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Der "Tag von Potsdam"

Marc von Lüpke-Schwarz21. März 2013

Am 21. März 1933 inszenierte die NS-Propaganda das Bündnis zwischen der braunen Bewegung und der konservativen Elite der Weimarer Republik. Adolf Hitler präsentierte sich als seriöser Staatsmann.

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Reichskanzler Adolf Hitler (l.) mit Reichspräsident Hindenburg (Foto: ullstein bild)
Bild: ullstein bild

Ganz Potsdam war am 21. März 1933 ein Flaggenmeer. Hakenkreuzfahnen und schwarz-weiß-rote Banner des untergegangenen Kaiserreichs schmückten die Fassaden der Häuser. Große Teile der politischen Elite Deutschlands waren in die Stadt geströmt, um den knapp zwei Wochen zuvor gewählten Reichstag, das deutsche Parlament, zu eröffnen. Symbolisch hatten die Nationalsozialisten dieses Ereignis zum "Tag von Potsdam" erklärt.

Zwei Männer standen an diesem Tag im Rampenlicht: Adolf Hitler, der Reichskanzler und Führer der Nationalsozialisten sowie der greise Reichspräsident Paul von Hindenburg, der als Kriegsheld verehrte Offizier aus dem Ersten Weltkrieg, der bei den Deutschen außerordentliche Beliebtheit genoss. Vor der Potsdamer Garnisonskirche kam es zu einer denkwürdigen Szene zwischen diesen beiden mächtigen Männern: Adolf Hitler verneigte sich in theatralischer Weise tief und ehrfurchtsvoll vor Paul von Hindenburg und gab ihm die Hand.

Postkartenmotiv mit Hitler und Hindenburg (Foto: picture alliance)
Hitler und Hindenburg - das "alte" und das "neue" Deutschland: beliebtes Motiv auch für PostkartenBild: picture-alliance/akg-images

Das "neue" Deutschland, Hitler, erwies dem "alten" Deutschland, Hindenburg, seinen Respekt - das war die Symbolik dieser Geste. Und aus der Vereinigung von "altem und neuem Deutschland" sollte ein neues stärkeres Deutsches Reich entstehen. Joseph Goebbels, der gerade erst zum Propagandaminister ernannt worden war, hatte die Planungen für dieses Ereignis übernommen.

Der Mythos Friedrichs des Großen

Nachdem das alte Reichstagsgebäude am 27. Februar 1933 von einem niederländischen Kommunisten in Brand gesteckt worden war, musste ein neuer Platz zur Eröffnung des am 5. März gewählten Parlaments her. Die Wahlen waren zwar dem Namen nach frei gewesen, doch hatten die Nazis unter Einsatz von Terror bereits viele ihrer Gegner ausgeschaltet. Trotzdem hatte Hitlers NSDAP keine ausreichende Stimmenmehrheit für eine Alleinregierung gewinnen können.

Joseph Goebbels (Foto: picture alliance)
Ein Meister der Inszenierung: Joseph Goebbels, der frisch gebackene PropagandaministerBild: picture-alliance/Everett Collection

In dieser Lage sollte eine Geste von nationaler Bedeutung Hitlers Machtanspruch unterstreichen. Kaum ein Ort in Deutschland schien besser geeignet als die Potsdamer Garnisonskirche, ein für Deutschland und insbesondere Preußen besonders geschichtsträchtiger Ort. Hier lagen der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. und sein berühmter Sohn Friedrich der Große begraben. Sie hatten aus dem kleinen Preußen eine europäische Großmacht gemacht.

Hitler als Staatsmann

Goebbels hatte sich mit seiner Inszenierung selbst übertroffen, über 100.000 Schaulustige waren in die Stadt geströmt. Dazu kamen Formationen der Reichswehr und natürlich der Sturmabteilung, SA, sowie der Schutzstaffel, SS, die in einer Parade marschierten. Die Radiosender übertrugen die Veranstaltung live, die Zeitungen druckten Sonderausgaben, so dass jeder Deutsche teilhaben konnte. Goebbels selbst war allerdings klar, was er da inszenierte: Abfällig nannte er der den "Tag von Potsdam" die "Potsdamer Rührkomödie".

Diese Komödie begann mit zwei getrennt abgehaltenen Gottesdiensten, einen für die protestantischen Abgeordneten, einen für die katholischen. Anschließend gingen die Parlamentarier durch die flaggengeschmückten Straßen zur Garnisonskirche, wo der eigentliche Festakt zur Reichstagseröffnung stattfinden sollte. Hier versammelte sich dann alles, was Rang und Namen hatte: Die Spitzen aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und dem Militär. An dieser Stelle kam es auch zur denkwürdigen Begegnung zwischen Hitler und Hindenburg.

Adolf Hitler und Kabinettsmitglieder im Anzug (Foto: ullstein bild)
Adolf Hitler im Anzug statt in SA-Uniform. Der "Führer" wollte sich an diesem Tag staatsmännisch geben.Bild: ullstein bild/Robert Sennecke

Hitler gab sich ganz staatsmännisch, er trug einen Frack mit Zylinder, die Parteiuniform hatte er für diesen Tag abgelegt. Der 86-jährige Hindenburg dagegen war in der Uniform eines preußischen Generalfeldmarschalls erschienen. Hindenburg spielte die ihm zugedachte Rolle des Altvorderen, der nun dem Jüngeren das Ruder überließ. Entsprechend gönnerhaft äußerte sich Hindenburg auch bei der Reichstagseröffnung. Er selbst habe "diesem jungen Deutschland […] am 30. Januar 1933 in großherzigem Entschluss die Führung des Reiches anvertraut." Hitler redete vor allem von nationaler Einheit. Und er sprach auch eine leise Drohung gegen alle aus, die sich seinen Zielen in den Weg stellen sollten: Sie würden "unschädlich" gemacht.

Der Wolf im Schafspelz

Viele Gegner des Nationalsozialismus hatten bereits erfahren, was Hitler damit meinte: Sozialdemokraten und Kommunisten waren am "Tag von Potsdam" nicht anwesend.

Der nationalsozialistische Innenminister Wilhelm Frick bemerkte zynisch, dass die kommunistischen Reichstagsabgeordneten durch "nützliche Arbeiten in den Konzentrationslagern" von der Teilnahme abgehalten worden waren. Zu Tausenden waren Oppositionelle in Lager und Zuchthäuser gesperrt worden. Die Sozialdemokraten blieben dem Spektakel aus Protest fern. Hitler selbst gab sich demütig und bescheiden an diesem Tag.

Appell im Konzentrationslager Oranienburg bei Berlin, das für politische Häftlinge eingerichtet worden war (Foto: Ullstein)
Appell im Konzentrationslager Oranienburg bei Berlin, das für politische Häftlinge eingerichtet worden warBild: ullstein bild

Eine Strategie, die sich bezahlt machen sollte: Bei den konservativen Eliten und der Reichswehr erwarb er sich durch seine demonstrative Bescheidenheit und scheinbares Festhalten an der Tradition viele Sympathien. Für viele Deutsche wuchs Hitler noch mehr in die Rolle eines nationalen Führers hinein. Ein Zeitzeuge hielt fest: "Aus dem Demagogen und Parteiführer, dem Fanatiker und Hetzer […] scheint sich der wirkliche Staatsmann zu entwickeln." Wie dieser Zeitgenosse ließen sich viele Beobachter vom "Tag von Potsdam" täuschen. In der Rückschau betrachtet ist der März 1933 der entscheidende Monat. Bis Ende dieses Monats hatte Hitler seine Diktatur errichtet und die Demokratie endgültig zu Grabe getragen.