Deutsche Wirtschaft entgeht Rezession
30. April 2024Die deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal dank steigender Exporte und Bauausgaben an einer Rezession vorbeigeschrammt. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs von Januar bis März um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte.
Das ist das größte Plus seit einem Jahr. Im vierten Quartal 2023 war Europas größte Volkswirtschaft noch stärker geschrumpft als bislang angenommen, und zwar um revidiert 0,5 (bisher: -0,3) Prozent. Bei zwei Minus-Quartalen in Folge wird von einer technischen Rezession gesprochen.
Den Statistikern zufolge wurde das Wachstum zu Jahresbeginn von Anstiegen der Bauinvestitionen und der Exporte getragen. "Die privaten Konsumausgaben gingen dagegen zurück", hieß es.
2023 insgesamt sank das Bruttoinlandsprodukt mit 0,2 Prozent etwas geringer als bislang mit minus 0,3 Prozent angenommen. Die Bundesregierung erwartet für 2024 ein Wachstum von 0,3 Prozent.
Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge schlägt sich keine andere große Industrienation derzeit schlechter als Deutschland.
"So richtig deutliches Wachstum wird es wohl erst 2025 geben", sagte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch voraus. Dennoch könnte Europas größte Volkswirtschaft nach Einschätzung vieler Volkswirte das Schlimmste inzwischen überstanden haben.
"Strukturelle Herausforderungen bleiben"
Zuletzt verbesserten sich viele Stimmungsindikatoren wie das Geschäftsklima. "Für den lange ersehnten Aufschwung der deutschen Wirtschaft keimt Hoffnung auf", sagte der Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Guido Baldi. "Strukturelle Herausforderungen bleiben aber bestehen und dämpfen das Trendwachstum vorerst weiterhin - von der Alterung der Bevölkerung über die Rückstände bei der Digitalisierung bis hin zur lange verschleppten Energiewende."
Auch wächst die Zuversicht, dass künftig der private Konsum die Konjunktur anschiebt. Der Umsatz im Einzelhandel stieg im März mit real 1,8 Prozent zum Vormonat so stark wie seit fast zweieinhalb Jahren nicht mehr. "Es wächst die Hoffnung, dass der nahende Frühling den Konsum weiter anstacheln wird", sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger.
Die Bundesbank sieht die heimische Wirtschaft allerdings noch nicht vor einem anhaltenden Aufschwung. "Die Konjunktur in Deutschland hat sich etwas aufgehellt, eine durchgreifende Belebung ist aber noch nicht gesichert", heißt es im aktuellen Monatsbericht.
Die gestiegenen Finanzierungskosten und die erhöhte wirtschaftspolitische Unsicherheit dämpften demnach die Investitionstätigkeit der Unternehmen. Die Nachfrage nach Waren Made in Germany aus dem In- und Ausland sei nach wie vor schwach. Auch im Wohnungsbau sei der Negativtrend in der Nachfrage noch nicht gebrochen.
Habeck will "wuchtiges" steuerliches Entlastungsprogramm
Die Bundesregierung sah in ihrer jüngsten Prognose zunehmende Anzeichen für eine Trendwende. Mit einer kräftigen Konjunkturerholung wird allerdings vorerst nicht gerechnet. Zum Jahresende 2023 war die Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Vorquartal preis-, kalender- und saisonbereinigt nach revidierten Zahlen um 0,5 Prozent gesunken. Im Gesamtjahr 2023 rutschte Deutschland mit einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes, der nach neuesten Berechnungen preisbereinigt minus 0,2 Prozent betrug, in eine leichte Rezession.
Für das laufende Jahr hob die Regierung ihre Konjunkturprognose leicht an und erwartet nun 0,3 Prozent Wachstum im laufenden Jahr. Zuvor war die Regierung von 0,2 Prozent Plus ausgegangen.
Ein Wachstum von 0,3 Prozent sei natürlich "nichts, mit dem wir zufrieden sein können", hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eingeräumt. Es gebe aber eine Reihe positiver Entwicklungen. Beispielsweise habe die Inflation schneller nachgelassen als erwartet.
Am Montagabend (29.04.2024) sprach sich Habeck bei einer Veranstaltung in Kassel für ein "kurzfristiges und wuchtiges" steuerliches Entlastungsprogramm für die Wirtschaft aus.
Um dies zu finanzieren, warb der Grünen-Politiker für eine Reform der Schuldenbremse. Mehr Flexibilität würde es erlauben, mehr für die Bauwirtschaft und die Investitionen von Firmen zu tun. Habeck räumte aber ein, für eine Reform der Schuldenbremse gebe es derzeit keine politische Mehrheit.
hb/bea (rtr,dpa)