Deutschland besiegt die Ukraine
12. Juni 2016Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist mit einem Sieg in die Europameisterschaft in Frankreich gestartet. In Lille setzte sich der amtierende Weltmeister mit 2:0 (1:0) gegen die Ukraine durch. Torschützen für die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw waren Innenverteidiger Shkodran Mustafi (19. Minute) und der kurz vor Schluss eingewechselte Bastian Schweinsteiger (90.+2), der sich mit seinem Tor nach langer Verletzungspause zurückmeldete und den Schlusspunkt in einer sehr unterhaltsamen Partie setzte.
Wackler in der Defensive
Mit völlig neu zusammengewürfelter Viererkette ging Joachim Löw die erste Aufgabe bei der EM in Frankreich an. Neben Jerome Boateng lief Mustafi als Innenverteidiger auf, außen spielten links wie gewohnt Jonas Hector, rechts Benedikt Höwedes. Im Sturmzentrum setzte Löw zudem auf die "kleinere Variante": Er stellte Mario Götze auf, Mario Gomez saß nur auf der Bank.
Die erste große Chance hatten die Ukrainer: Nach einem Ballverlust von Mustafi wurde der Ball nach innen gespielt, wo Jewgeni Konopljanka direkt abzog und Manuel Neuer prüfte. Doch der deutsche Schlussmann, der heute auch die Kapitänsbinde trug, war auf dem Posten und rettete mit einer spektakulären Parade. Ansonsten hatte die deutsche Elf das Spiel am Anfang gut im Griff. Die erste Möglichkeit vergab Hector, der im Strafraum ausrutschte und verzog (12.). Dann brachte eine Standardsituation das erste Tor: Toni Kroos zirkelte eine Freistoßflanke aus dem Halbfeld genau auf die Stirn von Mustafi und der Verteidiger des FC Valencia hatte keine Mühe ins linke obere Eck einzuköpfen (19.). Kurze Zeit später wurde ein Weitschuss von Kroos noch zur Ecke abgefälscht - das wäre fast das 2:0 gewesen. Dann stand wieder Neuer im Fokus: Nach einer Ecke kam Jewgeni Chatscheridi an den Ball und köpfte aus kurzer Distanz aufs deutsche Tor. Neuer riss einen Arm hoch und klärte.
Dreh- und Angelpunkt im deutschen Spiel war Toni Kroos, der in der 29. Minute die nächste deutsche Großchance einleitete. Der Mittelfeldspieler von Real Madrid löffelte den Ball steil auf Sami Khedira, der in den Strafraum gestartet war. Khedira zog direkt mit links ab, doch der ukrainische Torhüter Andrej Pjatow blieb lange stehen und konnte parieren. Es ging nun hin und her. Zuerst wehrte Boateng eine Flanke von Konopljanka mit dem Körper ab, rettete anschließend spektakulär auf der Linie und verhinderte so ein Eigentor (37.). Wenige Sekunden später brannte es nach einer Flanke von links erneut im deutschen Strafraum: Neuer blockte den Ball und Andrej Jarmolenko staubte ab, doch das Tor zählte zu Recht nicht. Der Stürmer von Dynamo Kiew stand im Abseits.
Ukrainern geht die Luft aus
Nach dem Seitenwechsel versuchten es die Deutschen zunächst mit Weitschüssen. Julian Draxler scheiterte an Pjatow (48.), Kroos zielte etwas zu hoch, sein Ball streifte die Oberkante der Latte (52.). Anschließend war Neuer bei einem Freistoß-Aufsetzer von Jaroslaw Rakizky zur Stelle und klärte sicher zur Ecke (57.). Danach nahmen sich beide Teams nach dem hohen Tempo der ersten Halbzeit eine kleine Ruhepause. In der 67. Spielminute hatte dann Draxler bei einer Flanke von der rechten Seite erneut eine gute Gelegenheit, sein Kopfball in Bedrängnis ging aber knapp über das Tor.
Bei der Ukraine war nun die Luft raus. Die deutschen Spieler ließen den Ball laufen und schnürten den Gegner streckenweise am eigenen Sechzehnmeterraum ein. Oft zum Abschluss kamen die Deutschen dabei nicht, lediglich Thomas Müller versuchte es mit einem wuchtigen Flachschuss aus der Distanz, den Pjatow zur Ecke klärte (75.). Auch der eingewechselte André Schürrle hatte eine Chance, sein angedrehter Schuss ging ein paar Zentimeter neben das Tor (82.). Hoch her ging es noch einmal in der 88. Minute: Erst vergab der insgesamt sehr blass gebliebene Mesut Özil im Eins-gegen-eins das 2:0, dann versuchte Mustafi auf der anderen Seite eine Kopfballrückgabe, übersah dabei allerdings, dass Neuer weit herausgelaufen war. Neuer musste hinter dem Ball her sprinten und in höchster Not retten.
Als alle dachten, nun sei die Partie zu Ende, folgte doch noch ein Höhepunkt. Kurz nachdem die Dauer der Nachspielzeit angekündigt worden war, betrat Schweinsteiger für den schwachen Götze den Platz, um nach langer Verletzung noch ein paar Sekunden EM-Luft zu schnuppern. Doch statt lediglich ein wenig den Ball laufen zu lassen, setzte der 31-Jährige zum Sprint an und bot sich bei einem letzten deutschen Konter über links in der Mitte an. Die Flanke kam mustergültig, Schweinsteiger hielt den Fuß hin und erzielte das umjubelte 2:0.
"Eigentlich war nicht geplant, dass er so weit vorne auftaucht", sagte ein entspannter Joachim Löw anschließend im Interview mit der ARD. "Ich wollte eigentlich einen defensiven Mann bringen, der ein bisschen Ruhe reinbringt."
Schweinsteiger, der erst beim letzten EM-Testspiel gegen Ungarn wieder für 20 Minuten mitgewirkt hatte, ignorierte diese Vorgabe seines Trainers aber und lief trotzdem nach vorne. Die Strafe folgte umgehend: Denn nach seinem Jubelsprint vorbei an der Bank und zurück zu Manuel Neuer, dem er in die Arme sprang, war Schweinsteiger doch ziemlich am Ende und musste erstmal tief durchschnaufen.
Hier können Sie noch einmal nachlesen, wie der 2:0-Auftaktsieg der deutschen Elf zustande kam.