Deutsche Bank: Aufstand der Aktionäre fällt aus
24. Mai 2018Ein Scherbengericht hatte mancher erwartet, vor allem für den Aufsichtsratsvorsitzenden Paul Achleitner. Der Österreicher, seit sechs Jahren an der Spitze des Kontrollgremiums, stand zuletzt schwer unter Beschuss. In seine Zeit fallen zwei Wechsel an der Spitze von Deutschlands größtem Geldhaus. Anshu Jain, der smarte Investmentbanker, scheiterte nach drei Jahren auf dem Chefsessel ebenso wie der Brite John Cryan, den es drei weitere Jahre später Anfang April erwischte. In dieser Zeit mussten die Aktionäre mit ansehen, wie der Wert ihrer Anteilsscheine dahin schmolz wie Schnee in der Frühlingssonne - und wie vor allem das Image der einst so stolzen Deutschen Bank immer mehr Beulen und Kratzer davon trug.
Der Trick mit dem Pokalfinale
Aber Achleitner ist mit allen Wassern gewaschen, und er schaffte es mit einem Trick, die Aktionäre zumindest zeitweise auf seine Seite zu ziehen. Er, bekennender Fan des FC Bayern München, gratulierte in Frankfurt der hiesigen Eintracht zum Sieg im Pokalfinale eben gegen die Bayern. Und zeigte ein selbstgemachtes Foto vom vergangenen Samstag in Berlin: Den Frankfurter Fanblock mit einem Spruchband, auf dem zu lesen ist: "Totgesagte leben länger!" Der Kampfgeist der Frankfurter habe ihn sehr beeindruckt und daran wolle er sich orientieren. Sprach's und fügte noch hinzu: "Ob Sie es glauben oder nicht: Ich freue mich auf die heutige Aussprache mit Ihnen." Ungläubiges Staunen in der Festhalle, die mit über 4000 Aktionären gut gefüllt war, aber keine Pfiffe oder Buhrufe. Und am Ende seiner Rede sogar verhaltener Beifall.
Eine Rede mit durchaus selbstkritischen Zwischentönen, in denen Achleitner auch Konflikte innerhalb der Führung einräumte; mit dem Versuch, die missglückte Orchestrierung des Chefwechsels von vor zwei Monaten zu erklären (Lecks im Aufsichtsrat und die Medien seien die Ursachen). Viel Lob für die Arbeit von John Cryan, wofür es viel Beifall gab. Aus Sicht der Kleinaktionäre hat der Brite offenbar einen guten Job gemacht in den knapp drei Jahren seines Wirkens. Und ein interessanter Fakt am Rande: 49 mal hat sich das Aufsichtsgremium in verschiedenen Zusammensetzungen im vergangenen Jahr getroffen, seit Jahresbeginn kamen noch 22 Sitzungen dazu: Zahlen, die zeigen, dass offenbar ein erheblicher Gesprächsbedarf vorhanden war - und weiterhin ist.
Von Zielen und Problemen
Dafür wird schon allein Christian Sewing sorgen. Der ist seit Anfang April neuer Chef der Bank, die er seit 30 Jahren kennt. Als Bank-Azubi hat er einst in einer Filiale in Bielefeld angefangen. Der 48-Jährige kennt also den Laden, und er drückt aufs Tempo. Kurz vor Beginn der Hauptversammlung bestätigte die Bank Medienberichte, wonach sich das Geldhaus von mehr als 7000 Mitarbeitern trennen will. Dieser Prozess, so Sewing, sei bereits eingeleitet. Gleichzeitig skizzierte und präzisierte er seine Pläne für die Bank: Er strebt eine "ausgeglichenere Balance der Geschäftsfelder an", will heißen: Weniger Aktienhandel, weniger Investmentbanking, mehr Firmen- und Privatkundengeschäft in Deutschland und Europa. Auch um vermögende Kunden will man sich verstärkt kümmern. "Relevant, exzellent, innovativ und stabil" - so stellt sich Sewing die neue Deutsche Bank vor. Und für die geschundene Aktionärsseele gab´s zwar nicht mehr Dividende, aber einen Schuss Patriotismus: "Wir sind ein Teil dieses Landes."
Das kam gut an, allerdings blieben weiterhin viele Fragen offen. Die Bank ächzt unter einer enormen Kostenlast: "Um einen Euro zu verdienen, muss sie 91 Cent ausgeben", machte es Klaus Nieding deutlich, Vizepräsident der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz. Gleichzeitig werfe die Bank ihren Investmentbankern zwei Milliarden an Boni hinterher, speise aber die Aktionäre mit einer "Notdividende" von elf Cent ab. Und ein Ende der Kostenlawine ist nicht wirklich in Sicht, im Gegenteil: Für den anstehenden Konzernumbau inclusive Abfindungen hat die Bank allein für dieses Jahr 800 Millionen Euro auf die Seite gelegt.
Geduld gefragt
Immerhin setzte Christian Sewing eine Zielmarke: Für 2021 strebt die Bank eine Rendite von zehn Prozent nach Steuern auf das sogenannte materielle Eigenkapital an. Ein extrem ehrgeiziges Ziel. Nur zu erreichen, wenn das Umfeld einigermaßen normal bleibt und die Bank zur Sparkasse wird, wobei die Betonung auf Sparen liegt. Vergleichbare Wettbewerber, so Klaus Nieding zur DW, kämen mit der Hälfte des Personals aus. Und Markus Kienle von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger rechnete vor, dass die Bank, um diese Rendite zu erwirtschaften, mehr als acht Milliarden Vorsteuergewinn erzielen müsste. Seine Prognose: Nicht machbar!
Dazu kommen weiterhin Probleme mit der zwar mittlerweile aufgepeppten, aber noch immer problematischen Infrastruktur. Wie könne es sein, fragte zum Beispiel Andreas Thomae von der Deka-Bank, der Investmenttochter der Sparkassengruppe, dass die Deutsche Bank versehentlich 28 Milliarden Euro überweise, "ohne dass dies jemand merkt?" Bank-Chef Sewing selbst räumte ein, das noch viel Arbeit nötig sei: So habe man "im Maschinenraum" weit über 3300 Prozesse in der täglichen Arbeit ausgemacht, die noch von Hand erledigt werden müssten. 100 der kostenintensivsten habe man jetzt automatisiert, um 300 Stellen einsparen zu können.
Die Bank bleibe also ein "Koloss auf tönernen Füßen", wie es Ingo Speich von der Fonds-Gesellschaft Union Investment zusammenfasste. Wie zum Beweis rutscht die Aktie während der Hauptversammlung um weitere knapp fünf Prozent in den Keller, die Talfahrt stoppte knapp oberhalb der kritischen Zehn-Euro-Marke. Da braucht es für gute Laune schon einen Versprecher des Versammlungsleiters Achleitner beim Verlesen der Tagesordnung: Es sei über die Dividende von elf Euro abzustimmen. Jubel im Saal. "Davon träumen wir", korrigierte Achleitner. Es bleiben doch nur elf Cent. Da konnten die enttäuschten Aktionäre sich dann doch nur trösten: Mit 8000 Brezeln und Brötchen, 9000 Frankfurter Würstchen und 13.000 Stück Blechkuchen.