Deutsche Versicherer zwischen Riester-Rente und Terrorfolgen
15. November 2001Rund 40 Milliarden Dollar haben die Terroranschläge vom 11. September die Versicherer weltweit gekostet. Im Vergleich dazu war die bislang folgenschwerste Naturkatastrophe, der Wirbelsturm Andrew im Jahr 1992, gerade mal halb so teuer. Für die Versicherungen eine Katastrophe, meint Bernd Michaels, der Vorsitzende des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft. Angesichts der unberechenbaren weltpolitischen Lage und der Gefahr weiterer terroristischer Angriffe könnten sie nicht mehr für alle erdenklichen Schäden haften: "Nun ist ja die Vorstellung von Versicherung die, dass wir versichern wollen und nicht, dass wir nicht versichern wollen. Also werden wir auch versuchen, mit den Risiken, die es gibt, auch mit dem Terrorismusrisiko, so weit wie möglich privatwirtschaftlich umzugehen, aber es wird nach meiner Auffassung nur in einer Kombination zwischen Privatwirtschaft und Staat gehen."
Das Modell des Versicherungsverbands sieht so aus: über 90 Prozent aller Fälle bleiben durch das bisherige Versicherungssystem, sprich privatwirtschaftlich abgedeckt. Gleichzeitig soll das Terrorismusrisiko aus den künftigen Versicherungsangeboten ausgeklammert werden. Als zweite Säule soll ein spezieller Fonds auf der Ebene der europäischen Versicherungswirtschaft eingerichtet werden, der für diese Art von Versicherungsfällen EURO-Beträge in Milliardenhöhe bereitstellen soll. Dies könnte vor allem für die Fluggesellschaften interessant werden, deren Versicherungen nach den Anschlägen teilweise gekündigt worden waren.
Angesichts dieser unkalkulierbaren Summen ist in solchen Ausnahmesituationen auch der Staat gefragt; von der Bundesregierung erhoffen sich die Vertreter der Versicherungswirtschaft verbindliche Zusagen über eine öffentliche finanzielle Haftung, wenn möglich noch in diesem Jahr. Bernd Michaels geht es in diesem Zusammenhang nicht nur um Zahlen - für ihn ist das staatliche Engagement eine logische Folge der neuen Weltsicherheitslage: "Man muß ja davon ausgehen, dass diese Vorgänge, dass diese Angriffe nicht sind gegen jemand persönlich gerichtet, sondern sie sind eigentlich gegen ein Wertesystem gerichtet, gegen einen Staat, wie immer Sie das bezeichnen wollen. Der einzelne, der Getroffene ist sozusagen zufällig getroffen als Pars pro toto, als Teil des Ganzen. Wenn diese Auffassung richtig ist, dann bedeutet das auch, dass die so zu treffende Gesellschaft, die man treffen wollte, einen Weg finden muß, gesamtheitlich mit diesem Problem umzugehen," meint Michaels philosophisch.
Doch nicht allen Versicherungs-Zweigen geht es schlecht, und nicht jedes Einnahme-Defizit läßt sich auf die Ereignisse des 11. September zurückführen. Dass die Beiträge beispielsweise im Bereich der Industrieversicherungen ab dem nächsten Jahr deutlich angehoben werden, sei einem mehrjährigen Einnahme-Defizit in diesem Bereich geschuldet. Während im Jahresbericht für 2001 auch die Autoversicherer ein Minus von einer Milliarde Mark hinnehmen müssen, verzeichnet beispielsweise die private Krankenversicherung ein Einnahme-Plus von rund fünf Prozent.
Trotz der schwachen Konjunktur und schlechter wirtschaftspolitischer Prognosen kann der Präsident der Deutschen Versicherungswirtschaft für zumindest für seinen Gesamtverband eine positive Bilanz ziehen: "Das alles zusammengenommen gibt für den Markt 2001 eine Beitragseinnahme von 266 Milliarden, Zuwachs 3,3 Prozent, und dann muss man sagen, dass in schwierigen Zeiten die Versicherungswirtschaft eine Branche ist, die zur Stabilisierung unserer Volkswirtschaft erheblich beiträgt."
Für das nächste Jahr rechnet Bernd Michaels mit ähnlich guten Daten. Grund für seinen Optimismus könnten vor allem die Zuwachsraten bei der Lebensversicherung werden: bis zu 7,5 Prozent könnten die Einnahmen in dieser Branche steigen, und dies dürfte auch der Bundesregierung zuzuschreiben sein, denn im Jahr 2002 tritt das Gesetz zur staatlichen Förderung der privaten und beruflichen Altersvorsorge in Kraft. Die sogenannte Riester-Rente sorgt für neue Kundschaft.