Der neue Präsident taktiert
11. Juli 2012Der Machtkampf in Ägypten zwischen dem neuen islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi und dem herrschenden Militär hatte sich in immer neuen Facetten zugespitzt. So verwarf das Oberste Verfassungsgericht in Kairo ein Dekret Mursis, mit dem dieser das aufgelöste Parlament am Sonntag wieder einberufen hatte. Zuvor waren die meist islamistischen Abgeordneten zumindest demonstrativ zu einer kurzen Sitzung zusammengekommen.
Mursi beugte sich öffentlich dieser Entscheidung der höchsten Richter. Seinen Sprecher ließ er noch einmal beteuern, er fühle sich dem Gesetz und der Verfassung verpflichtet. "Keine Konfrontation", so erklärte das Staatsoberhaupt. Der Streit über die Auflösung des Parlaments werde im Dialog gelöst, mit den politischen Kräften und der Justiz. So werde man "den besten Weg aus der Situation finden", bleibt die Erklärung seines Büros weit interpretierbar. Unmissverständlich wird aber gerügt, dass die Verfassungsrichter das Parlament daran hinderten, "seine Verantwortlichkeiten zu erfüllen".
Mursis erste Auslandsreise als Präsident führte ihn am Mittwoch nach Saudi-Arabien.
Beide Seiten wollen das Gesicht wahren und Gewalt vermeiden
Beobachter meinten, im Machtkampf fürchteten beide Seiten derzeit einen offenen Konflikt. Die Sicherheitskräfte vermieden eine Auseinandersetzung und ließen die Abgeordneten ungehindert das Parlamentsgebäude betreten. Diese beließen es bei einer nur rund fünfminütigen Sitzung, beharrten aber auf ihren Ansprüchen. Parlamentspräsident Saad El Katatni schlug vor, ein Berufungsgericht einzuschalten, um die Rechtmäßigkeit des Urteils des Verfassungsgerichts zu prüfen.
Der Führer der radikalen Salafisten, Hasim Abu Ismail, kündigte für Freitag eine "Millionen-Demonstration" gegen die vom Militärrat diktierten Verfassungsgrundsätze an.
SC/gmf (dapd, rtr, afpe, dpa)