Der umweltfreundliche Deutsche
14. Dezember 2012Was ist für dich typisch deutsch? Wer einen Freund aus dem Ausland so fragt, erwartet Antworten wie Bier, Wurst, Sauerkraut, Lederhosen. Eine Freundin aus Frankreich antwortete mir kürzlich: "Mülltrennung." Das fasziniert sie. Sowohl das Wort als auch die Sache. Und das kann uns nur freuen. Im Mülltrennen sind wir Deutschen Weltmeister. Unangefochten. Was für ein wunderbares Schauspiel, wenn der deutsche Hausmann den Müll rausbringt. Ja, gut, die Hausfrau tut das auch gelegentlich. Aber Mülltrennung ist was Technisches, das lässt der Mann sich nicht so gerne aus der Hand nehmen. Und dann steht er da vor gelben, grünen, grauen und blauen Tonnen - und trennt.
Was nicht so einfach ist. Der große Satiriker Robert Gernhardt hat mal die Geschichte eines umweltbewussten Paares erzählt, das über die Vermüllung eines Teebeutels diskutiert. Der Tee ist Bio, also braune Tonne. Der Zettel oben am Faden ist Papier, also blaue Tonne, das Metallklämmerchen wieder gelbe Tonne - aber was mach ich mit dem Faden? Ist ein Stück Schnur Bio oder Restmüll oder gar Sondermüll? Brauchen wir gar eine Altschnurtonne? Schwere Frage.
Den Wald hat der Deutsche ins Herz geschlossenAber wir Deutschen lassen uns von der Schwere einer Aufgabe nicht von derselben abbringen. Wenn wir mal etwas ins Herz geschlossen haben, dann auch richtig. Und die Umwelt haben wir ins Herz geschlossen, dass es nur so brummt. Weil uns das irgendwie in den Genen steckt. Der Deutsche war schon immer naturverbunden, vermutlich hat er die Liebe zur Natur sogar erfunden. Besonders der Wald hat es dem Deutschen angetan. Nirgendwo wird der Wald so inbrünstig besungen und bedichtet wie in Deutschland. Die Romantiker des 19. Jahrhunderts waren auf diesem Gebiet besonders wirkungsvoll, sie definierten die Natur wechselweise als Bruder, als Mutter, als Freund, als Gefährte - als Mensch eben. Das lebt in uns allen fort.
Die Flüsse, die Luft, den Boden - alles hält der Deutsche schön sauber. Ja, gut, es gab mal deutsche Flüsse, die waren eher Kloaken als Wasserläufe. Das musste aber so sein, weil das Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg eben Opfer forderte. Aber die Zeiten sind vorbei. Der Himmel über dem Ruhrgebiet ist inzwischen so blau, wie Willy Brandt das schon 1961 versprochen hat, im Rhein gibt’s wieder Fische, deutsche Wiesen, Wälder und Felder sind frei von Müll - naja, jedenfalls überwiegend. Und wenn nach einem Picknick in freier Natur doch mal was liegen bleibt, dann war das ein Versehen. Und wenn ein Rastplatz an der Autobahn von Müll überläuft, müssen es die Holländer gewesen sein.
Auf dem Weg in die Ökodiktatur?
Ja, gut, es gibt auch kritische Stimmen, die uns vorwerfen, mal wieder zu übertreiben. Wärmedämmung, bis der Arzt kommt, Ökostrom und Biosprit, Krötenwanderwege statt neuer Autobahnen, Verbot der guten, alten Glühbirne - wir rennen sehenden Auges in eine Ökodiktatur, sagen die Kritiker. Wir aber antworten denen in aller Seelenruhe: "Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werden die Menschen feststellen, dass man Geld nicht essen kann." Der Satz stammt zwar nicht vom Indianerhäuptling Seattle, er ist auch keine Weissagung der kanadischen Cree-Indianer, sondern einfach ein guter Spruch der amerikanischen Umweltbewegung. So gut, dass er glatt deutschen Ursprungs sein könnte.