Der Paris-Traum der Schwimmbrüder Ole und Malte Braunschweig
27. August 2024"Für mich ist das schon ein sehr schönes Gefühl, dass wir das erste Geschwister-Paar sind, das zu den Olympischen Spielen und den Paralympics fährt", freute sich Malte Braunschweig schon vor dem Olympia-Start seines Bruders in Paris. "Das ist ganz cool, wenn man sagen kann, dass man zumindest einen kleinen Fußabdruck in der Geschichte des Sports hinterlassen hat", meinte sein Bruder Ole gegenüber der DW.
Die beiden deutschen Leistungsschwimmer standen neben dem Becken einer Schwimmhalle in der deutschen Hauptstadt Berlin. Gerade hatten sie eine Trainingseinheit beendet und ruhten sich im Entspannungsbecken aus. Vor drei Jahren, bei den Olympischen und Paralympischen Spielen in Tokio 2021, waren die beiden Berliner das erste Brüderpaar, das Deutschland bei diesen beiden Großveranstaltungen vertrat.
Ole Braunschweig: "Wollten unsere Eltern stolz machen"
Drei Jahre später haben sie es wieder in die jeweiligen Nationalkader geschafft und fahren nach Paris. Ole hat seine Wettkämpfe bei den Olympischen Spielen (26. Juli bis 11. August) über 100 Meter Rücken und in der Staffel bereits absolviert, sein jüngerer Bruder Malte ist bei den Paralympischen Spielen (28. August bis 8. September) über 100 Meter Schmetterling dabei.
"Wir wollten unsere Eltern stolz machen und mit der Teilnahme zeigen, dass sich der ganze Aufwand und das Investieren in uns gelohnt hat", erklärte Ole im Interview mit dem deutschen Fernsehsender Radio Berlin Brandenburg (RBB). "Wir sind beide unglaublich stolz, dass wir das zu zweit geschafft haben", stimmte Malte seinem Bruder zu.
Mobbing in der Schule
Der Zusammenhalt des Brüderpaars war schon im Kindesalter extrem stark. Malte - mit einer Dysmelie, einer Fehlbildung am rechten Arm, geboren - wurde in der Schule oft wegen seiner Behinderung gemobbt. "In der sechsten, siebten Klasse war dieses Mobbing echt extrem", erinnert sich Malte. In dieser Zeit sei Ole viel für ihn dagewesen und habe sich die Leute "vorgenommen", sagt Malte Braunschweig: "Das hat mir sehr viel Kraft gegeben und mich unterstützt, wieder Vertrauen in die Menschen zu kriegen."
Malte sei öfter weinend aus der Schule gekommen, erinnert sich Ole in einem Interview mit dem Norddeutschen Rundfunk (NDR). Er habe den Mobbern seines Bruders eine Lektion erteilen wollen. "Ich war in der zehnten Klasse und habe meinen Eltern gesagt: Meine sportliche Laufbahn ist mir jetzt egal. Ich hau dem aufs Maul." Er habe dann aber doch auf den Rat seiner Eltern gehört und sich die "Typen verbal zur Brust genommen", so der ältere der Braunschweig-Brüder.
Karriereende drohte
Die brüderliche Unterstützung beruhte auf Gegenseitigkeit. Ole wurde als Leistungsschwimmer immer wieder von schweren Verletzungen zurückgeworfen, zeitweise stand sogar ein Karriereende im Raum. Der jüngere Malte sprach ihm stets Mut zu, Ole kam wieder auf die Beine und zurück ins Becken. Heute zählt Ole Braunschweig zu den besten Rückenschwimmern in Deutschland: Der 26-Jährige hält den deutschen Rekord auf der nicht-olympischen 50-Meter-Distanz und gewann in dieser Disziplin bei der Europameisterschaft 2022 in Rom Bronze.
Der 24 Jahre alte Malte eiferte seinem großen Vorbild schon früh nach und zählt mittlerweile zur Schwimm-Elite im deutschen Para-Sport. In Berlin trainiert der Student zusammen mit Para-Weltmeisterin Elena Semechin in einer Gruppe. Bei der Weltmeisterschaft in Manchester 2023 gewann er Bronze über 100 Meter Schmetterling und 100 Meter Freistil, bei der Europameisterschaft 2024 auf der portugiesischen Insel Madeira Silber über 100 Meter Schmetterling.
"Ich war früher schon erfolgreicher als Ole", sagt Malte und erinnert sich daran, dass das für seinen Bruder eine sehr schwere Zeit war. Eifersüchtig sei Ole gewesen, aber gestritten habe man sich nie. Der ältere Bruder nahm die Erfolge des jüngeren vielmehr als Ansporn.
Ole Braunschweig: "Wir sind unseren Eltern sehr dankbar"
Viel Zeit konnten die beiden Brüder vor den Olympischen Spielen nicht miteinander verbringen. Trainingslager im Ausland und viele Stunden im Berliner Schwimmbecken sorgten für einen vollgepackten Terminkalender. An einem Samstag schafften sie es aber, gemeinsam die Eltern zu besuchen, die zum Frühstück eingeladen hatten. Eher untypisch für Leistungssportler gab es deftige Mettbrötchen - und ausreichend Kaffee. "Wir haben unser Familienleben in die Schwimmhalle verlegt", erinnert sich Mutter Eike Braunschweig an frühere Zeiten.
Ihr Mann berichtet, dass er bei den Nachbarn Geld gesammelt habe, damit Ole und Malte ihren Traum vom Leistungssport weiterleben konnten. In der örtlichen Apotheke und bei jedem Klein-Unternehmer habe er nach Sponsorengeldern für seine Söhne gefragt, erzählt Jörg Braunschweig.
Die Schwimm-Brüder wissen, das Engagement ihrer Mutter und ihres Vaters zu schätzen. "Wir sind unseren Eltern sehr dankbar, dass sie uns früher so gefördert haben", sagt Ole. "Denn sonst wären wir jetzt nicht da, wo wir sind."
In Paris wollen Malte und Ole eine Medaille gewinnen
Im Flur des Elternhauses hängen zahlreiche Bilder von Ole und Malte aus der Kindheit. Die meisten sind in Schwimmhallen entstanden. Viele Fotos zeigen die beiden Brüder mit Medaillen um den Hals. "Das ist für mich immer noch nicht richtig begreifbar", sagt Mutter Eike. "Ich erwische mich immer noch, dass ich in Freudentränen ausbreche, wenn ich die beiden im Fernseher sehe", fügt Vater Jörg hinzu.
In Paris sollen nun weitere emotionale Momente dazukommen. "Ich möchte in Paris eine Medaille gewinnen", sagt Malte mit Blick auf die Paralympischen Spiele. Ole hatte die Latte für die Olympischen Spiele in Paris bewusst niedriger gelegt. Sein Ziel, über 100 Meter Rücken den Endlauf der acht Schnellsten zu erreichen, verpasste er. Aber mit der 4x100 Meter Lagenstaffel schaffte er es ins olympische Finale und belegte dort mit seinen Teamkollegen den siebten Platz.
Vor Olympia hatten er und sein Bruder Malte davon geträumt, dass "eine coole Sache" wäre, wenn beide eine Medaille gewinnen würden. Bei den Paralympics kann nun Malte Braunschweig dafür sorgen, dass dieser Traum zumindest zur Hälfte in Erfüllung geht.
Der Text von 25. Juli 2024 wurde vor dem Beginn der Paralympics aktualisiert.