Neuer deutsch-französischer Motor
13. Dezember 2016Wenn man sich zum zweiten Mal treffe, sei das schon eine Tradition, beim dritten Mal werde es dann zum Brauchtum. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) begrüßt seine deutsch-französischen Zuhörer in seinem Berliner Amtssitz mit dieser rheinischen Volksweisheit zur traditionellen - es ist schließlich die zweite - Deutsch-Französischen Digitalkonferenz. Der SPD-Politiker geht es launig an, aber hinter jedem Satz merkt man ihm an, wie wichtig ihm das Thema ist. Die Digitalisierung mache uns "zu Zeugen einer Neuvermessung der Welt". Deutschland und Frankreich, so wünscht er es sich, sollen gemeinsam dafür sorgen, dass der Prozess in Europa vorangetrieben werde. "Wir wollen die deutsch-französische Partnerschaft zum Motor machen!" Gabriels Ziele dabei sind nicht gerade bescheiden: "Unter der weltbesten digitalen Infrastruktur sollten wir es in Europa nicht machen."
Seit dem ersten Treffen vor einem Jahr in Paris haben sich die Regierungen beider Länder bemüht, gemeinsam Strategien für eine gründliche Erneuerung ihrer Ökonomien im digitalen Zeitalter anzuschieben. Es hat sich einiges getan in der Zwischenzeit. Die deutsche Initiative "Plattform Industrie 4.0" und die französische "Alliance Industrie du Futur" suchen inzwischen zusammen nach Feldern, auf denen Synergien möglich sind, und loten neue Geschäftsmodelle aus. So sollen bald spezielle Förderstrukturen entstehen, in denen kleine und mittlere Unternehmen bei ihren Digital-Projekten unterstützt werden. Im kommenden Jahr sind gemeinsame Forschungsprogramme geplant - so zum Beispiel zwischen der Technischen Universität München und dem Institut Mines-Telecom.
Start-ups im Visier
Vor allem wollen sich die beiden Staaten nun um den richtigen Umgang mit kleinen Start-ups bemühen. "Für die Förderung der europäischen Informationstechnologie müssen wir uns auf die Start-ups konzentrieren und ihre Finanzierung verbessern", beschwört der französische Wirtschafts- und Finanzminister Michel Sapin die Konferenzteilnehmer. Gabriel warb für eine europäische Wachstumsinitiative mit dem Volumen von einer Milliarde Euro. Die kleinen aufstrebenden Firmen brauchen dringend Kapital, das Problem ist auch bei den Regierungen angekommen. Frankreich verteilt inzwischen sogar schon Schecks an aussichtsreiche Betriebe. Aber das kann nur ein Anfang sein.
Marie Ekeland von der Investoren-Plattform Daphni kritisiert, dass sowohl in Frankreich als auch in Deutschland der weitaus größte Teil des Fremdkapitals in Unternehmen durch Bankkredite besorgt würde. "Mit dieser Methode überleben die Dinosaurier unter den Unternehmen, aber es entstehen keine neuen Champions", ist sie überzeugt. Es müsse neue Formen des Investments geben, auch die etablierten Firmen sollten sich stärker bei jungen ideenreichen Unternehmen der Digitalbranche einbringen. Denn die Bedingungen für innovative Betriebe seien in Europa ziemlich gut, weil sie auf eine solide Gesellschaft, intakte Infrastrukturen und eine solide Wirtschaft aufbauen könnten. Manchmal, so schränkt sie aber ein, fehle es hier etwas an Optimismus.
Gesellschaftliche Auswirkungen im Blick
Damit auch keine Zweifel daran aufkommen, dass die Digitalisierung höchste Priorität für die beiden europäischen Partnerländer hat, bemühen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Präsident Francois Hollande gegen Ende der Konferenz noch einmal das Bild vom deutsch-französischen Motor. "Ich freue mich auf diese neue Allianz", bekannte Hollande und betonte, dass die Partnerländer bei der Digitalisierung eine Verantwortung für ganz Europa tragen.
Merkel bezeichnete die gegenwärtige Phase der wirtschaftlichen Umstrukturierung als eine "extrem spannende Zeit". Sie warnte davor, die Menschen durch "disruptive Sprünge" zu verunsichern. "Wir dürfen niemanden entmutigen", sagte die Kanzlerin und plädierte dafür, die Gesellschaft durch unausgesetztes Fortbilden für die Herausforderungen der Zukunft fit zu machen. Die Bundeskanzlerin sieht noch großen Diskussionsbedarf bei der Frage, wie die künftige Arbeitswelt geregelt werden sollte. "Wie organisieren wir das, ohne dass die Menschen 24 Stunden am Tag erreichbar sein sollen?"