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SOS - Notfallhilfe abseits der Stadien

Karin Jäger7. Juni 2014

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe unterstützt die lokalen Behörden bei der Weltmeisterschaft in Brasilien. Alle hoffen auf eine reibungslose WM, doch die Rahmenbedingungen sind nicht die besten.

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Einsatzzentrale des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Foto: DW/Jäger)
Bild: DW/K. Jäger

Flugzeugabsturz an der Küste vor Porto Seguro, Feuer in der Abflughalle, ein Giftgasanschlag, bei dem es Tote und Verletzte gibt, am Airport des WM-Standortes. An solche Szenarien möchte Christoph Unger lieber nicht denken. Trotzdem haben der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und seine Mitarbeiter schlimmste Schadensfälle im Fokus, um entsprechende Sicherheitskonzepte zu entwickeln, speziell für Porto Seguro. Dort halten sich die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw, viele deutsche Fans und Journalisten auf.

Standort der deutschen Nationalmannschaft während der Fussball WM 2014 in Brasilien (Foto: Vera Gomes/dpa)
Domizil des deutschen WM-Teams in Campo Bahia: Wo gibt es Fluchtmöglichkeiten?Bild: picture-alliance/dpa

Wie kann man bei einem "Massenanfall an Verletzten" schnellstmöglich alle Betroffenen medizinisch und psychologisch bergen und versorgen? Wo gibt es Fluchtmöglichkeiten? Wie löscht man einen Brand? "Für Standardfragen gibt es Standardabläufe", sagt Unger. Seine Behörde hatte Sicherheitskonzepte für die WM 2006 in Deutschland entwickelt und danach die Organisatoren der FIFA-WM 2010 in Südafrika beraten. Seit zweieinhalb Jahren haben das BBK und die WM-Organisatoren in Porto Seguro zusammengearbeitet. Mit dabei: Detlev Harries von der Berufsfeuerwehr Dortmund: "Brasilien befindet sich nicht in Konflikten mit seinen Nachbarn. Deshalb fehlt den Lateinamerikanern das Know-how."

Von Olympia 1972 in München gelernt

Deutschland habe nach dem Terror-Angriff auf die Olympische Spiele in München 1972 Konzepte für Anschläge und Krisen erarbeitet, so Harries: "Wir konnten in Sachen Krisenkommunikation einiges erreichen. Es ist wichtig, Empathie mit Verletzten und Angehörigen zu zeigen oder bei der Wahrheit zu bleiben." Feuerwehr, Polizei, Rettungsteams, Mediziner sollten keine widersprüchlichen Aussagen machen, sondern sich absprechen über die Zahl von möglichen Verletzten. Sonst seien die Behörden unglaubwürdig und stünden sofort in der Kritik.

Detlev Harries und Feuerwehrmänner in Porto Seguro (Foto: privat)
Feuerwehrmann Harries (M.) mit brasilianischen Kollegen in Porto Seguro: "Wir erklären, wie wir bei Notfällen handeln"Bild: privat

"Wir haben nicht den Anspruch, den brasilianischen Kollegen zu sagen, wie man es machen muss. Wir erklären, wie wir bei Notfällen handeln." So könnten die WM-Gastgeber selbst entscheiden, ob sie von den Erfahrungen lernen wollen oder es anders machen. In Krankenhäusern wurde mit Statisten ein Massenunfall simuliert, die Rettungskräfte sollten unter Druck Teamarbeit üben. Auch wurde der Umgang mit chemisch biologischen oder radiologischen Kampfstoffen erörtert. "Die Brasilianer sind darauf nicht so gut vorbereitet, wir haben dagegen eine Menge Erfahrung gesammelt, um solch eine Gefahrenlage zu bewältigen", meint Christoph Unger.

BBK-Krisenmanagerin Beate Coellen (Foto: DW/Jäger)
BBK-Krisenmanagerin Coellen: "Wir kümmern uns"Bild: DW/Karin Jäger

BBK-Mitarbeiterin Beate Coellen hat sich intensiv mit dem Verhalten von Menschen in Extremsituationen beschäftigt: "Wir kümmern uns im möglichen Schadensfall gemeinsam mit der Deutschen Botschaft um betroffene Staatsbürger, stellen sicher, dass Angehörige informiert werden." Für Unfälle hat das Bundesamt zweisprachige Fragebogen erstellt. Der Verletzte kann auf deutsch ankreuzen, wo er Beschwerden hat. Die Fragen können die medizinischen Fachkräfte dahinter auf brasilianischem Portugiesisch lesen.

Nicht krank werden in Brasilien

In der Bonner Zentrale des BBK sind rund um die Uhr geschulte Mitarbeiter im Einsatz. Auf Monitoren haben sie einen Überblick, wo sich jüngst Katastrophen wie Kriege, Konflikte, Erdbeben oder Unwetter ereignet haben. Auf Radarbildschirmen können sie Gefahrenpotential erkennen und analysieren. Von hier koordinieren sie auch die psychologische Betreuung und regeln verwaltungstechnische Belange. Stirbt zum Beispiel ein Bundesbürger im Ausland besorgen sie die Sterbeurkunde oder organisieren die Trauerfeier.

Fachleute arbeiten eng zusammen - zum Schutz der Bevölkerung. In Brasilien gibt es solche Strukturen noch nicht. "Das größte Problem ist der Mangel an Ressourcen", hat Christoph Unger beobachtet. "Es gibt zu wenige staatliche Krankenhäuser und die sind immer voll ausgelastet. Im Katastrophenfall droht ein Engpass", befürchtet Unger. Die Gäste aus Deutschland seien davon nicht betroffen, sie würden bei Bedarf in Privatkliniken behandelt, so Unger. Den deutschen Touristen rät der Behördenchef: "Am besten ist es, in Brasilien nicht krank zu werden."

Die nächste Feuerwehr ist kilometerweit weg

Den Brasilianern seien die Missstände bewusst, sagt Christoph Unger: "Brasilien ist ein Schwellenland. Für Porto Seguro und die umliegende Region mit 30.000 Quadratkilometern stehen nur 14 Feuerwehrleute zur Verfügung. Das sind für unsere Verhältnisse absolut erschreckende Zahlen." Man brauche Stunden, um an einem Brandherd zu sein, gibt Unger zu Bedenken. Allerdings hätten die Brasilianer auch nicht den Anspruch, wie die Feuerwehr in Deutschland innerhalb von zehn Minuten am Einsatzort zu sein.

Christoph Unger vom BBK (Foto: DW/Jäger)
BBK-Präsident Unger: "Am besten in Brasilien nicht krank werden"Bild: DW/Karin Jäger

Bedenken hat Berufsfeuerwehrmann Detlev Harries für den Fall eines Brandes im WM-Quartier der Deutschen: "Die nächste Feuerwehr ist 30 Kilometer entfernt stationiert. Sie muss im Ernstfall mit einer Fähre übersetzen, und die Straße liegt am Meer. Bei Überflutungen können da schon mal Teile der Fahrbahn wegbrechen."

Die brasilianisch-deutsche Zusammenarbeit soll nach der WM fortgesetzt werden. Die WM-Gastgeber haben das BBK und die Berufsfeuerwehren gebeten, beim Aufbau einer freiwilligen Feuerwehr-Organisation zu helfen. Außerdem sollen die Deutschen die Lateinamerikaner beraten, wie man mit Naturkatastrophen wie Erdrutschen umgeht, die Folge des Klimawandels und der starken Abholzung sind.