DJs aus Deutschland
6. April 2011Doktor Motte hat sich etwas verspätet. Es ist zwar schon um die Mittagszeit, aber der DJ ist noch nicht so lange wach; die Nacht zuvor war kurz. Diesmal nicht, weil er in einem Club aufgelegt hat, sondern weil er gemeinsam mit 40 weiteren Musikern und Künstlern einen Verein der elektronischen Musik gegründet hat. Seit er 25 Jahre alt ist, legt Matthias Roeingh, so der bürgerliche Name, auf. Heute ist er 50 und noch kein bisschen müde von seinem Beruf. "Ich liebe es einfach, in diesem Sound zu baden und die Vibrationen der Bässe in meinem Körper zu spüren", sagt er. Und auch einmal ganz legal seine Lieblingsmusik richtig laut aufdrehen zu können, macht ihm ungeheuren Spaß. "Zuhause geht das ja nicht, da würden die Nachbarn gleich die Polizei rufen."
Vinyl für immer
Auch wenn sich technisch gesehen in den letzten 20 Jahren viel getan hat: Dr. Motte legt immer noch ganz klassisch Vinyl auf, mixt Songs auf den Plattentellern ineinander und verändert die Geschwindigkeiten, so dass die Stücke richtig zusammen passen. Eine Ausbildung zum DJ gibt es nicht, jeder sammelt seine eigenen Erfahrungswerte. "Ich lasse mich immer davon inspirieren, was der DJ vorher aufgelegt hat, wie die Leute darauf reagiert haben, wie der Club aussieht und was da für eine Stimmung ist", sagt Dr. Motte. All das spiegelt sich dann in seiner Musik wider, aber der DJ bringt auch eigene Impulse ein: "Wenn du mir zuhörst, hörst du in der Regel meine Seele." Rund 300 Platten nimmt er pro Auftritt mit, auch wenn er nur einige wenige davon spielt. Wieviele er insgesamt besitzt, weiß er nicht.
Mit der Loveparade an die Weltspitze
Bekannt geworden ist Dr. Motte vor allem durch die Loveparade, die er 1989 initiierte. Zunächst eine kleine Veranstaltung mit 150 Leuten, einige Jahre später ein Mega-Event der Techno-Szene mit bis zu 1,5 Millionen Besuchern. Die Love-Parade machte Dr. Motte international bekannt. Aber nicht nur er wird im Ausland gebucht. "Deutschland ist, was die Bekanntheit der DJs betrifft, Exportweltmeister", sagt er. "Weltweit sind deutsche DJs unterwegs, so als wäre die elektronische Musik gerade erst entwickelt worden und wir ständen erst am Anfang einer neuen Euphorie." Ihn fasziniert es, dass Techno auch nach über 20 Jahren in den Clubs weltweit immer noch so präsent ist.
Vom Plattenaufleger zum Musiker
Einer, der davon profitiert, ist Fritz Kalkbrenner aus der nachgewachsenen Techno-Generation. Er versteht sich nicht als DJ, sondern als Musiker, denn er legt nicht Platten von anderen auf, sondern eigene Musik. Wenn er auftritt, mischt er eigen produzierte Musikbausteine live zusammen. "Durch die neuen technischen Möglichkeiten ist man heute viel flexibler", findet er. Während ein Auftritt vor 15 Jahren noch ein Abenteuer gewesen sei, weil man quasi sein ganzes Studio ausbauen und auf der Bühne wieder aufbauen musste, brauche er heute nicht viel: "Ein Laptop, eine Soundkarte, eine Controller-Einheit, die ganze Kabellage, eine Hose, zwei Unterhosen, ein Paar Socken, einige T-Shirts, einen Reisepass, eine Zahnbürste, fertig. Dann kann es losgehen."
Fritz Kalkbrenner ist 29 Jahre alt, hat im vergangenen Jahr eine eigene Platte veröffentlicht und war in diesem Jahr für den Echo-Kritikerpreis nominiert. Kalkbrenner tourt fast jedes Wochenende, häufig quer durch ganz Europa und spielt dann an jedem Abend in einer anderen europäischen Hauptstadt. "Das ist Gewöhnungssache, das kann man nicht aus dem Stand. Ich bin in Clubs unterwegs, seit ich 16 bin, also fast die Hälfte meines Lebens", lächelt der Techno-Experte. Wenn man wie er professionell im Nachtleben arbeitet, muss man auch mit seinen Energien haushalten können. "Manchmal gehe ich nach dem Gig gleich ins Bettchen", gesteht Kalkbrenner. Anders wäre der Job wohl nicht zu schaffen.
Party weltweit
Auf seinen Touren hat er festgestellt, dass elektronische Musik universell ist. Zwar gibt es hinsichtlich des Nachtlebens kleine länderspezifische Unterschiede, die oft auch den Klischees entsprechen. So ziehen zum Beispiel Spanier und Portugiesen erst sehr spät in die Clubs, die Niederländer erweisen sich als bodenständige Raver, und in Moskau tanzt man tatsächlich auf den Tischen. Im Großen und Ganzen feiern Clubgänger aber doch sehr ähnlich. Das findet auch Urgestein Dr. Motte. "Wir sind eine große, globale Familie der elektronischen Musik", sagt er. "Ob in Israel, Australien, San Francisco oder Mexiko, überall mag man unsere Musik. Es ist schön zu sehen, wie eng wir da zusammen sind."
Autorin: Nadine Wojcik
Redaktion: Matthias Klaus