Gegen Sanktionen
1. September 2008Kurz vor dem EU-Sondertreffen zu Kaukasus-Krise mehrten sich in Deutschland Stimmen, die vor einem zu harten Kurs gegen Russland warnen. Man müsse sehr aufpassen, dass Sanktionen nicht "einem selber mehr schaden als der russischen Seite", sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), im "Deutschlandradio Kultur". Russland könne auf Sanktionen vielfältig reagieren – das müsse man einfach zur Kenntnis nehmen.
Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten treffen sich am Montag (01.09.2008) Nachmittag in Brüssel, um darüber zu beraten, wie die EU sich in der Kaukasus-Krise verhalten soll. Die EU ist in dieser Frage tief gespalten. "Es gibt diejenigen, die die Entschiedenheit propagieren und diejenigen, die im Gegenteil finden, dass wir Russland gegenüber zu viel tun", sagte der französische Außenminister Bernard Kouchner am Sonntagabend dem Fernsehsender France 3. "Wir sind 27, das ist immer schwierig." Vor allem osteuropäische Länder fordern einen harten Kurs gegen Moskau und verlangen Sanktionen. Frankreich, das gegenwärtig die EU-Ratspräsidentschaft inne hat, und Deutschland lehnen das ab. Laut Kouchner liegt der Gipfelrunde ein "ausgewogener, entschlossener Text" zur Beratung vor. Anstelle von Sanktionen würden darin "präzise Schritte" vorgeschlagen.
Unionspolitiker gegen Sanktionen
Für eine "Doppelstrategie" sprach sich der Präsident des Europaparlaments, Hans-Gert Pöttering (CDU), aus: Die EU müsse Russland verurteilen, weil es das Völkerrecht gebrochen haben. Gleichzeitig müsse die EU aber klarstellen, dass sie mit Russland weiter Politik betreiben möchte, wenn das Land sich an die Regeln des internationalen Völkerrechts halte.
Sanktionen lehnte Pöttering aber ab. "Jetzt würde ich raten, davon abzusehen", sagte er dem Radiosender "radioeins" des RBB. Ähnlich äußerte sich auch der Europaparlamentarier Elmar Brok (CDU): "Gesprächsfäden muss man aufrecht erhalten, um Lösungen finden zu können", sagte er im "Inforadio" des RBB. Die EU dürfe nicht in eine "Eskalation der Worte hineingeraten, die uns in einen Kalten Krieg führen." Nötig sei ein "Signal an Moskau, dass man mit der Europäischen Union nicht spielen kann", sagte Brok.
Sarkozy und Medwedew telefonieren
Der französische Präsident Nicolas Sarkozy startet offenbar eine Reihe von neuen Initiativen, "um die Sache des Friedens voranzubringen", wie der französische Ministerpräsident François Fillon am Montag dem Radiosender "Europe 1" sagte. So werde Sarkozy dem EU-Gipfel vorschlagen, erneut "in die Hauptstädte Russlands und Georgiens zu reisen". Nach Angaben des Pressedienstes des Kremls hat Sarkozy am Sonntag mit seinem russischen Amtskollegen Dmitri Medwedew telefoniert. Die beiden Staatschefs hätten darüber gesprochen, wie die Sicherheit in den Pufferzonen Zonen um Südossetien und Abchasien gewährleistet werden kann.
Russische Truppen stehen nach wie vor im Kernland von Georgien. Moskau rechtfertigt ihre Anwesenheit mit dem von Sarkozy vermittelten Sechs-Punkte-Plan, der russische Patrouillen auch außerhalb von Südossetien und Abchasien erlaube. Nun hätten Sarkozy und Medwedew darüber gesprochen, ob mehr internationale Beobachter in die Pufferzone geschickt werden könnten, teilte der Kreml mit.
Russland und Georgien fordern Unterstützung ein
Der russische Außenminister Sergej Lawrow warnte die EU am Montag davor, das "Regime" des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili zu unterstützen. Bis zum Amtsantritt einer neuen Regierung in Tiflis solle die EU ein Waffenembargo gegen Georgien verhängen, forderte Lawrow in Moskau.
Umgekehrt hofft der georgische Präsident auf die Hilfe der EU. "Ich erwarte, dass Europa unsere territoriale Einheit unterstützt und sagt, dass es diese illegalen Aktionen niemals anerkennen wird", erklärte Saakaschwili am Sonntag auf seiner Webseite.
Saakaschwili rief die georgische Bevölkerung auf, am Montag an Kundgebungen gegen die russische Militärpräsenz teilzunehmen. Es wird erwartet, dass mehrere zehntausend Menschen zu Protestveranstaltungen in verschiedenen georgischen Städten zusammenkommen. Veranstaltet werden die Demonstrationen unter anderem von Abgeordneten der Nationalen Einheitsbewegung von Präsident Saakaschwili. Auch in mehreren europäischen Hauptstädten sollen Kundgebungen stattfinden. (det)