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Übergang auf der Kippe

Naomi Conrad 18. März 2013

Im Jemen hat zur Vorbereitung einer neuen Verfassung der "Nationale Dialog" begonnen. Dabei gilt es vor allem den Süden des Landes besser einzubinden. Gelingt das nicht, droht Chaos.

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Unterstützer von Abd-Rabbu Mansour Hadi in Aden (Foto: rtr)
Bildergalerie Jemen Unterstützer von Abd-Rabbu Mansour HadiBild: Reuters

Anfang des Jahres wurden in Sana'a Straßenblockaden errichtet. Dabei beschlagnahmten die Sicherheitskräfte Waffen und unregistrierte Motorräder - beides beliebte Mittel für Raubüberfälle und Attentate in der jemenitischen Hauptstadt. Tim Petschulat, Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung im Jemen, bewertet die Aktion deshalb als "gutes Zeichen". Mit den Blockaden versuche der vom neuen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi ernannte Bürgermeister in Sana'a, "die Regeln wieder einzuführen, die in den Wirren der Revolution verloren gegangen waren". 

Im Frühjahr 2011 begannen die Aufstände gegen Ali Abdullah Salih, die sich über Monate hinzogen. Im November akzeptierte der Präsident, der mehr als 30 Jahre lang den Jemen regiert hatte, schließlich einen von den Golfstaaten vermittelten Übergangsplan - und trat zurück. Am 22. Januar übergab er die Macht an Hadi, bei den Präsidentschaftswahlen im Februar 2012 wurde Salihs früherer Vize als Übergangspräsident bestätigt. Die Aufgabe Hadis ist es nun, ein Gremium einzuberufen, das eine neue Verfassung ausarbeiten und Wahlen vorbereiten soll, den sogenannten Nationalen Dialog.

Salihs Gefolgsleute erschweren den Übergang

In dieser "Golfinitiative" sieht der Jemen-Experte Petschulat einen "großen Erfolg", schließlich habe sie einen Bürgerkrieg verhindert. "Im April 2011 stand der Jemen tatsächlich am Abgrund." Doch der Übergang ist nicht einfach: Der ehemalige Präsident Salih bleibt Vorsitzender seiner Partei, die im Parlament über eine Mehrheit verfügt; seine Gefolgsleute haben Schlüsselpositionen im Militär und  Sicherheitsapparat inne. "Salih hat einen riesigen Einfluss", so fasst es der jemenitische Journalist Mohammed Al-Qadhi zusammen. 

Tim Petschulat, Leiter FES-Büro Sanaa. (Foto: Tim Petschulat)
Tim Petschulat, Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung im JemenBild: Tim Petschulat

Zwar sei es dem neuen Präsidenten gelungen, einige Verwandte seines Amtsvorgängers aus ihren Positionen zu entfernen. Häufig sei dies allerdings nur durch Druck von außen auf Salih und seine Gefolgsleute möglich gewesen, so Petschulat. So hätten "Diplomaten angedeutet, Auslandskonten einzufrieren". Ein wirksamer Druck, denn ein Großteil der politischen Eliten verfüge tatsächlich über Vermögenswerte im Ausland.

"Historische Chance"

Doch nicht zuletzt wegen der Blockadepolitik verzögert sich der Übergangsprozess: Eigentlich hätte der "Nationale Dialog" Ende 2012 beginnen sollen. Nun beginnt er an diesem Montag (18.3.2013) in der Hauptstadt Sanaa. Unterstützt wird die Veranstaltung von den Vereinten Nationen. Mehr als 500 Angehörige von Parteien und Nichtregierungsorganisationen nehmen daran teil. "Der Zeitrahmen ist viel zu eng gestrickt", gibt Jemen-Experte Petschulat zu bedenken. In Südafrika habe ein ähnlicher Übergang Jahre gedauert, im Jemen seien wenige Monate angesetzt worden. Dabei müssen eine neue Verfassung und ein Wahlrecht erarbeitet, Grundsatzfragen diskutiert werden: Etwa ob das Land eine Präsidialrepublik oder ein parlamentarisches System wird. Allerdings, ergänzt Petschulat, liefen die Vorbereitungen in dem Komitee, das den "Nationalen Dialog" vorbereiten soll, relativ gut. Alle gesellschaftlichen Gruppen seien vertreten - "bis auf die Südbewegung".

Präsident Hadi sieht den Dialog als eine "historische Chance", um sich über die Zukunft des Landes zu verständigen.

Menschen beobachten eine Rauchwolke (Foto: MOHAMMED HUWAIS/AFP/Getty Images)
Explosion in einem Munitionsdepot in Sanaa. Die Sicherheitslage bleibt angespannt.Bild: MOHAMMED HUWAIS/AFP/Getty Images

Der Südjemen war eine eigenständige Republik, bis er Anfang der 1990er Jahre vom Norden annektiert wurde. Die meisten Menschen im Süden, so Petschulat, hofften noch immer auf eine Abspaltung. In Aden, der früheren Hauptstadt, wachse der Frust über die neue Regierung. Wenn Petschulat dort mit Menschen spricht, findet er kaum jemanden, der ein gutes Wort für Präsident Hadi übrig hat. Der Journalist Al-Qadhi glaubt, dass die separatistischen Bestrebungen die "größte Herausforderung" für den "Nationalen Dialog" sind - denn die Golfinitiative spricht sich klar gegen eine Abspaltung aus. Lässt sich kein Kompromiss finden - etwa eine föderalistische Lösung -, drohen sich die Fronten weiter zu verhärten.

Riesige wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme

Gleichzeitig steht der Jemen, eines der ärmsten Länder in der arabischen Welt, vor riesigen Herausforderungen: UN-OCHA, das Amt für die Koordination humanitärer Angelegenheiten, schätzt, dass fast die Hälfte der Bevölkerung nicht genug zu essen hat, in einigen Gebieten ist jedes dritte Kind unterernährt. Offiziell liegt die Arbeitslosigkeit bei 35 Prozent, betroffen sind vor allem junge Menschen. Hinzu kommen häufige Stromausfälle, die selbst in Sana'a oft Stunden dauern. "Da werden Ölpipelines in die Luft gejagt, weil irgendein lokaler Stamm mit irgendjemandem in der Regierung nicht einverstanden ist oder weil Angehörige von Stämmen aus Gefängnissen freigepresst werden sollen", erklärt Tim Petschulat.

Frau mit Kind im Krankenhaus DW TV Global 3000 (Foto: DW)
In manchen Regionen sind ein Drittel aller Kinder unterernährt

Er selbst könne sich kaum außerhalb der Hauptstadt bewegen, sagt der FES-Büroleiter. Zu groß sei die Gefahr von Entführungen. Während des Machtvakuums der Revolutionsmonate hatten militante Islamisten, die Verbindungen zu Al-Kaida haben sollen, Teile des Landes eingenommen. Die USA unterstützen den Kampf gegen die Islamisten, doch die Lage bleibt prekär. Hinzu kommen Stammesführer, die oft über bewaffnete Milizen verfügen. "In so einem Umfeld ist es sehr schwierig für eine Regierung, wirklich etwas voranzubringen", sagt Petschulat. Nicht zuletzt auch, weil der Präsident, der weitgehend per Dekret regiert, bis zu den nächsten Wahlen die einzig gewählte und damit legitimierte Volksvertretung sei.

"Der Jemen steht an einem historischen Wendepunkt", so fasst es der Journalist Al-Qadhi im Gespräch mit der Deutschen Welle zusammen: "Wenn diese Chance nicht ergriffen wird, dann wird der Jemen niemals Sicherheit, Stabilität und Frieden erleben." Er fürchtet, dass der Jemen sich zu einem gescheiterten Staat entwickeln könnte: "Dann wird der Jemen niemals den Sonnenaufgang erleben."