Heikle Mission
7. November 2007Die EUFOR-Truppe soll unter französischer Führung stehen, der Tschad unter Präsident Idriss Deby hat ihrer Stationierung nur halbherzig zugestimmt. Die Affäre um die umstrittene Hilfsorganisation "Arche de Zoe" kommt da zum denkbar ungünstigen Zeitpunkt. In der tschadischen Hauptstadt Ndjamena gingen Menschen auf die Straße und protestierten gegen die französische Organisation, "Nein zum Sklavenhandel, nein zum Kinderhandel“, hieß es auf Transparenten. Der EU-Einsatz könnte sich dadurch noch schwieriger gestalten, als er ohnehin schon ist.
Der französische Außenminister nannte die Aktion der Organisation "Arche de Zoe" ein trauriges Abenteuer - ein Abenteuer allerdings, das weitreichende Folgen haben könnte. Denn es ist Frankreich, das die meisten Soldaten im Rahmen der Europäischen Militär-Schutztruppe stellen wird, die im Dezember dort stationiert werden soll. Die Soldaten sollen die Lage in der Grenzregion zum Sudan absichern, vor allem die Flüchtlingslager, in die rund 200.000 Vertriebene aus der sudanesischen Kriegsregion Darfur geflohen sind, aber auch rund 170.000 tschadische Binnenflüchtlinge.
Elend ohne Grenzen
Der FDP-Abgeordnete Karl Addicks ist Sprecher für Entwicklungszusammenarbeit. Den Kongo-Einsatz der EU im Rahmen der dortigen Wahlen im vergangenen Jahr hatte er vorbehaltlos unterstützt. Doch bei dem neuen Einsatzgebiet im Grenzgebiet zwischen Sudan und dem Tschad sieht er viele Risiken: "Ich halte das Einsatzgebiet dort für ein sehr schwer durchschaubares Konfliktgebiet. Diese unübersichtliche Situation ist für mich einer der Gründe, warum ich beim derzeitigen Stand der Dinge von einem Einsatz deutscher Soldaten in dieser Region abraten würde."
Und das, obwohl die menschliche Not inzwischen katastrophale Ausmaße hat. Das Elend dort kennt keine Grenzen, die Lage ist sowohl im sudanesischen Grenzgebiet, also in Darfur, wie im tschadischen Grenzgebiet katastrophal. Zwei bis drei Millionen Flüchtlinge hat die humanitäre Katastrophe alleine in Darfur in Bewegung gesetzt, von denen nun ein großer Teil im Tschad Zuflucht sucht. Doch auch dort müssen sie inzwischen befürchten, von Rebellengruppen angegriffen zu werden. Von Hunderttausenden Toten ist die Rede.
Wenig Interesse an Frieden
Umso unglaublicher ist, dass ganz offensichtlich weder die Staatsmacht im Sudan noch im Tschad ein Interesse am Frieden hat. Deshalb spricht sich auch der Afrika-Beauftragte der CDU/CSU –Bundestagsfraktion, Hartwig Fischer, gegen eine Beteiligung deutscher Soldaten am militärischen Einsatz aus: "Man tut sich so schwer, weil man dort zwischen alle Fronten geraten kann. Man hat eine Gemengelage, bei der Rebellen gegen Rebellen kämpfen, Rebellen gegen die Staatsmacht kämpfen und der Staat gegen die Rebellen kämpft."
Ende des Monats will die EU die 2500 Mann starke Schutztruppe in den Tschad entsenden. Das Hauptquartier des Einsatzes ist in Frankreich, die Führungsposition ist zwar aufgeteilt, doch die Streitkräfte werden von einem französischen Brigadegeneral befehligt. Frankreich, das ohnehin im Tschad eine Militärpräsenz unterhält, stellt die meisten Soldaten. Irland und Polen entsenden weitere 700 Soldaten. Schweden, Belgien, Österreich und Spanien haben kleinere Kontingente zugesagt.
Antifranzösische Ressentiments
Im Tschad wie in anderen Staaten des frankophonen Afrika hat Frankreich bei der Bevölkerung ohnehin einen schweren Stand. In der Elfenbeinküste, im Togo und jetzt aus aktuellem Anlass im Tschad brechen immer wieder antifranzösische Ressentiments auf. Vor diesem Hintergrund sei die Einsatzleitung der Franzosen zumindest problematisch, meint Hartwig Fischer.
Noch problematischer ist, dass der sudanesische Präsident Baschir offensichtlich kein Interesse an einer Beilegung des Konfliktes hat - und auch im Tschad ist die Lage sehr unübersichtlich geworden. Der Tschad unterstützt bisher auch nicht die Entsendung einer UN-Mission in Darfur. Die beiden Präsidenten sichern über den Konflikt ihre Machtposition - der tschadische Präsident musste in den vergangenen zwei Jahre immer wieder mit Putschversuchen rechnen. Putschversuche, die, so die Vermutung im Tschad, vom Sudan unterstützt werden, wie umgekehrt gewisse Rebellengruppen im Ost-Tschad Unterstützung aus Khartum erhalten.
Erfolg zweifelhaft
Angesichts solcher Rahmenbedingungen wird der EU-Einsatz nur wenig ausrichten können. Zu den Friedensgesprächen Ende Oktober waren nur vier Rebellengruppen erschienen. Sie hatten mit dem tschadischen Präsidenten Deby einen Waffenstillstand unterschrieben. Doch was ist mit den anderen? Und was kann die EU-Truppe bei so wenig Friedenswillen eigentlich überhaupt erreichen? Zumindest eine Absicherung der Flüchtlingslager, erhofft sich Hartwig Fischer, "so dass keine Übergriffe auf die Flüchtlinge stattfinden." Dann sollte die Polizeiausbildung im Tschad organisiert werden, damit die dortigen Polizisten in die Lage versetzt werden, die Lager selbst abzusichern und später auch das Rücksiedeln der Flüchtlinge zu begleiten.
Eine Beteiligung an Militäreinsätzen wird Deutschland nicht anstreben, vielleicht aber logistische Unterstützung. So bitter es ist: weil die beiden betroffenen Staaten so wenig Interesse an einer Lösung des Krieges haben und die Konfliktparteien noch nicht kriegsmüde sind, ist der Erfolg der Missionen zweifelhaft. Wie viele Opfer das noch kosten kann, ist ungewiss. Der Konflikt im Grenzgebiet zwischen dem Tschad und dem Sudan wird die internationale Gemeinschaft noch lange beschäftigen.