Schwere Vorwürfe gegen Deutsche Bank
12. Juni 2015Ein Bericht der Finanzaufsichtsbehörde Bafin zu Manipulationen des Libor-Zinses bei der Deutschen Bank belastet nach Informationen des Magazins "der Spiegel" unter anderen Noch-Co-Chef Anshu Jain. Zwar komme die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) zu dem Schluss, es sei kein Vorstandsmitglied der Bank direkt in die Zinsmanipulation verwickelt gewesen. Zugleich beschreibe die Behörde aber schwere Versäumnisse bei der Kontrolle von Geschäftsprozessen, in der Organisation und bei der Aufarbeitung der Affäre, berichtet "der Spiegel" in der aktuellen Ausgabe unter Berufung eines Kenners des Bafin-Berichts. Die Deutsche Bank wollte sich dazu nicht äußern.
Kritisiert werden in dem Bericht dem Insider zufolge neben Anshu Jain Personalvorstand Stephan Leithner, der ehemalige Vorstandsboss Josef Ackermann sowie Ex-Vorstand Hermann-Josef Lamberti. Von den vier Managern war keine Stellungnahme zu erhalten. Dem Insider zufolge hat BaFin-Chef Felix Hufeld seine Kritik an dem Geldhaus auch in einem Gespräch mit Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner zum Ausdruck gebracht.
Führungswechsel nicht Folge des BaFin-Berichts
Ein Sprecher der Deutschen Bank sagte, es sei kategorisch falsch zu behaupten, Jain und Co-Chef Jürgen Fitschen hätten sich wegen Druck der Aufsichtsbehörden zum Rückzug entschlossen. Achleitner hatte kürzlich in einem Brief an die Mitarbeiter erklärt, Fitschen und Jain hätten ihn aus eigenem Antrieb heraus angesprochen, da nach der Bekanntgabe der neuen Strategie "ihrer Meinung nach jetzt der richtige Zeitpunkt ist, eine neue Führung zu etablieren, die die Umsetzung der Strategie in den nächsten fünf Jahren begleitet".
Jain und Fitschen hatte am vergangenen Sonntag überraschend das Handtuch geworfen. Jain wird bereits Ende des Monats abtreten, Fitschen im Mai nächsten Jahres. Investoren werfen beiden vor, die anvisierten Ziele nicht erreicht und Rechtsstreitigkeiten nicht schnell genug aus der Welt geräumt zu haben. Ihre Nachfolge soll der Brite John Cryan antreten, der bereits seit 2013 im Aufsichtsrat der Bank sitzt.
Schon lange im Visier
Die ehemalige Bafin-Chefin Elke König hat im Rahmen der Libor-Affäre bereits 2013 organisatorische Mängel bei den Geldhäusern kritisiert. "Die Institute haben diesem Prozess nicht die Bedeutung beigemessen, die er im Rückblick hätte haben sollen." Händler verschiedener Banken sollen die Referenzzinssätze über Jahre hinweg manipuliert haben, um Handelsgewinne einzustreichen. Die EU-Kommission und die Aufseher in Großbritannien und den USA haben die Deutschen Bank wegen der Libor-Affäre bereits zu Strafen von insgesamt rund drei Milliarden Euro verdonnert.
Die Bafin hat die Deutsche Bank bereits seit Jahren wegen einer Vielzahl von Affären im Visier. Sie prüft unter anderem, welche Rolle die Bank bei der Manipulation von Devisenkursen und Betrügereien im Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten spielte.
Den Libor-Bericht hat die Bonner Behörde kürzlich fertiggestellt und mit Bitte um Stellungnahme an die Deutsche Bank geschickt. Danach wollte die Behörde über mögliche Konsequenzen entscheiden, sagte der oberste Bafin-Bankenaufseher Raimund Röseler im Mai. Am Freitag wollte sich die Bafin zu dem Thema nicht äußern.
Jetzt stellen auch noch die Aktionäre ein Ultimatum
Die Aktionärsvereinigung DSW setzt die Deutsche Bank im Streit um die Einsetzung eines Sonderprüfers zum Thema Altlasten unter Druck. "Herr Achleitner hat jetzt noch bis Montag Zeit, sich zu der freiwilligen Sonderprüfung zu äußern wie wir sie auf der Hauptversammlung vorgeschlagen haben", sagte der Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Klaus Nieding, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Frankfurt an die Adresse von Aufsichtsratschef Paul Achleitner.
"Wenn wir bis Montag nichts hören, werden wir im Laufe der nächsten Woche unseren Antrag bei Gericht einreichen", betonte Nieding. Die Anlegerschützer wollen von einem unabhängigen, externen Prüfer untersuchen lassen, ob die Rückstellungen der Bank für laufende Rechtsverfahren und drohende Vergleichszahlungen ausreichend sind. Zudem soll festgestellt werden, ob die neuen internen Kontrollmechanismen genügen, um Skandale wie etwa die Manipulation von Referenzzinssätzen künftig auszuschließen.
Auf Betreiben der DSW hatte die Hauptversammlung der Deutschen Bank am 21. Mai über die Einsetzung eines Sonderprüfers abgestimmt - den Antrag letztlich jedoch mit großer Mehrheit abgelehnt. Der Aufsichtsrat der Bank hatte schon vor dem Aktionärstreffen erklärt, er sehe "insbesondere angesichts der Vielzahl interner und externer Überprüfungen keinen Anlass, einen weiteren Prüfer mit der Beurteilung der Sachverhalte zu betrauen". Bereits bei der Hauptversammlung hatte Nieding angekündigt, die DSW werde den Sonderprüfer - für dessen Einsetzung sich auch viele institutionelle Investoren ausgesprochen hätten - notfalls vor Gericht durchsetzen.
dk/nm (afp/rtr/dpa)