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Gabriel in China zu Gast

Das Interview führte Jens Thurau29. Januar 2008

Der Frost zwischen Berlin und Peking taut im milden Januar dahin. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel äußert sich im Interview zu den diplomatischen Beziehungen und zum Export deutscher Energietechnik nach China.

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Bundesumweltminister Sigmar Gabriel vor seiner China-Reise, Quelle: dpa
Bundesumweltminister Sigmar GabrielBild: dpa

DW-WORLD.DE: Herr Gabriel, Sie fliegen am Dienstag nach China. Das ist die erste Reise eines deutschen Regierungsmitglieds, nach den heftigen diplomatischen Verstimmungen, ausgelöst durch den Empfang der Bundeskanzlerin für den Dalai Lama im Kanzleramt. Jetzt ist diese Eiszeit offiziell auch vom Bundesaußenminister für beendet erklärt worden. Deutsche Politiker seien im Reich der Mitte wieder "herzlich willkommen". Inwieweit verändert das den Stellenwert Ihrer Reise?

Sigmar Gabriel: Gut, es macht die Reise überhaupt erst möglich, Frank-Walter Steinmeier, der deutsche Bundesaußenminister hat sich sehr darum bemüht, die Wogen zwischen China und Deutschland zu glätten. Es gab jedoch erhebliche Irritationen und eben quasi eine Ausladung einiger Kollegen aus der Bundesregierung. Jetzt wird Gott sei Dank die Reise möglich. Das ist auch deshalb gut, weil die Zusammenarbeit in Umweltfragen seit einer Reihe von Jahren eine sehr stabile ist und sich auch ein wachsendes Interesse der chinesischen Regierung und der chinesischen Bevölkerung an deutscher Umwelttechnik zeigt.

Das heißt, auch wenn so eine Eiszeit offiziell besteht, gibt es Kontakte, aber nicht auf allerhöchster Ebene?

Nein, ich weiß auch nicht, ob es eine Eiszeit war. Bei den Chinesen gibt es eine große Sorge, dass jeder Kontakt mit dem Dalai Lama nicht einen Kontakt mit einem religiösen Führer darstellt, sondern mit jemandem, der das gefährdet, was für die Chinesen fast das Allerheiligste ist, nämlich die Einheit Chinas. Dass man sich eben auch mit der Menschenrechtssituation in Tibet und in China generell auseinandersetzt, dass es um einen Dialog mit dem Dalai Lama geht. All das, was für uns selbstverständlich ist, empfindet die chinesische Regierung als Angriff auf die Einheit Chinas - deswegen löst es solche Reaktionen aus.

China ist ein Land mit gigantischem Wirtschaftswachstum, das Energie auf allen Ebenen braucht – fossile Energieträger, Atomkraft, aber auch erneuerbare Energien. Bei Ihrer Reise ist ein zentraler Aspekt, wie die deutsche Wirtschaft mit ihrem Export davon profitieren kann. Was kann die deutsche Wirtschaft von China erwarten?

Die chinesische Umweltbehörde und die Kommunistische Partei Chinas stehen inzwischen vor der Frage, ob sie nicht in der Realität ein Nullwachstum haben: Es wurde ausgerechnet, dass zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts in China jährlich ausgegeben werden müsste, um die Umweltschäden zu reparieren. Das chinesische Wachstum beträgt aber gerade zehn Prozent. Deswegen hat sich auch die Staatsführung mit der Frage befasst, was wir hier eigentlich tun müssen.

Die Lage in Peking ist so, dass es Ideen gibt, vor den olympischen Spielen die Industrie zwei, drei Monate abzustellen, um überhaupt eine Luftqualität zu erreichen, um die olympischen Spiele machen zu können. Das hört sich für uns einigermaßen verrückt an, aber das ist eben so. Da ist ein unglaublicher Wachstumsschub in diesem Land mit zum Teil sehr, sehr alten Technologien.

Allgegenwärtiger Nebel in Peking: In Peking demonstrieren Chinesen gegen den Smog, Quelle: AP (10.10.2004)
Die Chinesen wehren sich gegen die drohende UmweltkatastropheBild: AP

Woran die Deutschen sehr interessiert sind – deswegen haben wir eine relativ große Unternehmerdelegation dabei – ist deutsche Umwelttechnik [zu exportieren]. Und wir wollen versuchen, diese Technik dort vorzustellen und Geschäftsfelder für die deutsche Wirtschaft zu erschließen. Das sichert bei uns Arbeitsplätze, aber gibt ihnen gleichzeitig auch die Möglichkeit, mit dieser Technik die Lebensqualität der Bevölkerung in China deutlich zu verbessern.

Die Chinesen nutzen erneuerbare Energien bereits. Da gibt es Windkrafträder oder Sonnenkollektoren, aber wo sie noch großen Nachholbedarf haben, ist das, was ja auch bei uns erst jetzt so richtig beginnt: Energieeffizienz. Wo liegt da der Schwerpunkt Ihrer Reise?

Auch in den dafür notwendigen Techniken bis hin zur Gebäudetechnik. Letztlich sind es alle technologische Fragen, die wir stellen, und natürlich immer Finanzierungsfragen. Sie müssen sehen, dass die Chinesen Bedingungen stellen, die zum Beispiel mittelständische Unternehmen aus Deutschland nicht ohne weiteres erfüllen können. Da hat die Bundesregierung Instrumente, um den Weg solcher Mittelständler nach China mit zu begleiten.

Was für uns auch entscheidend ist, sind vertrauensbildende Maßnahmen. China und Indien sind die beiden Schlüsselfiguren in der Debatte um besseren Klimaschutz – nicht nur die USA. Da geht es auch darum, zu sehen: Wie ist die chinesische Führung eingestellt auf dieses Thema? Was erwarten sie von uns? Was müssen wir aber auch von ihnen fordern? Und insofern hat es auch durchaus eine politische Bedeutung und ist nicht nur eine reine Unternehmerreise.

Im zweiten Teil des Interviews äußert sich Bundesumweltminister Gabriel zu den Chancen der deutschen Energiewirtschaft in China.

Kurz bevor Sie nach China reisen, hat die EU ihr ambitioniertes Klimaprogramm spezifiziert und klargemacht, wie sie erreichen will, dass bis 2020 der Ausstoß an Treibhausgasen um 20 Prozent, möglicherweise 30 Prozent verringert werden soll. Das war immer eine der Kernforderungen der Chinesen: Ihr müsst glaubhaft zeigen, dass Ihr im Klimaschutz vorangeht. Dann folgen wir euch. Wird so eine europäische Initiative in China wahrgenommen?

Das wird ganz sicher wahrgenommen, es ist ja auch auf Bali schon wahrgenommen worden. Nur ich sage jetzt mal auch als Umweltminister: Wir wissen, dass es in China, in Indien, in vielen anderen Teilen der Welt Branchen gibt, die durchaus Wettbewerber auf Augenhöhe sind mit der europäischen Industrie. Deswegen wird es in Europa auch darauf ankommen, die Klimaschutzziele einerseits zu erreichen, auf der anderen Seite die im internationalen Wettbewerb stehende europäische und deutsche Industrie nicht derartig zu belasten, dass denen praktisch nichts anderes übrig bleibt, als in andere Länder zu gehen, die dem Klimaschutz-Regime noch nicht so stark unterzogen sind.

Da hätten wir nichts gewonnen. Wir hätten die Klimakiller nur exportiert und bei uns gleichzeitig Jobkiller gespielt. Deswegen kommt es darauf an, dass wir beispielsweise bei den Industriezweigen, die bei der Verringerung von CO2 den Stand der Technik erreicht haben, auch die Berechtigung von CO2-Emmissionen kostenlos geben, während wir anderen - vor allem der Stromindustrie - diese Berechtigungen verkaufen müssen.

Bislang hatten wir in Europa eine CO2-Senkung von acht Prozent, das kriegt man ohne große Verwerfungen im internationalen Wettbewerb hin. Jetzt wollen wir um 20, eigentlich 30 und in Deutschland sogar um 40 Prozent senken. Da muss man schon genau hingucken: Wie verteilen sich die Belastungen? Wie helfen wir der Industrie? Und übrigens auch den Verbrauchern, die auch nicht alle so reich sind, dass ihnen die Energiepreissteigerungen egal sein können.

Die alte Forderung von Entwicklungs- und Schwellenländern: Stellt uns eure umweltfreundliche Technologie kostengünstig zur Verfügung – das kann für China nicht gelten, wenn man weiß, wie viele Milliarden an Devisen-Rücklagen das Land hat.

Ja und nein. Es gibt Bereiche, wo das nicht geht. Aber wir haben eine sehr gute Entwicklungszusammenarbeit. Sie müssen sehen – von den 1,3 Milliarden Chinesen lebt eine Milliarde in ziemlicher Armut. Und wie kriegen Sie in Regionen Zugang zur Energie, in denen es kein Elektrizitätsnetz gibt? Was ist in den Dörfern, in den kleinen Städten? Da können wir natürlich mit unseren Konzepten für erneuerbare Energien eine Menge leisten, und da geht es auch um Entwicklungszusammenarbeit.

In Deutschland wird oft gesagt: 'Ja, da schmeißt Ihr Geld ins Ausland.' In Wahrheit ist es natürlich so, dass die [Chinesen], je besser es ihnen geht, in Deutschland unsere Produkte kaufen. Wir leben in großen Teilen vom Export, und zwar von hochwertigen Produkten im Maschinenbau, in der Elektrotechnik, in der Chemie, in den erneuerbaren Energien. Insofern haben wir ein Interesse daran, dass es den Chinesen Schritt für Schritt besser geht, mal ganz abgesehen davon, dass wir als Menschen sowieso Interesse daran haben sollten, andere Menschen aus Armut zu befreien.

Der Yangtse Fluss in China ist sehr stark verschmutzt, Quelle: APTN
Der stark verschmutzte Yangtse: Deutschland will China bei seinem Umweltproblem helfenBild: APTN

Ein großes Thema im internationalen Klimaschutz ist Anpassung. Auch China gehört zu den Ländern, die schon massiv vom Klimawandel betroffen sind. Was tut China, um sich an den Klimawandel anzupassen und wie kann man dem Land dabei helfen?

China macht in einem Bereich etwas, das ist Anpassung und Verringerung von Treibhausgasen zugleich, es hat das weltweit größte Wiederaufforstungsprogramm, übrigens ohne irgendeine internationale Hilfe. Ich werde auch deshalb nach China fahren, weil ich mich informieren will, was sie selber eigentlich tun. Oftmals unterliegen wir in Europa der Gefahr der Arroganz, indem wir meinen, wir seien die einzigen auf der Welt, die etwas tun und übersehen viele Dinge, die andere Länder schon tun.

Wir wollen also erst einmal Informationen haben, wie solche Wiederaufforstungsprogramme arbeiten, die zum Beispiel Wasser halten, die dazu führen, dass es in einer Region überhaupt noch bewirtschaftbare Flächen gibt. All das wird dort eine Rolle spielen. Es ist nicht nur so, dass wir den Chinesen erklären wollen, wie die Welt ist. Wir wollen schon auch hören, wie sie die Welt sehen und was sie tun.

Wird es auch praktische Ergebnisse geben? Werden auf der Reise Abkommen unterzeichnet?

Ja, wir wollen ein Abkommen unterzeichnen im Bereich erneuerbare Energietechnologien und Umwelttechnik. Das wird sicher die Unternehmen auch bei uns am meisten interessieren. Wir wollen das gemeinsam mit der in China so wichtigen Reformkommission tun. Die ist sozusagen das Zentrum der wirtschaftspolitischen Entscheidung Chinas. Ich hoffe, dass das gelingen wird.