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"Der Westen hat große Fehler gemacht"

23. Februar 2011

Der libysche Diktator Muammar al-Gaddafi klammert sich an seine Macht. Seinen Gegnern droht er mit einem „Gemetzel“. Hat der Westen zu lange weggeschaut? Dazu Kommentare der internationalen Presse.

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Bild: DW

Libyens Machthaber Gaddafi akzeptiert keinen Widerstand. Im libyschen Staatsfernsehen erklärte er, dass er die Proteste auf den Straßen blutig niederschlagen werde. Europäische Politiker reagierten schockiert auf die Ansprache des Diktators. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen forderte ein Ende der Gewalt. - Und dabei haben westliche Staaten lange Zeit gute Beziehungen zu Gaddafi gepflegt.

Der "Corriere della Sera" aus Mailand listet am Mittwoch (23.02.2011) die früheren Unterstützer Gaddafis auf:

"Haben wir eine zynische und unziemliche Haltung eingenommen? Vielleicht passt es in dem Zusammenhang, sich in Erinnerung zu rufen, dass die ersten libyschen Kampfflugzeuge nach Gaddafis Staatsstreich französische Mirage waren; dass Deutschland dazu beitrug, in Libyen eine Chemieindustrie aufzubauen; dass die Amerikaner nach dem vergeblichen Versuch, Gaddafi 1986 umzubringen, die Sanktionen zurücknahmen, kaum hatte dieser auf seine atomaren Ambitionen verzichtet. (...) Jetzt natürlich kommt keine europäische Regierung darum herum, die blutige Repression in Bengasi und Tripolis zu verurteilen. Speziell wir (Italiener) haben das Recht und die Pflicht, unsere Stimme gegen Gaddafi und seine Methoden zu erheben."

Auch die Zeitung "Le Journal de la Haute-Marne" aus Chaumont im Osten Frankreichs kritisiert die bisherigen Beziehungen der westlichen Staaten zu Libyen:

"Die blutige Possenreißerei des Herren von Tripolis wirft ein grausames Licht auf die schuldige Nachsicht des Westens. Niemand brauchte ein Experte in Psychiatrie zu sein, um die geistigen Entgleisungen Gaddafis festzustellen. Doch in Frankreich wie anderswo haben wir ihm den roten Teppich ausgerollt. (…) Die Revolutionen, die derzeit die arabische Welt erschüttern, haben uns wenigstens eines gezeigt: Mit dem Teufel einen Pakt abzuschließen ist weder klug noch effizient."

Die spanische Zeitung "El País" fordert von der Europäischen Union mehr Unterstützung für die libyschen Bürger:

"Angesichts der massiven Verbrechen des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi begeht Europa eine unverzeihliche Niederträchtigkeit. Die EU befasst sich in erster Linie mit der Frage, wie man die Libyer am besten innerhalb der Grenzen ihres Landes halten kann. Dabei sollte ihre erste Sorge sein, zum Ende des verbrecherischen Regimes beizutragen und Menschenleben zu retten. Europa darf seine Prinzipien, auf denen die EU basiert, nicht verraten. Die Menschen, die sich gegen Diktaturen erheben, müssen von der EU die unmissverständliche Botschaft erhalten, dass ihre Forderungen legitim sind."

Europa müsse dafür sorgen, dass der libysche Diktator vor den Internationalen Strafgerichtshof kommt, meint die niederländische Zeitung "NRC Handelsblad":

"Seit Gaddafi 2003 von der persona non grata wieder zum Gesprächspartner wurde, haben viele europäische Länder sowie Ölkonzerne und Unternehmen ihre Investitionen in Libyen verstärkt. Europa kann verhindern, dass die dadurch gewonnenen Profite den Stempel von Blutgeld bekommen, wenn es Maßnahmen ergreift, die helfen, den Clan von Gaddafi in die Knie zu zwingen - auch wenn sie nun recht spät kommen. Einer dieser Schritte wäre zweifellos, dass sich die EU für UN-Ermittlungen zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit anschließt. Das Finale in Libyen könnte dann zu einem Fall Gaddafi beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag führen."

Die EU müsse ihren Kurs korrigieren, meint die "Frankfurter Rundschau":

"Der Wind des Wandels, der durch die arabische Welt weht, könnte für die nördlichen Nachbarn zum Sturm werden, wenn die nicht rasch reagieren. Demokratie in Nahost hieße eben auch, die Länder dort ernst zu nehmen als Partner und nicht mehr nur als Schutzwall gegen Flüchtlinge oder Terroristen. Wenn die EU dahin umsteuert, ist das eine nötige Kurskorrektur - spät, aber nicht zu spät."

Zusammengestellt von Julia Hahn

Redaktion: Herbert Peckmann