Der Sudan vor großen Herausforderungen
31. Januar 2011Geklärt ist die Zukunft des Südens nur bis zum 09. Juli mit dem Norden. Dann endet das Friedensabkommen von 2005. Hier sind zentrale Punkte geregelt: Das politische System etwa oder die Verteilung der Öleinnahmen. Manch einer im Norden kann sich deshalb vorstellen, die im Friedensvertrag vorgesehene Übergangsperiode noch zu verlängern.
Ein Vorschlag, den der Süden aber kaum akzeptieren dürfte, meinen Experten: "Theoretisch könnten beide Seiten das im Konsens beschließen, aber es würde dem Süden nichts nutzen", sagt der Buchautor und Sudan-Experte Douglas Johnson. Außerdem ist der Süden misstrauisch. "Die Regierungspartei des Nordens hat schon mehrfach versucht, die Umsetzung des Friedensabkommens zu verzögern. Daher sieht der Süden auch den letzten Vorschlag als eine Verzögerungstaktik", sagt Johnson.
Wer kriegt das Öl?
Der Norden sieht das anders: Man brauche Zeit, um zentrale Fragen mit dem Süden zu klären. Vor allem die Verteilung der Öleinnahmen ist ein Streitpunkt. Die meisten Vorkommen liegen im Süden, es gibt aber nur eine einzige Pipeline, die in den Norden führt. Die Einnahmen müssen sich Nord- und Süd also teilen - noch ist aber unklar, wie genau. Doch wenn sich beide Seiten nicht einigen, ist ein neuer Krieg durchaus möglich, glauben Experten.
Denn: Öl ist die Haupteinnahmequelle beider Regierungen. "Sowohl Nord- als auch Südsudanesen verstehen sich auf risikoreiche Politik. Ich glaube, dass es ganz kurz vor dem Auslaufen des Friedensvertrages ein Abkommen über die Teilung der Öleinnahmen geben wird", sagt Sudan-Experte Johnson. Und: "Es wird ein Abkommen geben, weil es beide Seiten dringend brauchen."
Das "Kashmir" des Sudan
Ganz oben auf der Prioritätenliste steht noch Abyei. Die Provinz an der Grenze sollte am 9. Januar abstimmen, ob sie künftig zu Nord- oder Südsudan gehören will. Ein Streit zwischen beiden Seiten verhinderte das. Denn in Abyei liegt Öl, keine Seite will die Provinz abgeben. Es kommt immer wieder zu Gewalt zwischen zwei Ethnien: Den Misseriya - die der Norden aufgerüstet haben soll - und den Ngok Dinga.
Während des Referendums starben bei Kämpfen mehr als 30 Menschen. Experten wie Douglas Johnson warnen: Wenn das Refenredum nicht stattfindet und die Situation nicht gelöst wird, droht neue Gewalt in Abyei: "Viele Menschen sagen, dass Abyei das Kashmir des Sudans wird. Ich denke eher, dass es so etwas wie die Westbank des Sudans wird", warnt Douglas Johnson. Auf der einen Seite stehe eine Regierung, die versuche, einen Teil des Gebietes den Misseriya zu geben. Und das Gebiet der Ursprungsbevölkerung, also der Ngok Dinka, schrumpfe immer mehr, so Johnson.
Ein Test für die Demokratie
Neben den Verhandlungen mit dem Norden hat der Süden aber auch intern große Aufgaben zu bewältigen. Denn nur noch bis zum 09. Juli gibt es eine staatliche Ordnung: Die Regierungsstrukturen sind nämlich nur im Friedensabkommen von 2005 gesichert. "Wir brauchen eine neue Verfassung, die dann als Grundlage für Wahlen genutzt werden kann", sagt Melha Rout Biel, Politik-Dozent an der Universität Juba. "Die aktuelle Regierung und das Parlament werden an einem Entwurf arbeiten. Nachdem der angenommen worden ist, können Wahlen stattfinden."
Eine verfassungsgebende Versammlung soll in den nächsten Monaten einen Text ausarbeiten. Beobachter warten gespannt - denn der Entwurf und die Verhandlungen werden zeigen, wie demokratisch der neue Staat wird.
Autor: Daniel Pelz
Redaktion: Christine Harjes