Bayreuther Festspiele eröffnet
27. Juli 2009Alles scheint wie immer: Die Hektik hinter den Kulissen hat sich gelegt, die Prominenz aus Politik, Showbiz und Wirtschaft ist angereist, Bayreuth präsentiert sich als Festspielstadt. Und doch: Der Generationenwechsel in der Festspielleitung war mit Spannung erwartet worden. Wie würden sich die Wagner-Schwestern ihren Aufgaben stellen? Was ist tatsächlich Neues zu erwarten?
"Tristan" zur Eröffnung
Den Auftakt des diesjährigen Opernreigens am Samstag (25.07.2009) machte die Wiederaufnahme von Christoph Marthalers "Tristan und Isolde". Die Inszenierung kam 2005 heraus und wird in diesem Jahr zum letzten Mal gezeigt.
Christoph Marthaler, der Eigenbrötler unter den Regisseuren, verweigert in seiner Inszenierung das, was die Musik Richard Wagners verspricht. Immer noch hängen Neonleuchten-Sterne über der "Tristan"-Szenerie, immer noch schlendert eine total desinteressierte Isolde im blaugrauen Strickkleid über das schäbige Zwischendeck des Ozeandampfers, immer noch dirigiert Peter Schneider gegen das Regie-Vakuum an, vergeblich. Alles Zauberische, Sinnliche, Gefährliche der Wagnerschen Musik bleibt außen vor: Bloß keine Panik auf der Titanic – und Erotik schon gar nicht. Tristan und Isolde agieren wie zwei unbeteiligte Büroangestellte in dieser hitzigen "Handlung", mit der Wagner dem "schönsten aller Träume" ein Denkmal setzen wollte.
Robert Dean Smiths schlägt sich wacker als Tristan. Auch Robert Holls König Marke ist sicher nicht das Nonplusultra des Wagner-Gesangs, man hat nicht nur in Bayreuth schon ganz andere Stimmen in dem Stück gehört. Nun animiert Marthalers inszenierte Müdigkeit womöglich nicht zu sängerischen Superlativen. Seine Inszenierung ist im Laufe der Jahre nicht aufregender geworden.
Das Bühnenbild von Anna Viebrock drückt aufs Gemüt wie bei der Premiere vor fünf Jahren. Ein holzpaneelierter Gesellschaftssaal, eine gekachelte Wartehalle oder ein Leichenkeller mit ausrangierten Neonöhren an den Wänden, der Raum zumeist im sachlichen Arbeitslicht. Wagners "Opus metaphysicum" - wie Nietzsche den "Tristan" zurecht nannte - gerinnt bei Marthaler zum Spießer-Endspiel der emotional Unterkühlten, der Überforderten. Da retten auch die geschmäcklerischen Lichtspiele der bewegten Neonröhren-Kreise am Bühnenhimmel nichts.
Wenig Neues
Auch wenn er alles andere als eine spektakuläre Inszenierung ist: Der "Tristan" Christoph Marthalers und Peter Schneiders wird am 9. August als "Public Viewing" in einer Direktübertragung aus dem Festspielhaus auf einer 90-Quadrameter-Leinwand auf dem Bayreuther Volksfestplatz zu sehen sein. Außer erstmaligen Werkeinführungen am Grünen Hügel und einer Kinderversion des "Fliegenden Holländers" sind keine Neuigkeiten zu erwarten. Bis zum 28. August stehen Reprisen von Katharina Wagners "Meistersinger von Nürnberg", Tancred Dorsts "Ring" sowie Stefan Herheims überwältigendem "Parsifal" auf dem Programm. Alle 30 Aufführungen sind seit Monaten ausverkauft.
Noch ist der Ansturm auf die Bayreuther Festspiele ungebrochen. Das könnte sich ändern, wenn aufgrund der Tarifsteigerungen der nichtkünstlerischen Mitarbeiter der Bayreuther Festspiele, derentwegen die Gewerkschaften in den letzten Wochen die Eröffnungspremiere mit Streikdrohungen überschatteten, die Eintrittspreise womöglich drastisch erhöht werden müssen. Die neuen Leiterinnen Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier stehen unter immensem Druck. Die Erwartungen, die an sie gestellt werden, sind hoch.
Autor: Dieter David Scholz
Redaktion: Gudrun Stegen