre. Seine Bühnenshow, seine Video-Clips, seine Verwandlung vom schwarzen Kinderstar mit Afro-Frisur zum grenzüberschreitenden Fantasiewesen waren kollektive Kindheits- und Jugend-Erfahrungen weltweit – ob Fan oder nicht. Sie alle trauern nun einer Epoche nach , die dem eigenen Leben einen Stempel aufgedrückt hat. Und darüber wird man noch lange reden.

Autor: Volker Wagener
Redaktion: Marcus Bösch