Deutschland debattiert erneut über ständige Grenzkontrollen
29. Juli 2024Kein Ende der Debatte um die Sicherung der deutschen Außengrenzen: Während der Fußball-Europameisterschaft der Männer waren die Grenzen nach Polen, nach Tschechien, nach Österreich, der Schweiz und nach Frankreich gesondert gesichert worden.
Nun fordern gleich in mehreren Bundesländern die zuständigen Innenminister, diese punktuellen Kontrollen an allen deutschen Grenzen zu verlängern. Begründet wird das vor allem mit dem Ziel, irreguläre Migration nach Deutschland zu verringern.
Zwar soll an den Grenzen innerhalb der EU zwischen den Mitgliedstaaten laut Schengener Abkommen grundsätzlich nicht mehr jeder und jede kontrolliert werden - Großereignisse oder bestimmte Gefahrenlagen können aber als Ausnahmen gelten. Dann dürfen Staaten die Ländergrenzen intensiver überwachen.
"Wir ziehen Schleuser aus dem Verkehr"
Die Argumente dafür sind vielfältig. Der Innenminister des bevölkerungsreichten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU), erklärte: "Wir wissen, wer ins Land kommt, und wir ziehen Schleuser aus dem Verkehr. Ich bin dafür, dass wir weiter kontrollieren. Punktuell und anlassbezogen."
Ähnlich äußerten sich der Innenminister von Baden-Württemberg, Thomas Strobl (CDU) und Michael Stübgen (ebenfalls CDU), der für Inneres zuständige Minister aus Brandenburg.
Kontrollen während der EM und Olympia
Anlass für die verstärkten Kontrollen waren die zwei sportlichen Großereignisse des Sommers in der Mitte Europas: Zunächst die Fußballeuropameisterschaft der Männer in Deutschland von Mitte Juni bis Mitte Juli.
Und aktuell die noch laufenden Olympischen Spiele in Paris, die am 11. August enden. Für diese beiden Anlässe hatte die Bundesregierung die Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich, der Schweiz und Frankreich hochgefahren.
Die Kontrollen zu Tschechien, Polen und der Schweiz werden noch bis Mitte Dezember verlängert, an der Grenze zu Österreich bis Mitte November.
Die Grenzsicherung wegen der Olympischen Spiele in Paris und an anderen Orten in Frankreich gilt bis zum 30. September. So werden auch die Paralympics abgedeckt.
Ohne konkrete Daten zu nennen hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am vergangenen Freitag, unmittelbar vor seinem Sommerurlaub, in einem Interview mit der Saarbrücker Zeitung angekündigt, die Grenzen auch weiterhin strikt kontrollieren lassen zu wollen.
22.000 Bundespolizisten im Einsatz
Bundesinnenministerin Nancy Faeser von den Sozialdemokraten hatte während der Fußball-Europameisterschaft der Männer rund 22.000 Bundespolizisten pro Tag abgestellt, um sowohl an den Spielorten selbst, als auch an den Grenzen zu kontrollieren.
Für die Polizei sind in Deutschland grundsätzlich die Bundesländer verantwortlich - es gibt aber auch die Bundespolizei, die eben vom Bund verantwortet wird. Die Maßnahmen während der EM hatten eine Woche vor dem Start des Turniers am 14. Juni begonnen.
Nach Ende der Europameisterschaft hatte Faeser dann eine kurze Bilanz gezogen und mitgeteilt, dass durch die verschärften Kontrollen rund 600 Haftbefehle ausgestellt und rund 150 Menschenhändler gefasst worden seien. In 3200 Fällen sei Menschen die Einreise nach Deutschland verweigert worden.
Gewerkschaft für "intelligentere" Kontrollen
Für die Kontrollen an den Grenzen sind in Deutschland die rund 54.000 Bundespolizisten zuständig. Knapp die Hälfte von ihnen leistete also während der Europameisterschaft Extra-Arbeit.
Darauf wies jetzt der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Andreas Roßkopf hin. Er sagte der Tageszeitung Rheinische Post, langfristige ständige Kontrollen seien kaum machbar. "Hierzu fehlen Personal als auch die Sachausstattung."
Und auch generell plädierte Roßkopf für eine andere Art der Überprüfungen: "Die Kontrollen sind bei weitem nicht so effektiv wie moderne und flexible, intelligente Kontrollen." Konkret nannte Rosskopf Zufallskontrollen auf den Straßen und in den Zügen und den Einsatz von Überwachungs-Drohnen.
Grenzen werden seit 2015 stärker überwacht
Rosskopf gab auch zu bedenken, dass etwa Asylsuchende an der Grenze nicht einfach zurückgewiesen werden könnten, da für die Bearbeitung ihrer Anliegen die Einwanderungsbehörden zuständig seien und nicht die Polizei.
Werden Asylsuchende mehrfach zurückgewiesen?
Der Innenexperte der Grünen, Marcel Emmerich, hält wenig von dieser Argumentation. Seine Partei ist einer der drei Regierungspartner.
Er sagte der DW, die hohe Zahl der Zurückweisungen während der EM hätte einen einfachen Grund: "Wenn die Menschen einmal da sind, können sie Asyl beantragen, und das versuchen sie auch . Selbst wenn sie zurückgewiesen werden, sind sie am nächsten Tag wieder da."
Die über 3000 Zurückweisungen während der Europameisterschaft hätten also längst nicht immer einen kriminellen Hintergrund.
Emmerich fragt: "Sind das Menschen, die einfach kein Zugticket dabei hatten, oder sind das solche mit wirklich ernsthaften kriminellen Absichten? Das sind alles offene Fragen."
Personalprobleme bei der Bundespolizei
Den Personalmangel bei der Bundespolizei hat auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) im Blick. Er erklärte gegenüber der Presse: "Ich halte Grenzkontrollen auch an europäischen Binnengrenzen für ein wichtiges und probates Mittel, insbesondere dort, wo es gehäuft zu illegalen Einreisen kommt. Aber die Bundespolizei kann die Intensität der Kontrollen wie während der Fußball-Europameisterschaft natürlich dauerhaft kaum gewährleisten."